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Ann-Kathrin hielt inne - und diese Stille zwischen uns glich einer Qual für mich und meine ohnehin in den letzten Wochen überstrapazierten Nerven. Meine Geduld war buchstäblich am Ende und ich musste mit aller Kraft versuchen, ein genervtes Augenverdrehen zurückzuhalten. Ich hielt so fest den Löffel meines Milchkaffees in meiner Hand, dass meine Knöchel weiß wurden. Erwartungsvoll schaute ich meine beste Freundin an und nahm mir zum ersten mal richtig Zeit, sie zu mustern. Sie hatte tiefe Augenschatten, die selbst die drei Lagen Concealer nicht überdecken konnten, die sie aufgetragen hatte. Sie schienen unter dem Make-Up durch. Ihre sonst immer so perfekt blondierten Haare hatten irgendwie einen gelblichen Schimmer angenommen und ihre Haut erstrahlte zum ersten Mal, seitdem ich sie kannte nicht in einem gebräunten Teint, sondern sie wahr fahl und blass. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich meine Stirn gerunzelt hatte, während mir ihr Erscheinungsbild bewusst wurde und brachte meine Gesichtsmuskeln schnell wieder dazu, sich zu entspannen, als es mir auffiel. „Mario - er... er -" stammelte sie plötzlich drauflos. Ich lehnte meinen Kopf zur Seite und versuchte ihr zu folgen. „Man Bella, er liebt dich! Mario hat sich in dich verliebt und diese komplett ehrliche Ahnungslosigkeit in deinen Augen macht mir klar, dass ich dir nicht böse sein kann, weil du es nicht einmal zu wissen scheinst!" Meine Augen wurden groß. Ich blickte Ann nicht mehr nur an - ich starrte sie an. Mein Mund stand weit offen und es kostete mich eine sehr große Überwindung, ihn wieder zu schließen: „Bitte was?!" fragte ich perplex. Eine total dämliche Frage, die da gerade aus mir heraus geplatzt war. Schließlich hatte ich doch genau verstanden was sie mir mitteilte, es aber noch nicht einmal Ansatzweise realisiert. Mario hat sich in dich verliebt. Hallten ihre Worte in meinem Kopf nach. Vor meinem inneren Auge sah ich sofort Mario, der nach der Operation an der Gebärmutter, an meinem Klinikbett saß und mir die Hand hielt. Ich sah, wie er für mich da war als Marco mich Hochschwanger zur Weißglut brachte. Ich sah, wie er mich so lange umarmte, bis ich wieder einschlafen konnte, nachdem Marco mich betrogen hatte und ich einfach nur Halt brauchte. Ich sah auch, wie er sich um Theo kümmerte, mit meinen Eltern sprach, als wären sie seine eigenen und die Scherben meiner selbst vom Boden aufsammelte, um mich wieder zusammen zu puzzeln. Plötzlich drehte und windete sich mein Magen schmerzhaft und ich konnte Marios verständnislosen Blick verstehen, den er mir gestern zuwarf als er mich mit Marco und Theo traf. Mir fiel auf, dass ich ihn schon ziemlich lange nicht mehr gesehen hatte vor lauter Stress und in mir machte sich die Sorge breit, er könnte denken ich hätte ihn nur ausgenutzt, um über die unerträglichen Schmerzen hinweg zu kommen, die ich spürte nachdem Marco mich betrogen hatte. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle übergeben, den nach allem was momentan um mich herum geschah, war das was ich gerade erfahren hatte etwas, das ich am wenigsten gebrauchen konnte. Mario hat sich in dich verliebt. Diese Worte aus dem Mund meiner engsten Freundin über ihren noch-Ehemann. Wie konnte unser aller Leben in so kurzer Zeit nur so aus den Fugen geraten. Wir hatten intakte Ehen, Familienleben, Kinder, waren Freunde, verbrachten viel Zeit miteinander und von einem Tag auf den anderen trennten Ann und Mario sich und ließen sich scheiden, Marco betrog mich, ich wurde suspendiert und nun hatte Mario sich in mich verliebt?
