„Lass es einfach", meine ich enttäuscht zu meiner Mum.

Falls sie jetzt anfängt mit mir zu reden, macht sie mir doch ohnehin nur Vorwürfe oder macht meine Beziehung schlecht oder löst noch mehr Unsicherheit in mir aus, als das ohnehin schon herrscht. Ich kann das jetzt nicht auch noch brauchen.

„Nein, ich lass es nicht" Sie zieht mich am Saum meines Shirts zurück, als ich gehen will und schaut sich meine Hand wieder an. „Müssen wir damit ins Krankenhaus?"

Diese ganze Situation ist so absurd. Plötzlich interessiere ich sie also doch. Plötzlich weiß sie wieder, dass sie einen Sohn hat. Plötzlich will sie sich kümmern.

„Du musst nicht so tun, als würdest du dich um mich sorgen, Mum. Ich habe verstanden, dass du mich hasst-"

„Was redest du da? Spinnst du?!" Sie sieht total schockiert aus, aber auch sehr wütend. „Ich hasse dich nicht, du Vollpfosten! Sag sowas nie wieder, hast du mich verstanden?!"

Ich nicke, doch kann ihr dabei nicht in die Augen sehen. Wirklich liebevoll kommt sie grade nämlich auch nicht rüber.

Ein erschöpftes Seufzen von ihr sorgt dafür, dass ich doch vorsichtig zu ihr sehe. Sie sieht wirklich fertig aus. Von ihrer eben herrschenden Wut ist nichts mehr übrig. Darin ist sie mir wohl ziemlich ähnlich.

„Also was ist mit deiner Hand? Sollen wir ins Krankenhaus?"

Ich schüttele den Kopf. „Geht schon wieder."

Ihr sagen, dass ich deutlich schlimmeres gewohnt bin, kann ich jetzt nicht. Sie hat nur ein einziges Mal mitbekommen, wie bzw. dass ich jemanden geschlagen habe. Darüber, was sonst so passiert ist, wurde immer mein Dad informiert und der hat nie darüber mit mir geredet.

Ich glaube, er denkt, ich suche auf diese Art nach Aufmerksamkeit und will sie mir grade deshalb nicht geben. Genauso wie er denkt, ich gebe ihm die Schuld an der Scheidung und immer überzeugter davon wird, je dringlicher ich das abstreite.

Ich gebe ihm nicht die Schuld. Ich weiß, dass er alles getan hat, was er konnte, um unsere Familie zu retten, aber letztendlich war es für uns alle besser, dass er sich von Mum getrennt hat. Für ihn, für Mum und für mich. So muss ich mir mein Trommelfell nicht mehr durch zu laute Metall-Musik kaputt machen, um nicht tag täglich auditiv an ihren Streits teilzunehmen.

„Okay" Meine Mum glaubt mir wenigstens, wenn ich ihr was sage, zum Beispiel das mit meiner Hand. Mein Dad würde darauf bestehen, dass ich nur nicht zugeben will, dass es wehtut und mich dann zum Arzt schleifen. Er glaubt, er weiß mehr über mich und meine Psyche als ich selbst. Ich weiß ja, dass er es nur gut meint, aber das ändert nichts daran, dass es nervt.

„Und wieso genau rastest du so aus, nur, weil Tyler sich nicht meldet?"

„Das würdest du nicht verstehen", murmele ich. Im Gegensatz zu Dad hat meine Mum keine Ahnung davon, was zwischen Ty und mir passiert ist. Und das soll auch so bleiben.

„Dann erkläre es mir halt solange, bis ich es verstehe" Mum schaut mich auffordernd an, und macht eine Geste, die so viel heißen soll, wie, dass ich anfangen soll zu reden.

Ich bin total überfordert davon und irgendwie bezweifle ich auch, dass sie das wirklich hören will. Aber ich habe Angst, dass sie mir eine schellt, wenn ich sie weiter aufrege. Bei ihr weiß man nie.

