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„Marco, kannst du den Kleinen bitte zu meiner Mutter bringen? Ich habe vor dem Training noch ein Meeting mit Edin und ein paar hohen Tieren." verzweifelt packte ich einige Tage später meine Sachen in eine Sporttasche und schaute Marco an, der gegenüber von mir stand und sich anzog. „Ich?" er schaute mich entgeistert an. Ich runzelte meine Stirn: „Ja, oder kennst du noch einen anderen Marco?" ich schaute mich Sinnbildlich im Raum um bevor meine Augen ihn wieder fixierten. Eigentlich lief es ziemlich gut zwischen uns in den letzten Tagen, aber wir mussten unser ganzen Leben wieder einspielen, das brauchte seine Zeit. „Marco, ich muss jetzt los!" untermauerte ich meine Frage von eben noch einmal. Augenverdrehend schaute er mich an: „Ich auch. Eigentlich bin ich schon viel zu spät dran! Ich muss zu einer Einzeleinheit vorher in die Reha-Abteilung." redete er sich heraus. Er hielt meinem verlangendem Blick stand, bevor er an mir vorbei zischte und das Haus vor mir verließ. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Kurz ließ ich meine Schultern hängen als ich die Haustür Hunter ins Schloss fallen hörte. So funktionierte das alles nicht.
Doch ich hatte keine Zeit, um Trübsal zu blasen. Schnell schnappte ich mir meine Tasche vom Bett, schmiss sie über meine Schultern und ging mit meinem Sohn auf dem Arm die Treppen hinunter. Auf der letzten Stufe griff ich nach seiner kleinen Tasche, schlüpfte in meine Schuhe und zog die Haustür hinter mir zu. Marco war schon weg. Dann musste ich mich halt beeilen. Gerade als ich umständlich das Auto aufschloss, weil ich keine Hand mehr frei hatte, kam Mario, der immer noch gegenüber in dem Haus lebte, dass er sich mit Ann zusammen gekauft hatte, ebenso aus dem Haus. „Guten Morgen." rief er mir über die kleine Hecke die die Grundstücke voneinander trennte zu. „Morgen" brummte ich gestresst. Er verlor keine Sekunde, hüpfte über die kleine Hecke und nahm mir umgehend die zwei Taschen ab. Ich lächelte ihn dankbar an und musterte seine hellbraunen, tiefen Augen genau. „Bella, warum bist du so gestresst? Entspann dich mal." zwinkerte er mir zu. „Marco ist gerade ohne Diskussionen einfach abgehauen, obwohl er Theo zu meinen Eltern bringen sollte. Ich müsste schon längst in Brackel sein, habe ein Meeting mit Edin und Sebastian Kehl und könnte wortwörtlich kot-" Mario unterbrach mich, bevor ich mich noch weiter aufregen konnte: „Ich wollte die Kinder vor dem Training in die Kita bringen, da komme ich wenn ich nach Brackel fahre bei deinen Eltern vorbei." lächelte Mario sofort und nahm mir den Kleinen vom Arm. „Mario, nein. Das kann ich nicht annehmen." Ich schaute ihn wehleidig an, doch er schüttelte den Kopf: „Doch kannst du." sagte er ganz ruhig und schaute mir eindringlich in die Augen: „Du hast ein Meeting. Das ist wichtig. Das Haus deiner Eltern liegt auf dem Weg von mir nach Brackel und ich gebe den Kleinen gerne dort ab. Hörst du?" Ich war total vereinnahmt von seinem tiefen Blick in meine Augen. „Und jetzt denk nicht weiter drüber nach, nimm meine Hilfe an und setz dich ins Auto!" lachte er. Ich strahlte ihn an, küsste meinen Sohn zum Abschied und schaute danach nochmal Mario an: „Du bist der Beste, weißt du das?" fragte ich ihn, immer noch strahlend. Er nickte langsam: „Jetzt ja." zwinkerte er mir zu. Schnell drückte ich ihm meine Lippen auf seine raue Wange und sprang danach ins Auto.
Tatsächlich war ich noch pünktlich genug für die Besprechung. Wenig später ging ich mit Edin zum Trainingsplatz und freute mich unglaublich auf das nächste Training. Es war ein unglaubliches Gefühl endlich das anwenden zu dürfen, wofür man jahrelang geackert hatte - und diese ganzen Erfahrungen sammeln zu dürfen, das war mein großer Traum.
Nur wurde mir mulmig zumute wegen Marco. Ich musste mich echt zusammenreißen, seinen Abgang heute morgen nicht komisch zu finden. Der Gedanke und die ständige Angst, ob er wirklich eine Reha-Einheit hatte erdrückte mich fast. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, aber das ging gar nicht und wäre alles andere als professionell oder gar förderlich für unseren doch noch so fragilen Neustart.
Plötzlich kam Mario auf mich zu: „Hör auf dieses Gesicht zu machen." schmunzelte er leise. „Ich mache kein Gesicht." brummte ich. „Doch" ärgerte er mich und knuffte meine Schulter. Ich seufzte und versuchte mich zu entspannen. „Ach übrigens, deine Mutter meinte, sie würde heute mit Theo zusammen irgendwo hinfahren, du sollst dich also nicht stressen, ihn abzuholen." zwinkerte er mir zu. „Danke." wisperte ich und grinste ihn noch einmal an, bevor ich zu Edin ging, der das Training einleitete.
Marco hatte mich die ganze Zeit beobachtete, als ich mit Mario gesprochen hatte. Diesen Blick würde ich wohl immer auf mir spüren, doch war das Gefühl das mich nun ereilte eher negativ anstatt, wie es damals war, positiv.
Und als hätte ich es geahnt, dauerte es keine zwei Schritte aus dem Gebäude heraus Richtung Parkplatz nach dem Training, da ging Marco plötzlich neben mir her und schaute mich zerknirscht von der Seite an: „Warum hast du eben mit Mario gesprochen?" wollte er wissen. Ich musste mich plötzlich an den Abend erinnern, als Marco Theo aus seinem Schlaf gerissen hatte und er es gar nicht haben konnte, dass Mario bei mir war. Wie von selbst runzelte ich meine Stirn: „Er hat Theo heute morgen zu Mama gebracht und wollte mir nur erzählen, da-" Marco ließ mich gar nicht ausreden: „Er hat was gemacht?" fuhr er mich an. „Theo zu meiner Mutter ge-" schon wieder unterbrach er mich: „Wieso?" zischte er. Ich atmete tief ein und aus, um ihn nicht hier und jetzt seine erste Standpauke zu halten.
Dabei liefen die letzten Tage doch so gut ab. Wir gingen spazieren, zum Spielplatz, ins Restaurant, schauten Filme, kuschelten sogar ein wenig. Das alles fühlte sich beinahe an, als wären wir wieder eine richtige Familie, es tat gut - und jetzt das. „Marco" wurde ich etwas lauter: „Du bist abgehauen und wolltest ihn partout nicht bringen. Mario hat mich heute morgen gesehen und gemerkt, dass ich im Stress war und mir geholfen. Wenn du dich nicht aufregen willst, dann sieh doch demnächst selbst zu, dass du den Kleinen auch mal weg bringst. Schließlich bist du sein Vater!" brummte ich und stieg sauer in mein Auto ein.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now