Es war der Schock, haben die Ärzte gesagt. Ich bin nicht gelähmt oder Sonstiges, das nicht wieder verheilen wird. Ich habe eine Platzwunde am Hinterkopf, die genäht werden musste, eine schwere Gehirnerschütterung, drei gebrochene Rippen, ein verstauchtes Steißbein und eine geprellte Wirbelsäule. Ich bin für vorläufig sechs Wochen krankgeschrieben und muss die meiste Zeit davon im Bett verbringen.

Mein ADHS hat darauf so gar keinen Bock, aber jedes Mal, wenn ich auch nur aufstehe, um aufs Klo zu gehen, steht plötzlich wie aus dem Nichts meine Mum vor mir und zerrt mich wieder ins Bett. Die genießt es richtig, sich wieder um mich kümmern zu können als wäre ich ein kleiner Junge. Und ich kann mich nicht mal wehren.

Meine Freunde besuchen mich abends und versuchen, mich zu beschäftigen, aber die meiste Zeit davon machen sie sich eigentlich nur über mich lustig, weil ich so unfähig war, vom Gerüst zu stürzen. Wirklich verwundert hat meine Tollpatschigkeit natürlich keinen.

Lila verbringt ihre Abende auch gerne in meinem Zimmer, wenn sie zuhause ist. Sie erzählt mir immer, was sie so gemacht hat und genießt es richtig, meine neidischen Blicke zu sehen, weil ich nicht aus diesem Zimmer rauskomme ohne dass Mama mich anschreit und droht, mir noch mehr Rippen zu brechen.

Aber sie hat Ferien und draußen ist das beste Wetter. Sie sollte das genießen. Trotzdem. Ich will auch raus. Ich muss was tun. Arbeiten, baden gehen, meine Energie loswerden... irgendwas! Und stattdessen liege ich hier und schreibe Essays wie der größte Streber, der darin auch noch einen Unterhaltungswert sieht.

Wenigstens habe ich ein neues Handy. Mein Dad hat es mir besorgt und sogar bezahlt. Meines ist bei meinem Sturz kaputtgegangen. Das einzige, was sich retten lassen hat, war die SD-Karte. Die Sim-Karte kann ich nicht mehr rausholen und das Display ist komplett zerbrochen. Dabei war ich so stolz darauf, dass ich das Handy 6 Jahre lang hatte, ohne, dass es ein Mal gemuckt hat.

Da ging eine innige Beziehung zu Ende, ich sag's euch. Als mein Dad mir erzählt hat, dass mein Handy kaputt und nicht mehr zu retten ist, weil mein fetter Arsch darauf geflogen ist, kam das für mich einer Todesnachricht von einem engen Freund gleich. Mein Handy war mir so treu wie noch keine meiner Freundinnen.

Mit meinem neuen komme ich gar nicht klar. Das hat so viele Funktionen, die ich nicht mal haben will oder verstehe, und allein es einzurichten hat mich schon darüber nachdenken lassen, ob ich mir nicht einfach so ein altes Klapp-Nokia hole. Das überlebt so einen Sturz wenigstens.

Die einzigen Nummern, die ich bisher habe, sind die aus dem Festnetztelefon, die ich übertragen konnte, und die meiner Freunde, die sich hier blicken lassen haben bzw. die derjenigen, die sie mir gegen haben.

Leano, mein bester Freund, ist nach unserem Abschluss gleich weggezogen, daher kann er nicht so leicht einfach vorbeikommen und er soll seine Hochzeitsplanung auch nicht für sowas unterbrechen müssen. Seine Nummer habe ich von anderen gemeinsamen Freunden wiederbekommen und ihm mitgeteilt, was passiert ist. Er hat mich sofort angerufen und wollte jedes kleinste Detail. Dann hat er mich gefragt, ob es mir gut geht und dann hat er mich ausgelacht, sowie sich das für einen besten Freund eben gehört.

In den letzten vier Jahren haben wir uns vielleicht 10-mal gesehen. Immer zu unseren Geburtstagen und dann einmal zu Weihnachten und einmal auf der Verlobungsfeier. Da habe ich zum ersten Mal seine Freundin bzw. Verlobte kennengelernt. Sie ist bildhübsch, lieb und witzig. Wundert mich, wie der so einen guten Fang gemacht hat, der hässliche Vogel. Aber es freut mich auch für ihn. So werden seine Kinder vielleicht nicht ganz so entstellt. Man kann nur für sie hoffen, dass sich Samiras Gene durchsetzen, wenn es soweit ist.

Egal, zurück zum Thema. All das bedeutet auch, ich habe Johns Nummer nicht mehr. Und vielleicht ist das auch gut so. Sonst starre ich nur sein Profilbild an und will bei ihm sein und belästige ihn mit Anrufen und Nachrichten, weil ich nicht einsehen will, dass es das gewesen sein soll.

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