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Ich lehnte auf dem Parkplatz an Marcos Auto und wippte ungeduldig mit dem Fuß. Wie lange dauerte es wohl noch, bis die Ergebnisse der Biopsie kommen würden? Seufzend ließ ich mein Handy in der Hosentasche verschwinden und ließ meinen Blick zum Eingang des Trainingsgeländes gleiten. Theo saß vor ihr in seinem Kinderwagen und beobachtete gespannt die Umgebung: „Papa?" er guckte mich an. Ich grinste: „Ja Schatz, mit Onkel Mats." Als ich das aussprach wackelte ich mit den Augenbrauen auf und ab. Mats, der mich gehört hatte schmunzelte bevor er mich umarmte und dem kleinen über die Wange strich. Marco stellte sich neben mich nachdem er Theos Wange abknutschte, ließ seinen Arm um meine Taille gleiten und küsste meine Schläfe. Theo verzog grinsend das Gesicht wegen Marcos Bartstoppeln und machte eine süße Grimasse. „Musstet ihr lange warten?" Ich schüttelte den Kopf: „Wir stehen hier gerade erst. Gut, dass du daran gedacht hast dir etwas vernünftiges anzuziehen, ich dachte schon wir müssten nochmal zuhause vorbei fahren." grinste ich. „Wo wollt ihr hin?" fragte Mats neugierig. „Bella braucht noch ein neues Auto, ihres ist doch Anfang des Jahres bei dem Auffahrunfall zu Schrott gefahren worden." erklärte Marco. „Ja und danach treffen wir uns mit dem Makler, weil ich mein Haus verkaufen will.", „Und wenn das nicht zu lange dauert, haben wir noch einen Termin um uns die Kita bei uns um die Ecke anzuschauen für den Kleinen." ergänzten wir uns gegenseitig. „Du willst dieses schöne Haus ehrlich verkaufen? Ich dachte, ihr überlegt euch vielleicht dort einzuziehen?" Ich runzelte meine Stirn. Das Haus war ein totaler Frustrationskauf - es war wunderschön, aber einfach nicht unser zuhause. Außerdem hatte ich dort mit Mario ... - ich wollte nicht drüber nachdenken. „Jedenfalls habt ihr euch da ja ganz schön viel vorgenommen." lenkte Mats ab. Ich schaute zu Marco, der bis gerade auch noch sehr nachdenklich war. Er räusperte sich und zuckte mit den Achseln: „Wir werden sonst Irre. Wir warten schon zwei Tage lang auf die Ergebnisse.", „Verständlich." Mats schaute mich mitleidig an und lächelte daraufhin aufmunternd. Ich hatte ihm davon erzählt, weil er alles von mir wusste. Damit auch Marco jemanden zum Reden hatte und nicht verrückt wurde. Ich glaube, es war genau richtig.
„Gut, dass du das Auto nicht in weiß genommen hast.", „Mein nächstes wird trotzdem weiß.", „Weiße Autos sind nur anstrengend. Die muss man ständig putzen.", „Sag es ruhig - das schwarz besser zu deinem Fuhrpark passt." lachte ich und knuffte ihm in die Seite. Er schob den Kinderwagen und konnte sich deswegen glücklicherweise nicht revanchieren. Trotz meiner Seitenhiebe Marco gegenüber war ich glücklich mit meinem Auto. Es war relativ klein aber nicht zu klein, hatte vier Türen und war angenehm zu fahren. Das reichte mir. Nun waren wir auf dem Weg zu meinem Haus. Ich versuchte durch mein Necken, das komische Gefühl in mir zu überspielen, obwohl es nicht so wirklich funktionierte.
„Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal hier war." murmelte ich, als wir in den Eingangsbereich traten, der durch ein Deckenfenster beleuchtet wurde. „Möchtest du eigentlich noch Sachen von hier mit nach Hause nehmen?" fragte Marco vorsichtig als ich Theo aus dem Wagen nahm und ihn auf dem Teppich vor dem Sofa herunterließ. „Nur Kleidung von uns und Spielsachen von Theo. Viel mehr ist hier auch nicht. Ich hoffe der Rest wird uns abgekauft. Die neue Küche und die Möbel." murmelte ich leise. „Also schön ist das Haus ja wirklich, aber-" begann Marco nachdenklich. Ich nickte: „Es würde mich hier auch immer daran erinnern." sprach ich seinen Satz zu Ende. Er kam auf mich zu und zog mich in seine Arme. „Hast du das bei unserem Haus auch?" fragte er ganz vorsichtig und schaute mich beinahe schon ängstlich an. Ich schluckte: „Nein. Ich liebe es Zuhause." lächelte ich.
Früher war Marcos Haus eine Junggesellenbude wie sie im Buche stand. Keine Dekoration, keine Farbe außer grau, chaotisch, lieblos. Jahrelang hatten wir sie gemeinsam zu unserem Haus gemacht. Wir hatten den Garten verschönert, wir hatten Farben genutzt, Dekoration, neue Möbel. Es sah toll aus bei uns. Modern, aber total gemütlich. Es war der Ort, in dem wir von Anfang an Zeit verbracht hatten. Indem ich mich um Marco gekümmert hatte bei seinen unzähligen Verletzungen, der Ort an dem wir Geburtstage feierten, Verlobungen, ich machte mich vor meiner Hochzeit zuhause fertig, ich war dort schwanger, Theos erstes Kinderzimmer wurde von den Jungs aufgebaut, weil er zu früh kam und Marco und ich uns die ganze Schwangerschaft durch  unzähliges Streiten versaut hatten. Niemals würde ich das eintauschen. Das alles brauchte ich ihm nicht sagen. Marco wusste es und ich wusste es genau so. „Ich bin froh, dass du gleich denkst, mein Schatz." grinste er erleichtert. Ich legte meine Lippen auf seine - ja, das tat gut.
„Das der Wertverlust so riesig sein würde, hätte ich nicht gedacht." schmollte ich, als wir nach der Kita-Besichtigung endlich auf dem Weg nach Hause waren. Marco schüttelte den Kopf: „Wir müssen uns eine zweite Meinung einholen. Auch wenn du das schnell von den Schultern haben willst." ich schaute ihn wehleidig an. „Wirklich?" schmollte ich. „Wirklich." lachte er leise.
Draußen wurde es schon langsam dunkel. Ich aß mit Theo zu Abend und Marco brachte ihn kurz darauf ins Bett. Zur gleichen Zeit kümmerte ich mich um unser Abendessen und während ich das tat, wurde mir bewusst, dass es sich so langsam einspielte, unser Familienleben. Es gab mir so viel Kraft, einfach weiterzumachen. Auch wenn neben mir gefühlt die größte Klippe der Welt aufgetaucht war, war das der Ast an dem ich mich klammern konnte. „Er schläft." Marco kam zufrieden herunter und stellte das Babyphone auf den Esstisch draußen, nachdem er die große Schiebetür zur Terrasse hin aufschob. Danach deckte er den Tisch und stellte das fertige Essen darauf. Kurz nachdem ich mich zu ihm nach draußen setzte, riskierte ich seitdem ich auf Marco wartete mal wieder ein Blick auf mein Handy. „Oh Mist" murmelte ich. Ich dachte, ich hätte es extra auf laut gestellt. „Was ist?" Marco saß mir gegenüber und lehnte sich über den Tisch um auf mein Handy schauen zu können. Sein Blick war voller Sorge und Anspannung. „Die Klinik hat mir auf die Mailbox gesprochen." ich schaute ihn überfordert an. Dazu war ich dann doch noch nicht bereit.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now