„Ich habe halt Angst, dass er sich einfach gar nicht mehr meldet"

„Wieso sollte er das tun?"

Ich zucke mit den Schultern. Wenn ich ihr jetzt sage, dass er mich schon mal verlassen hat und vor allem wie, ist er gleich unten durch. Das will ich nicht. Meine Mum soll ihn toll finden und uns irgendwann unterstützen. Das wird sie sicherlich nicht, wenn sie weiß, dass damit rechne, dass er mich nochmal verletzt.

Meine Mum setzte grade dazu an, etwas zu sagen. Ich sehe schon in ihrem Blick, dass sie mich dazu zwingen will, mit Worten und nicht mit aussaglosen Gesten zu sprechen, doch sie verstummt, als mein Handy vibriert. Schnell drücke ich ihr die Erbsen in die Hand und hole mein Handy aus der Hosentasche. Es ist Ty.

„Hei, was ist los? Wo bist du? Ist was passiert?"

Fuck, Lion, beruhig dich. Du bist so peinlich.

„Hi, Alex. Mir ist etwas dazwischengekommen. Tut mir leid"

Er klingt einfach nur fertig. Erschöpft, am Ende und so als sei ihm nach weinen zu Mute. Das versetzt mir einen Stich. Zu hören, dass er leidet, sorgt dafür, dass ich ein Abbild seines Schmerzes in mir wahrnehmen muss.

Eigentlich will ich ihm Vorwürfe machen und ihm sagen, dass er mein Vertrauen durch solche Aktionen sicherlich nicht zurückerlangt. Aber ich will nicht, dass es ihm noch schlechter geht. Also frage ich, was ihm denn dazwischengekommen ist. Vielleicht gibt es ja eine plausible Erklärung für all das.

„Ich muss die nächste Zeit bei John bleiben. Er braucht mich"

Plötzlich wirkt er so ernst, überzeugt. Es tut umso mehr weh, dass ich recht hatte. Er ist bei John. Und er will bei ihm bleiben, das hat er grade selbst gesagt.

„Und was ist mit uns?"

Gott, ich klinge so erbärmlich. Wie ein kleines Kind, das nicht versteht, dass der Hamster nicht nur pennt, sondern schon lange tot ist. Ängstlich, verzweifelt. Ich hasse es, mich so zu fühlen und, dass ich das bei Tyler zu allem Überfluss nicht einfach so verstecken kann.

Er atmet erschöpft durch. „Ich weiß es nicht, Alex, ich weiß grade gar nichts mehr..."

„Machst du Schluss?"

„Ich weiß es nicht!"

Ich zucke zusammen, als er plötzlich lauter wird. Sofort danach entschuldigt er sich umso leiser und fügt hinzu: „Ich will weiterhin mit dir zusammen sein, aber ich weiß nicht, ob ich das sollte. John braucht mich wirklich und ich will dich nicht vernachlässigen müssen. Das hast du nicht verdient."

Es tut weh, dass er so deutlich sagt, dass John ihm wichtiger ist als ich.

„Ich brauche dich auch", hauche ich verletzt.

Wieso denkt er bei allem was er tut, nie an mich? Wieso muss immer ich unter seinen Entscheidungen leiden? Wieso zum Fick ist John immer noch seine Nummer eins?!

Ich weiß", seufzt Ty. „Ich werde eine Lösung zu finden, das verspreche ich dir"

Obwohl er es nicht sehen kann, schüttele ich den Kopf. „Du solltest endlich aufhören, mir Versprechungen zu machen, Tyler. Wir wissen doch beide, wie das endet"

Ich lege auf. Ich will nicht, dass er mir wieder Dinge verspricht, an die er sich nicht halten wird. Will nicht hoffen, wenn ich am Ende nur wieder enttäuscht werde. Will nicht wissen, wie es sich anfühlt, nur darauf zu warten, dass er mir das Herz schlagende Herz herausreißt, nur um erneut darauf herumzutrampeln. Doch genau das tue ich.

Teach me LoveWhere stories live. Discover now