Verstreut stand ich auf und zwar so ruckartig, dass sich der Stuhl lautstark zurückschob und stark hin und her wankte. Zum Glück fiel er nicht um, das wäre ansonsten ziemlich unangenehm geworden. Ich murmelte entschuldigend etwas verständnisloses, bevor meine Beine sich in Bewegung setzten. Ich brauchte unbedingt frische Luft. Draußen angekommen atmetet ich tief ein und bemerkte, dass ich die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte. Meine Wangen wurden ganz heiß und mein Verstand setzte endgültig aus als die schwüle Sommerluft mich umgab und der gewünschte Effekt, den ich mir von der frischen Luft erhoffte, ausblieb.
„Das glaube ich jetzt nicht!" Mats musste nervös lachen und fuhr sich durch seine dunklen Locken. Sein Sohn Ludwig spielte vor uns auf dem Rasen mit einem leichten Plastikfußball und meine Mundwinkel zuckten trotz aller Verzweiflung, die in mir brodelte, immer wieder nach oben bei dem Anblick von meinem Patenkind, dass auf jeden Fall das fußballerische Talent seines Vaters geerbt hatte. „Wenn ich es dir doch sage. Ann-Kathrin hat es mir total aufgelöst erzählt. Wie soll ich ihr jemals wieder in die Augen treten?" Ich schlug mir die Hände über den Kopf zusammen. Ein kurzes Zucken durchfuhr meinen Bauch, dass ich gekonnt ignorierte.
Ich musste nach dieser Hiobsbotschaft sofort zu meinem Cousin fahren. Trotz allem stand er mir, nach Marco, immer am nächsten. Ich musste mit ihm darüber sprechen, auch wenn es mich ärgerte, weil ich das Gefühl nicht los wurde, dass ich alle mit meinem Mist belastete. Doch würde ich es nicht tun, wäre ich schon längst unter den Trümmern begraben worden. Mats und meine Eltern und eigentlich auch Mario halfen mir dabei, hin und wieder ein paar der Trümmern wegzuräumen, damit ich nicht von ihnen Begraben wurde. Sie standen mir mittlerweile bis zum Halse. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich mein Leben wieder auf die gerade Spur bekommen sollte. „Mario liebt dich. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es gar nicht so abwegig-", „Ich fühle mich furchtbar." unterbrach ich meinen Cousin verzweifelt. „Nein, Bella. Du kannst nichts dafür, dass Mario sich in dich verliebt hat, deswegen kannst du Ann-Kathrin erstens noch unter die Augen treten, zweitens - weshalb fühlst du dich furchtbar? Weil du Marios Liebe nicht erwiderst?", „Zum Beispiel. Ich will nicht, dass er denkt ich hätte seine Gefühle schamlos ausgenutzt, damit es mir besser geht und außerdem bin ich doch kaum von Marco getrennt. Zumal ich im Augenblick gar nicht weiß, ob-", „Ob was?" hakte Mats neugierig nach. „Na, ob ich unsere Beziehung und Ehe einfach so kampflos aufgeben will und kann. Unser Anwalt hat uns eine Paartherapie empfohlen und-" Ich wurde von Mats leisem Lachen unterbrochen: „Und, willst du dieses Angebot annehmen?"

Ihr Lieben!
Ich hoffe ihr seid gut in das neue Jahr gestartet. Das letzte Jahr war mit Abstand das, indem ich am meisten lernen musste: über mich selbst, für meinen Job und menschlich gesehen. Ich weiß aber deutlich , dass ich auf euch zählen kann. Danke, für alles. Das meine Stories gelesen werden, macht mich stolz und glücklich. Danke für euren Support und ein frohes, gesundes 2022.
Eure Lottie🤍

Optimisten - Marco ReusOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz