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„Bella, dieser Kuss, den habe ich nie gewollt." rechtfertigte Marco sich irgendwann leise. Ich nickte und kaute nervös auf meinen Lippen herum: „Und doch hast du ein gutes Jahr später mit ihr geschlafen." murmelte ich abwesend. Mein Blick fokussierte das flackernde und knarzende Feuer vor uns und ich verlor mich für eine kurze Zeit darin, während sich in meinem Kopf die Bilder abspielten, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt haben. Marco neben mir begann immer schneller zu atmen, er raufte sich die Haare und ich konnte sein Starren ganz genau auf meiner Haut spüren. „Egal was ich mache, ich kann nur daran denken." gab ich zu. Wochenlang versuchten wir es schon miteinander und so langsam wuchs der Erwartungsdruck von meiner eigenen Seite ins Unermessliche. Ich fragte mich von Tag zu Tag mehr, wann diese schlechten Gedanken endlich verschwinden würden, wann mein Vertrauen in ihn zurück kommen würde, wann ich wieder meinen Mann voller Stolz anschauen könnte. „Bella, Schatz-" stammelte Marco, während er seinen Zeigefinger unter mein Kinn legte um einen Blickkontakt zwischen uns herzustellen. Doch ich ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen: „Was wäre gewesen, wenn ich euch nicht erwischt hätte?" ich schluckte und war wieder den Tränen nah: „Hättet ihr eine Affäre angefangen? Was lief vor diesem einem Mal und danach? Wie hättest du es mir gesagt? Oder hättest du einfach weitergemacht und vor mir einen auf heile Welt gemacht?" überhäufte ich ihn mit Fragen. Marco schaute mich fassungslos an: „Wenn ich es doch nur ungeschehen machen könnte - ich würde es sofort tun, egal was es kostet oder ich dafür tun müsste." seufzte er: „Ich hätte keine Affäre mit ihr in Erwägung gezogen. Ich weiß kaum, wie dieses eine Mal zustande gekommen ist. Ich war frustriert, weil wir wieder irgendeinen Streit hatten und hatte ohnehin viel Zeit mit ihr verbracht wegen des Aufbautrainings und dann ist das eine zum anderen gekommen. Das war nur Sex, Bella. Keine Liebe. Ich will mich nicht von meiner Schuld freisprechen, aber sie wusste genau welche Knöpfe sie drücken musste. Trotzdem bin ich derjenige der eine Familie hatte und eine Ehefrau und das alles aufs Spiel gesetzt habe für minderwertigen Sex." Marco schüttelte frustriert seinen Kopf und fuhr sich mit seiner Hand durchs Gesicht. Ich wandte meinen Blick von ihm ab und wischte mir die Tränen aus den Augen. „Ich hätte dir das alles natürlich gebeichtet. Mich fressen doch jetzt noch immer die Gewissensbisse auf." murmelte mein Mann leise. Ich atmete tief ein und aus bevor ich ihn wieder anschaute. Sanft strich er mir mit seinem Daumen die Tränen aus den Augen, doch es half nichts. Bei mir ging gar nichts mehr. Ich war seelisch ausgelaugt, egal wie sehr ich diesen Menschen neben mir liebte, ich wusste es schon eine ganze Weile, dass wir uns voneinander entfernt hatten - und das so sehr, dass es mir regelrecht wehtat, es einzusehen. Vielleicht hätte ich einen Seitensprung besser verzeihen können, wäre es nicht schon so lange so kompliziert zwischen uns gewesen. Hätte ich gewusst unsere Ehe ist intakt und er war nur frustriert, es wäre mir leichter gefallen darüber hinweg zu sehen, dass er nur Sex mit einer anderen Frau hatte, mehr nicht. Doch unter diesen Umständen - die Wahrheit war doch, es lief schon lange nicht mehr Rund und dann war es auch noch genau sie.
