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„Ich habe mir einfach Sorgen gemacht." murmelte Mario daraufhin geknickt. Ich lächelte ihn dankbar - wenn auch verwundert über sein plötzliches Stottern an.
Mario hatte mich gestern Abend ziemlich aufgefangen. Ohne ihn wäre ich niemals bereit dazu gewesen, heute zu meinem Scheidungsanwalt zu fahren, der nun Marcos und mein gemeinsamer war. Doch auch seine lieben Worte und sein gutes Essen ließen mich nicht meine Sorgen loswerden. Nachdem er weg war hatte ich mich nicht mehr eingekriegt, die Sorgen fraßen mich förmlich auf und ich konnte nicht mehr damit aufhören, zu weinen. Jedenfalls hatte ich einen riesigen Haufen Mist zu kehren, so viel stand fest. In den letzten Wochen war mein Leben total aus den Fugen geraten und währenddessen hatte ich mich auch noch selbst verloren. Momentan wollte ich das alles einfach nur noch aufarbeiten und das alles irgendwie in den Griff bekommen.
Mit Theo auf dem Arm beeilte ich mich und rannte fast durch die riesigen Flure der edlen Düsseldorfer Kanzelei, um doch noch irgendwie pünktlich zu sein. Als ich um die letzte Ecke flitzte, sah ich auch schon Marco vor der Tür des Büros stehen: „Ich bin da - ich bin da!" sagte ich außer Atem. Marco sah mich erleichtert und besorgt zugleich an: „Ich hatte schon Angst du kommst nicht mehr." flüsterte er leise, so als würde ich es nicht hören und verlor keine Zeit, um mir Theo abzunehmen. „Tut mir leid" murmelte ich: „Ich habe immer noch keinen Kita-Platz und meine Mutter muss arbeiten. Ich bin 'ne echte Rabenmutter, dass ich ihn hier mit hin nehme." Marco musste schmunzeln: „Stimmt gar nicht. Du bist 'ne super Mutter." Theo fühlte sich bei seinem Vater sofort wohl, er grinste ihn an und schmiegte sich lachend an seinen Brustkorb. Seine kleinen Patschehändchen schlangen sich um Marcos Hals und seine vollen Lippen küssten Marcos Wange. Für diesen klitzekleinen Augenblick vergaß ich alles. Schwärmen - das war das passende Wort für meinen Zustand. Genauso wollte ich es immer haben, hatte ich es mir immer vorgestellt. Ich war stolz auf Marco, dass er sich was das anging um 180 Grad gedreht hatte und endlich die Liebe zu unserem Kleinen zulassen konnte. „Bella, ich sage es nicht gerne, aber du siehst furchtbar aus." murmelte mein noch-Ehemann zähneknirschend. Ich fuhr mir über die angeschwollenen Augen: „Ich weiß. Mir geht es dreckig.", „Ich hab's schon gehört. Ich-" mein plötzliches Schluchzen unterbrach ihn. Mitleidig schaute er mich an und schlang unerwartet seine Arme um mich. Ich schloss meine tränenunterlaufenden Augen und genoss die Wärme, die plötzlich durch mich strömte als er mich berührte. Vorsichtig strich er mit seiner Hand über meinen Hinterkopf und atmete tief ein und aus. „Am liebsten würde ich mein Leben nochmal neu starten, Marco." gab ich zu: „Wenn ich jetzt meinen Job verliere, weiß ich nicht was ich machen soll. Und überhaupt: ich habe keine Ahnung, was diese Klage überhaupt soll.", „Bella, i- ich, du - nein wir. Wir machen das zusammen durch und wir schaffen das. Ich habe das Schreiben auch bekommen." Langsam löste ich mich von meiner einst großen Liebe und schaute ihn mit großen Augen an. „Ich erkläre dir alles später in Ruhe, jetzt müssen wir erst einmal andere Dinge erledigen." er räusperte sich und schaute mich optimistisch an. Für den Bruchteil einer Sekunde schloss ich meine Augen und versuchte mich zu sammeln. Danach konnte ich nicht anders. Ich musste meine Arme noch einmal um seinen Torso schlingen, um seine Nähe zu spüren, seinen Duft einzuatmen, der sich wie Zuhause anfühlte und seinen Herzschlag spüren, der mich immer noch so beruhigte wie vor fünf Jahren. Wir verharrten für kurze Zeit genauso - bis sich plötzlich die Tür des Büros öffnete: „Oh, Herr und Frau, nein! Familie Reus. Kommen sie herein!" lächelte unser Anwalt irritiert. Erschrocken und fast schon ein wenig beschämt fuhren wir auseinander und folgten ihm in sein Büro.
Wenig später saßen wir nebeneinander auf den Stühlen vor seinem Schreibtisch und ein betretenes Schweigen hatte sich breit gemacht. Zur Ablenkung ich mit Theo auf meinem Schoß. „Sie müssen sich schon einigen - also Namen behalten oder soll Frau Reus ihren Mädchennamen wieder annehmen?" wollte er wissen. Ich schaute erst ihn und dann Marco an: „Ich weiß nicht, ich wollte ihn eigentlich unbedingt ablegen, aber-", „Ja genau und ich wollte, dass du ihn behältst, aber wenn ich so drüber nachdenke, solltest alleine du das entscheiden." meldete Marco sich zu Wort. Unser Anwalt schaute uns nacheinander langsam an und räusperte sich daraufhin, bevor er auf seinem Zettel herum kritzelte: „Okay, dann machen wir mit etwas anderem weiter. Wie haben sie sich mit dem Haus geeinigt?", „Bella ist ausgezogen, aber sein fühlt sich nicht wohl.", „Das ist doch ganz egal, das ist immer dein Haus gewesen und das wird es auch bleiben." warf ich ein. Marco lächelte mich an. Diese Harmonie zwischen uns wirkte sogar auf mich komisch. Vielleicht tat uns der Abstand gut, wer weiß. Plötzlich schloss unser Anwalt seine Mappe und seufzte, bevor er sich mit seiner Hand nachdenklich über das Kinn strich: „Wissen sie - mich hat noch nie ein Paar so zur Weißglut getrieben, wie sie. Offensichtlich sind bei ihnen noch ganz viele Emotionen und Liebe im Spiel. Jedenfalls hab ich noch nie ein Paar, das sich eigentlich scheiden lassen will vor meiner Bürotür umarmend, zusammen mit dem gemeinsamen Kind, empfangen." Ich wandte meinen Blick nervös von dem Anzugträger vor uns ab und schaute auf meine Füße. Meine Wangen begangen vor Scham zu erröten und brannten sogar richtig. „Sie zwei wissen schon, dass man Ehekrisen auch überwinden kann, egal wie groß sie sind? Das schafft man aber nicht immer nur alleine. Um Hilfe zu bitten ist kein Eingeständnis von Unfähigkeit oder Schwäche, es ist eher die Einsicht, endlich an sich arbeiten zu wollen. Sie machen mir den Eindruck, dass eine Paartherapie für sie die Chance sein wird, die sie auf jeden Fall nutzen sollten - wenn ich so ehrlich sein darf." warf er plötzlich ein. Eine Paartherapie? Verwundert und vorsichtig schaute ich Marco an, der neben mir erstarrte. Als er mein starren bemerkte, schaute er mich auch an und zickte kaum merklich mit seinen Achseln.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now