Ich habe keine Ahnung, wie er es hinbekommt, mir jeden Morgen so eine Nachricht zu schreiben, aber so, dass es nie die gleiche ist und immer irgendwas Neues aussagt. Das beweist, dass er die nicht einfach nur schnell runterschreibt, sondern sich wirklich Zeit dafür nimmt, weil es ihm wichtig ist.

Ich antworte mit mindestens 3000 Herzen und ein paar süßen GIFs, stecke dann mein Handy weg, ohne die Nachrichten meiner Freunde zu beachten und gehe raus.

Ich muss ja noch mit John einkaufen. Ich hoffe, er weiß es zu schätzen, dass ich ihn noch nicht umgebracht habe und ihm überhaupt helfe... Andererseits will ich ja auch was trinken und es muss nicht sein, dass er sich quälen muss, nur, weil ich das Arschloch spiele.

Immer, wenn ich darüber nachdenke, ihn mal so richtig schön fertig zu machen, hält mich die Tatsache, dass er versucht hat, sich umzubringen davon ab. Er hat es schon schwer genug. Und Ty hat irgendwie recht. Wir sollten tun, was wir tun können, um anderen zu helfen, doch ich glaube auch, dass sich das durchaus in Grenzen halten kann. Sich für alle anderen aufzuopfern ist immerhin auch nicht Sinn der Sache.

„Ja, Donnerstag klingt gut. Ich frage Tyler, ob du übers Wochenende bleiben kannst, aber mach dir da mal keine allzu großen Hoffnungen. Er ist immer noch sauer auf dich"

John läuft im Flur auf und ab, als ich dazu komme. Ich gehe weiter in die Küche, um etwas zu trinken, im Idealfall Kaffee, höre ihn aber noch immer telefonieren.

„Ja natürlich wegen der Sache mit dem Bier. Und allem anderen... Ich weiß ja, dass du nur Spaß machen wolltest, aber Tyler nimmt sich sowas echt zu Herzen. Lass es einfach in Zukunft... Nein, sicherlich nicht... Pass auf, er soll es mit seinem Neuen versuchen. Er scheint ihm ganz gut zu tun, jedenfalls besser als ich. Ich sollte mich erstmal in den Griff bekommen und dann mal schauen, vielleicht bin ich bis dahin über ihn hinweg... Mann, Wyatt was denkst du denn, wieso ich eine Katze will?" Er lacht leicht. „Jaja, ich weiß... Klingt ganz verlockend, aber ich habe mich selbst auf Sexentzug gesetzt"

Das ist ein ziemlich verwirrendes Timing, aber gut, wenn er meint.

„Ja, ok, mal schauen, was sich so ergibt. Aber du solltest nicht mit der Erwartung hierherkommen, was zum Ficken zu kriegen... Ach komm schon, ich habe dir von Anfang an gesagt, dass das mit Nancy nicht halten wird. Selbst schuld, wenn du die Tussi dann heiratest und schwängerst" Wieder lacht er. „Hei, das ist sowas von nicht mein Problem... Außerdem sind Kinder doch süß, ich hätte gerne welche mit Tyler gehabt... Ja, ich weiß... JAAA, ich habs verstanden. Aber wehe du lässt Nancy jetzt hängen. Die Kinder können nichts dafür, dass du dämlich bist"

Ich verstecke mich jetzt schon viel zu lange in der Küche und lausche. So wie das klingt, diskutieren die grade ihr gesamtes Leben. Das kann ewig dauern, wenn ich jetzt für immer hier stehen bleibe. Also gehe ich raus und mache John somit deutlich, dass wir meinetwegen loskönnen.

Er sieht mich, nickt und deutet mir, dass er das Gespräch noch beenden muss, ehe er mir den Rücken zudreht, so als würde ich ihn dann nicht mehr hören. „Lass uns das am Wochenende besprechen... Nene, ich denke, ich kann ihn überzeugen... Jap, bis dann... Ich hasse dich auch." Er legt auf, steckt sein Handy weg und schaut mich dann überprüfend an. „Fertig?"

Ich nicke still.

Ich will ihn fragen, mit wem er geredet hat, weiß aber, dass mich das nichts angeht und vermutlich verraten würde, dass ich gelauscht habe. Andererseits hat er davon gesprochen, dass dieser Typ, Wyatt, am Wochenende hierherkommt, also sollte ich schon wissen dürfen, was der hier will oder?

„Mit wem hast du telefoniert?"

John schaut mich kurz an, wendet sich dann wieder der Tür zu, die er abschließt und schließlich die Alarmanlage einschaltet.

„Einem Freund. Er kommt am Donnerstag und bringt eine Katze mit"

„Eine Katze?"

John nickt. „Ich brauche was zum Kuscheln"

„Das arme Tier" Ich bin mir gar nicht bewusst, dass ich meine Gedanken ausspreche, bis John mich böse anschaut. Ups.

„Das arme Tier, wie du es nennst, wird es bei mir sehr gut haben, keine Sorge. Ich habe jedes Video über Katzen angeschaut und jeden Block gelesen, ich bin perfekt darauf vorbereitet, Katzenpapa zu werden."

Okay... Meiner Meinung nach gehörst du immer noch in die Klapse, aber gut. So bist du wenigstens beschäftigt.

„Hast du schon ein Katzenklo? Oder was zum Spielen?"

Er schüttelt den Kopf. „Bringt Wyatt mit"

„Okay und wo willst du das alles hinstellen?"

Er macht einen genervten Ton und schaut mich dementsprechend an. „Du tust fast so als sei das deine Wohnung. Lass das alles mal meine Sorge sein"

„Du weißt also noch nicht, wo du es hinstellt"

Sein Augenverdrehen reicht mir als Antwort.

„Ich würde sagen, in der Ecke gegenüber vom Fernseher passt ein Katzenbaum ziemlich gut rein, wenn du die Pflanzen aufs Fensterbrett stellst oder auf den Schrank"

„Ich habe nicht um deinen Rat gebeten", brummt er.

Ich schmunzele darüber. Er ist nur neidisch, weil er nicht auf diese Idee gekommen ist.

„Und das Katzenklo sollte eindeutig in dein Bett"

Wieder ein genervter Blick zu mir, über den ich nur grinsen kann.

„Pass auf, sonst mache ich deinen Mund zum Katzenklo", droht er mir, während wir aus dem Fahrstuhl und in die Tiefgarage gehen, um auf sein Auto zuzusteuern.

Wie soll ich jetzt eigentlich Zeit finden, meinen Führerschein zu machen, wenn ich beim Fußball bin?

„Versuchs nur" Seine Drohungen haben mich noch nie wirklich beeindruckt. John scheint ein bisschen frustriert davon, aber mir macht das nichts. Ich chille mich einfach auf den Beifahrersitz und beantworte die Nachrichten von meinen Freunden, während John zum Einkaufen fährt.

Obwohl wir uns die ganze Zeit irgendwie anzicken und ich ihm extra bei jeder Gelegenheit auf die Nerven gehe, bleibt es doch weitestgehend friedlich. Das überrascht mich selbst. Aber vielleicht hat er einfach Angst, dass ich ihn mit dem Einkauf stehenlasse und er dann alles alleine tragen muss, obwohl er das nicht darf wegen seinen Verletzungen.

Das alles beweist aber, dass das zwischen uns durchaus funktionieren kann, wenn wir uns ein bisschen bemühen und vielleicht ist der ausbleibende Krieg, den wir uns eigentlich versprochen haben, ja der Beginn des Friedens.

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