„Tyler hat einen Zettel geschrieben, auf dem stand, dass er nach der Schule einkaufen geht und wir ihm schreiben sollen, was er mitbringen soll", erzählt er währenddessen.

Das erinnert mich daran, dass ich Ty noch das Geld von meinem Dad geben muss. Und das Geld wiederrum erinnert mich daran, dass ich einen Job brauche. Am besten einen, den ich abends machen kann, wenn Ty dann bei John ist. Und ich frage mich, ob es sich lohnt, hier nach einer Fahrschule zu schauen oder ob ich noch länger warten soll.. Aber eigentlich will ich nicht noch länger warten. Es gibt Leute, die fahren schon mit 17 und ich habe noch nicht mal einen Plan dafür, wie ich das Geld für den Führerschein auftreiben soll...Vielleicht sollte ich einfach Ty fragen, was er dazu sagt. Aus ihm kommt immer irgendwas Schlaues, wenn man ihn nach seiner Meinung fragt.

„Also, wenn du Lust hast, können wir zwei auch zusammengehen.", schlage ich John vor. „Ty hat heute eh einen langen Tag" ...und dann bekomme ich Bewegung und sitze nicht den ganzen Tag mit dir hier rum und muss mir überlegen, wie ich dich unterhalten kann.

Er schaut zu mir, eine Augenbraue dabei hochgezogen, während er mir vorsichtig die heiße Tasse Kaffee reicht. „Stimmt schon", meint er dabei nachdenklich, wirkt aber nicht ganz überzeugt. „Aber, was, wenn er irgendwas unbedingt will und wir das dann nicht mitbringen?"

Ich zucke mit den Schultern. „Dann weiß er trotzdem, dass wir uns die Mühe gemacht haben, ihm ein bisschen was abzunehmen"

„Mhm", macht er bloß.

John ist echt nicht leicht zu durchschauen. Trotz oder grade wegen der Informationen, die ich bereits zu ihm habe. Er ist im Heim aufgewachsen, er war nicht gerade ein unauffälliger Jugendlicher, Tyler ist das wichtigste in seinem Leben... und er beherrscht die Kunst des Manipulierens mindestens genauso gut wie ich. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Tyler sich so lange von ihm verarschen lassen hat. Ganz egal, wie stark ihre Liebe war und wie groß Tylers Aufopferungsbereitschaft ist.

Ich meine, Ty hat mir davon erzählt, dass er einmal sogar mitbekommen hat, wie John sich im Urlaub nachts aus ihrem Hotelzimmer geschlichen hat und, dass am nächsten Morgen beim Frühstück so ein junger Typ vorbeikam und sich bei John für die heiße Nacht bedankt hat. Jeder andere hätte John eine gepfiffen, Schluss gemacht und nie mehr ein Wort mit ihm gewechselt, aber John hat es irgendwie geschafft, dass Ty ihm verzeiht und weiterhin mit ihm zusammenbleibt. Obwohl es wieder und wieder passiert ist, jahrelang. Bis John quasi um die Erlaubnis zum Betrügen gebeten hat, indem er die offene Beziehung vorgeschlagen hat.

Ich finde es heuchlerisch von John, dass der Ty vorwirft, nicht ehrlich gewesen zu sein, was dieses Beziehungsmodell angeht. Wenn John Ty auch nur annähernd so gut gekannt hätte, wie das nach 10 Jahren Beziehung der Fall sein sollte, dann hätte er genau gewusst, dass Ty so gar nicht glücklich werden kann.

Ich als Beziehungsexperte hätte um eine Auszeit gebeten. John wollte sich austoben, aber Ty nicht verlieren. Statt Ty auf die Ersatzbank zu setzen und mit duzenden von anderen Kerlen vor seinen Augen zu spielen und ihn quasi zu zwingen zuzusehen, hätte er das Spiel auch einfach beenden können, zulassen, dass Ty das Stadion verlässt und ihn dann, nachdem er mit den anderen fertig gespielt hat, zurückrufen. Aber was weiß ich schon. Ich bin ja nur ein dummes, naives Kind.

Jedenfalls weiß ich, dass Johns Freundlichkeit keineswegs ein Grund ist, mich darauf auszuruhen. Ich will ihm nichts unterstellen und vielleicht liegt es auch einfach wirklich daran, dass ich für den Ex meines Freundes gar keine Sympathie empfinden kann, weil sich mein Herz dagegen sträubt, aber ich habe einfach kein gutes Gefühl bei ihm. Vielleicht auch, weil Tyler bis zu Johns Selbstmordversuch auch nichts davon geahnt hat, dass er das vorhat. Er muss mindestens ein so guter Schauspieler sein wie ich, wenn nicht sogar besser. Ich meine, man sieht ihm gar nicht an, dass er vor 12 Tagen endgültig mit sich und seinem Leben abgeschlossen hat. Er wirkt total ausgeglichen, wenn auch unmotiviert. Aber so geht es jedem Morgenmuffel bei einem Start in den Tag, da schließe ich mich nicht aus.

„Oh, Tyler hat geantwortet" John hält mir aus dem Nichts sein Handy hin, um mir seinen Chat mit Ty zu zeigen, lässt mir aber nicht genug Zeit, ihn auch wirklich zu lesen. Ich erkenne nur, dass er ihn unter Liebling♥ eingespeichert hat und der Hintergrund des Chats ein Bild von den beiden darstellt.

Ich habe keine Ahnung, ob John bewusst ist, dass das nicht grade die Definition von der gesunden Verarbeitung einer Trennung ist. Ich meine, dass er seinen Namen einfach aus Gewohnheit so lässt, okay, darüber lasse ich mit mir diskutieren, aber das Hintergrundbild? Muss das echt sein? 

„Dann würde ich sagen, wir gehen nach dem Frühstück los. Passt dir das?" John schaut mich fragend an.

Ich nicke, sehe nachdenklich zurück in meinen Kaffee und frage mich, ob ich John darauf ansprechen sollte. Tyler wird ohnehin nur irgendwelche Ausreden finden, wenn ich ihm davon erzähle und John sicherlich nicht sagen, dass er das Bild wegmachen soll, aber andererseits habe ich nicht zu entscheiden, was in Johns Handy abgeht. Es gefällt mir nur nicht. Aus so vielen Gründen. Zum Beispiel der Gewissheit, dass John Ty wahrscheinlich niemals loslassen wird. Der Sorge darüber, dass er für immer zwischen uns steht. Und vielleicht auch des Neids, dass ich keine solchen Bilder mit Ty habe. Es gab bisher einfach keine Gelegenheit für uns, die zu machen.

Einmal habe ich ihn heimlich gefilmt, aber er hat es bemerkt und mich quasi dazu gezwungen, das Video zu löschen, weil wir total am Arsch gewesen wären, falls jemand sowas auf meinem Handy entdeckt hätte. Aber das war damals. Jetzt kann es uns total egal sein, ob jemand rausfindet, dass wir zusammen sind und eigentlich fände ich so ein paar Bilder schon ganz schön.

Ich verbringe meinen Tag also mit John. Wir gehen zusammen einkaufen, ich zeige mich beeindruckt von seinem Auto und erfahre etwas mehr über seinen Beruf, obwohl er das Thema ganz schnell abwürgt und mich fragt, was ich für ein Auto habe.

Er macht sich total über mich lustig, als ich zugeben muss, dass ich noch gar keinen Führerschein habe und er murmelt sogar irgendwas davon, dass ich wenigstens gut aussehe. Ich weiß nicht, ob er es mich absichtlich hören lässt, aber ich mache ihm sicherlich nicht den Gefallen, darauf zu reagieren.

Ja, ich sehe gut aus. Auf jeden Fall besser als sein 30-jähriger Zombie, der quasi so danach schreit, dass er sein Leben alles andere als im Griff hat.

Und schlussendlich ist es total egal, ob ich einen Führerschein habe oder ein Auto oder was auch immer. Denn im Gegensatz zu John habe ich Tyler und mehr will ich gar nicht.

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