„Marco, ich liebe dich und ich habe es wirklich versucht, dass wir als Ehepaar wieder funktionieren. Mehr als das, ich habe wirklich gewollt, dass alles wieder so wird wie es mal war, aber wir machen doch gerade genau dort weiter, wo wir vor dem Seitensprung aufgehört haben. Ich kann das so nicht mehr. Ich glaube, wir suchen beide etwas anderes in unserem Partner, etwas, dass wir uns gegenseitig nicht mehr geben können oder eben nicht zum jetzigen Zeitpunkt." schluchzte ich leise. Marco stieß laut Luft aus und setzte sich gerade auf den Rand der Liege. Ich tat es ihm gleich und wartete auf seine Reaktion: „Ich kann dich nicht dazu zwingen bei mir zu bleiben - und so wie es die letzten Wochen war, so etwas möchte ich dir nicht antun. Dafür liebe ich dich zu sehr. Du bist doch nur noch eine Hülle deiner Selbst. Du brauchst einen Mann, der dich Unterstützt und sich nicht davon eingeschüchtert fühlt, dass du seine Trainerin bist. Du brauchst einen loyalen, treuen Mann und jemanden der dir deine Wünsche erfüllt, bevor du sie überhaupt aussprechen kannst." Marco lächelte mich traurig an. Ich nickte aufgelöst: „Und du brauchst eine Frau, die deinen Wünschen und Bedürfnissen nachgeht. Eine, die dich nicht so schlecht fühlen lässt und dich unterbuttert, wie ich es getan habe." murmelte ich traurig. Marco nickte und biss sich dabei auf die Unterlippe: „Theo wird trotzdem behütet aufwachsen. Wahrscheinlich sogar mehr, als wenn wir zusammen bleiben würden.", „Ich will, dass wir vielleicht irgendwann wieder Freunde werden können. Das wir uns füreinander freuen können und dass wir einander gönnen können." gab ich zu. Marco nickte: „Das werden wir. Ich werde dir keine Steine in den Weg legen. Versprochen.", „Ich dir auch nicht." ich schaute Marco schmerzerfüllt an: „Dafür bist du mir viel zu wichtig. Egal was passiert ist." fügte ich hinzu. Marco stützte seine Ellenbogen auf seine Oberschenkel ab und vergrub sein Gesicht in seine Hände: „Niemals hätte ich gedacht, dass wir einmal an diesem Punkt stehen würden, Bella. Als wir zusammengekommen sind und geheiratet haben, da dachte ich, wir halten für immer zusammen. Ich habe nie in Erwägung gezogen, dass das alles nach fünf Jahren schon vorbei sein soll." hörte ich ihn plötzlich verzweifelt sagen. Ich seufzte: „Dann waren diese fünf Jahre eben unser kleines für immer, Marco." wisperte ich traurig und legte meine Hand auf seinen Rücken: „Wir tun uns nicht mehr gut - und das sage ich, obwohl ich es immer geliebt habe mit dir Kaffee trinken zu gehen, es geliebt habe in deinen Armen zu liegen, habe dein Lachen geliebt, deine Küsse und wie du dich um mich gekümmert hast, wie du mich gekannt hast - bis wir uns nicht mehr kannten." kam es ehrlich über meine Lippen.
Marco richtete sich auf und wischte sich eine kleine Träne unter dem Auge weg. Ich musterte ihn genau in diesem Moment, schaute mir seine Gesichtszüge an, wie seine Augen eigentlich immer strahlten, die kleinen Lachfalten unter seinen Augen und seine rot-pinken Lippen, denn ich wollte es in mir eingebrannt haben, wie er mich gerade anblickte. Es war das letzte Mal als mein Ehemann - und dieser Blick war ehrlich und voller Liebe. Doch egal wie sehr man es versuchte, Liebe war eben nicht alles und diese Tatsache schockierte mich so, als hätte ich das nicht bereits vorher gewusst, dabei wusste ich es haargenau.
War ich nun endlich frei? Ich dachte das würde dich anders anfühlen.

Optimisten - Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt