Kapitel 9

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Kyle war mit der Antwort scheinbar zufrieden. Er reichte mir eine Haarbürste und holte Verbandszeug raus um den Verband zu erneuern. Ich kämmte meine Haare durch und versuchte die Tränen so gut es ging zu unterdrücken. Meine Zukunftsaussichten waren ja wirklich blendend.

"Hab dich doch nicht so." Meinte der Amokläufer plötzlich.

Ich wusste nicht, ob ich ihn für diesen Satz am liebsten eine Scheuern sollte oder nicht, doch ich tat nichts. Kämmte einfach meine Haare durch und ließ ihn mein Bein verbinden, ich wagte es nicht darauf zu schauen. Nachdem er fertig war, nahm er mir die Bürste ab und hob mich hoch. Schon wieder vekrampfte ich mich. Im Wohnzimmer setzte mich der Mann ab. Scheinbar hatte er eine Decke auf die Couch gelegt. Kaum wurde ich auf der Couch runtergelassen, klingelte es an der Tür. Er brauchte nichts zu sagen. Ich wusste, dass ich die Klappe halten sollte. Es dauerte nicht lange, da erreichte mich der Geruch von Essen und Kyle kam wieder. Er holte Besteck aus der Küche und reichte mir eins der Boxen. Es waren solche, die man bekam, wenn man beim Asiaten bestellte. Ich griff zögerlich danach und nahm die Gabel entgegen. Wir aßen ruhig, wobei ich versuchte unbemerkt wie möglich, Abstand zu ihn einzunehmen.

Obwohl ich Hunger, ja eigentlich ja einen leeren Magen hatte, so schaffte ich nicht alles, aber den Rest aß Kyle einfach, welcher scheinbar schon vermutet hatte, dass ich nicht alles schaffte. Kyle räumte alles weg und kam dann mit einer Tablette, einem Glas Wasser und einen Körnerkissen wieder. Ich traute mich nicht irgendetwas zu sagen oder eher zu fragen und schluckte die Tablette mit etwas Wasser. Der Mann warf das Kissen in meinen Schoß.

"Ich will den ganzen Tag nichts hören, die Haustür ist zu, die Fenster lassen sich nur auf Kippe öffnen. Hier unten im Bad sind Binden. Beweg dich nicht so viel, ich habe keine Lust dich andauernd tragen zu müssen, nur damit du dein Bein schonst." Und damit verschwand der Mann die Treppen hoch.

Doch ich hatte nicht vor, mich viel zu bewegen. Ich wickelte mich in der Decke ein und legte das Körnerkissen an mein Unteleib. Ich fühlte mich schwach und friebrig, zudem hatte ich Schüttelfrost. Der normale Alltag in den ersten Tagen meiner Periode. Ich versuchte wach zu bleiben, musste doch eigentlich nach einen Ausweg suchen, auch wenn ich ihn glaubte, dass es hier keinen gab. Doch ich tat nichts. Ich fühlte mich krank und als die Schmerztablette anfing zu wirken, wurde ich schnell müde. Ich bekam alles mit, verfiel nicht in einen tiefen Schlaf oder so. Ich hörte, wenn oben die Tür ging, ich hörte es, wenn der Amokläufer sich Kaffe machte, doch ich wachte nicht wirklich auf. Erst am Abend, als ich eine Berührung wahrnahm, wurde ich wach.

Ich blinzelte ein paar mal und sah zu Kyle, welcher mir durch die Haare gewuschelt hatte, um mich zu wecken. Doch scheinbar hatte er auch nur das vor, denn dannach verschwand er wieder nach oben. Schlafgetrunken richtete ich mich auf. Merkte, meine Binde wechseln zu müssen. Ich stand auf, darauf bedacht, das rechte Bein nicht zu sehr zu belasten. Es war schwer, sogar anstrengend. Ich schwitzte etwas. Vorsichtig humpelte ich vorwärts, doch die Schmerztablette reichte nicht, um den gesammten Schmerz zu Überspielen. Es dauerte gute fünf Minuten, bis ich im Badezimmer ankam. Erleichtert atmete ich aus, als ich mich wieder setzten konnte. Ich entsorgte alles im Badmüll und war froh über das saubere Gefühl. Ich wusch mir, auf einen Bein stehend, die Hände und machte mich dann vorsichtig wieder auf den Weg ins Wohnzimmer, wo ich fast wortwörtlich auf die Couch fiel. Gegen Abend kam der Hunger über mich und ich konnte nichts daran hintern. Mein Magen knurrte nicht, aber trotzdem war da dieses Gefühl, egal wie viel ich essen würde, nicht satt werden zu können.

Kyle kam gegen halb sieben runter und fing an Brote zu schmieren. Er kam mit einem großen Brettchen ins Wohnzimmer und fing an zu essen. Ich sah das Essen nur an, wagte es nicht, eins zu nehmen, Schlussendlich drückte der volltattowierte mir eine Scheibe in die Hand, welche ich langsam aß, wobei das eine ganz schöne Überwindung war.

"Wie alt bist du?" Fragte ich um die für mich unangenehme Stille zu durchbrechen.

"23." Antwortete er kurz, schien nicht reden zu wollen.

Ich nickte daraufhin und bekam noch eine Scheibe in die Hand gedrück. Iss und halt die Klappe, so verstand ich es. Und ich akzeptierte es. Die Stille war noch nie mein Freund, mit der Stille kamen die Gedanken, die man den ganzen Tag unterdrückte, der Stress, die Emotionen und bei mir schwankten diese so oder so. Ich dachte, der Amokläufer würde wieder nach oben verschwinden, nachdem er das Brettchen weggebracht hatte, doch so war es nicht. Was auch immer er den ganzen Tag gemacht atte, er war fertig damit. Er gesellte sich auf die Couch, wodurch ich mich nicht mehr hinlegen konnte. Ich wollte so weit wie möglich von ihn wegrutschn, doch das ließ der Mann nicht zu, zwang mich, mich an ihn zu lehnen. Er fuhr mit seiner Hand unter die Decke und legte sie auf mein Unterleib. Ich hatte reflexartig meine Hand draufgelegt, wollte nicht, dass er möglicherweise weiter runterfuhr. Doch Kyle schien daran nicht interessiert. Er hatte seine Hand einfach darauf liegen und schaltete den Fernseher an, um irgeneinen Film zu sehen. Ich interessierte mich nicht dafür. Ich hatte ein leichtes Dejavous vom letzten Abend und tatsächlich, zwang mein Körper mich schon wieder, einzuschlafen.

Amokalarm - In den Händen eines Mörders Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt