chapter 68

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Wir sitzen gute 10 Minuten nebeneinander und sagen kein Wort. Es handelt sich aber in diesem Fall nicht um diese peinliche Stille, die während eines Gespräches mit den Großeltern passieren kann, sondern eher um eine gewollte. Wir brauchen das gerade beide. Ich, um meine Gedanken zu sortieren und er, um wahrscheinlich über seinen Ratschlag nachzudenken.

"Steh auf!", bricht er plötzlich das Schweigen und erhebt sich mit einem Ruck. "Warum?" Ich sehe ihn verwirrt an, strecke aber meine Hände aus, damit er mir beim Aufstehen hilft. "Du sitzt jetzt bestimmt nicht den restlichen Abend in meiner Wohnung und starrst Löcher in meine Wände!" Er hält mich nach wie vor an einer Hand fest und zieht mich hinter sich her zur Wohnungstür. "Soll ich jetzt Löcher ins Stiegenhaus starren oder was?", frage ich genervt, nachdem er mich dazu aufgefordert hat meine Schuhe anzuziehen. "Nein, wir beide werden jetzt feiern gehen. Getränke gehen auf mich aber nach 5 Drinks ist Schluss für dich. Ich möchte nicht, dass deine Eltern denken ich hätte einen schlechten Einfluss auf dich." Ich bin so überrumpelt, sodass ich gar nichts erwidern kann. Ich habe heute mit Vielem gerechnet aber nicht damit feiern zu gehen. Als wir bereits im Auto sitzen und ich mich wieder halbwegs gefangen habe, schreibe ich meinen Eltern eine Nachricht, dass ich bei Cole schlafe. Und dass er schwul ist. Sonst ruft mein Vater noch an und möchte ein Aufklärungsgespräch mit ihm führen.

Vor einem mir unbekannten Club bleiben wir stehen und ich schaue Cole kritisch an. "Ich bin nicht gerade in der Stimmung.." Auf meine Aussage geht er aber gar nicht ein und nimmt mich wie vorhin an der Hand und zerrt mich hinein. Komischerweise möchte niemand meinen Ausweis sehen und trotzdem sieht es drinnen nicht so aus, als wären hier nur ekelhafte notgeile Typen und 16 jährige Schlampen. Wahrscheinlich kenne ich den Standort nur nicht, weil ich nicht so gerne fortgehe. "Ich bestell uns erst einen Drink", schreit mir Cole ins Ohr, was wegen der Musik nötig ist. Er verschwindet in Richtung Bar und ich versuche einen freien Tisch zu ergattern, der keinen eigene Verstärker besitzt, und werde auch schnell fündig. Es sind noch relativ wenige Leute hier, weil es noch weit vor Mitternacht ist. Unter normalen Umständen würde ich jetzt wahrscheinlich wieder gehen, aber ich habe die Hoffnung, dass der Alkohol ein wenig Stimmung macht. Zumindest in meinem Kopf.

Wie gerufen kommt auch schon Cole und setzt sich zu mir. "Keine Sorge, in spätestens 2 Stunden ist der Laden überfüllt", versichert er mir meine nicht ausgesprochenen Sorgen und nimmt einen Schluck von seinem Getränk. "Kommst du etwa öfters her?", frage ich mit lauter Stimme und sippe ebenfalls an meinem Glas. "Das ist der einzige Ort wo auch mehrere Homosexuelle hinkommen. Irgendwo muss ich ja auch meine Beute finden!" Als er das Wort Beute sagt verfalle ich in schallendes Gelächter. Und dabei hat der Alkohol noch gar nicht seine Wirkung entfalten. Also schätze ich, dass es mit Cole an meiner Seite doch ein schöner Abend werden kann.


Nach ungefähr 4 Drinks und sinnlosen Unterhaltungen merke ich endlich, dass mittlerweile ziemlich viele Leute hier sind und sowohl die Musik als auch die Stimmung besser geworden ist. "Komm gehen wir tanzen!", fordert Cole mich auf und ich greife trotz mangelnder Motivation nach seiner Hand.

Wie es scheint ist Cole ein leidenschaftlicher Tänzer, denn er kommt sofort in den Rhythmus der Musik und bewegt sich dazu. Hier wäre auch noch zu erwähnen, dass er das wirklich gut kann. "Warum schaust du so?", fragt er belustigt und kommt näher zu mir. Wenn ich nicht wüsste, dass er schwul ist, würde ich das eindeutig als Anmach-Versuch abstempeln. "Du kannst tanzen", kommt es aus meinem Mund und erst danach merke ich, wie dumm sich das anhören muss. "Stell dir vor!", meint er daraufhin und ich kann genau heraushören, dass er sich lustig über mich macht.

Kläglich versuche ich ebenfalls mich zur Musik zu bewegen, aber so lange ich nicht entweder super glücklich oder super betrunken bin, kann ich das nicht. Und das hasse ich. "Kannst du mir noch etwas zum Trinken holen?", frage ich ihn und tippe ihn dabei an. "Später vielleicht. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass du morgen deinen Kopf abreißen möchtest", antwortet er und wendet sich mir wieder ab und tanzt weiter. Glaubt er ernsthaft dass mich das gerade interessiert? Und nur weil er mir nichts besorgen kann, heißt es nicht, dass ich nicht an etwas rankomme. Immerhin bin ich eine Frau.

Also stelle ich mich an den Rand der Bar und sehe mich nach einem Typen um, der so aussieht, als hätte er Geld in der Tasche. Die sind meistens nicht schwer zu erkennen, weil sie eine der wenigen sind, die eine Uhr und ein Hemd in einem Club tragen. Erstaunlicherweise tümmeln hier mehr von denen, als ich gedacht hätte. Ohne groß nachzudenken schaue ich den erstbesten an. Lange. Und versuche irgendwie Blickkontakt herzustellen. Nachdem er sich endlich zu mir gedreht hat und meinen Blick bemerkt kommt er zu mir und fragt mich, wie erwartet, ob ich etwas trinken möchte.

Dieses Spiel spiele ich gefühlte 100 Male mit irgendwelchen Männern und irgendwann komme selbst ich in Tanz-Stimmung. Ich lasse Mann101 abblitzen und bahne mir einen Weg durch die Tanzfläche, um Cole zu finden. Der ist so in seinem Element, dass ich mit reden nicht weit kommen würde. Daher fange ich ebenfalls zum Tanzen an und nähere mich ihm von hinten. Obwohl ich ihn schon mehrere male berührt habe, merkt er nach wie vor nicht, dass ich es bin. Also bleibt mir keine andere Wahl und ich tanze ihn richtig an, als wolle ich etwas von ihm. "Du kannst ja doch Spaß haben!", scherzt er und wendet sich mir zu. Wenn uns Leute von außen beobachten müssen die wahrscheinlich denken, dass wir nachher noch etwas miteinander haben werden.

Unsere verschwitzten Körper reiben aneinander und ich spüre das Blut in meinen Adern pulsieren. Dadurch, dass wir miteinander tanzen als wären wir zusammen, wird sich kein Typ an mich oder Cole ranmachen und unseren freundschaftlichen Abend zerstören, was mich erst recht zum schmunzeln bringt.

unexpected LoveWhere stories live. Discover now