15.

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Ich starrte Mats an: „Jetzt sag doch endlich etwas!" Meine Atmung wurde schwerer, ungeduldiger: „Du weißt etwas." wisperte ich leise. Ich konnte die Tränen, die sich schon wieder ein meinen Augen ansammelten nicht mehr unterdrücken, geschweige denn sie zurück halten. „Mats, wenn du irgendetwas weißt oder eine Ahnung hast wo oder bei wem Marco ständig ist - dann sag es mir bitte. Ich kann nicht ständig darauf warten, dass er es mir irgendwann sagt." schluckte ich. Mats fuhr sich zuerst über den Bart und danach über seine Haare: „I- ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich weiß es selbst erst seit heute Mittag - und vielleicht irre ich mich auch einfach total. Ja wahrscheinlich ist es das." stammelte er vor sich hin. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Mit einem Mal wurde mein Hals ganz trocken und meine Atmung war nicht mehr bloß schwer sondern setzte für ein Paar Sekunden ganz aus. „Sag es" hauchte ich beinahe tonlos: „auch wenn du denkst es sei unnötig." Mats räusperte sich und wandte seinen Blick von mir ab. Ich schluckte laut - das war ein schlechtes Zeichen. Mein Unterbewusstsein machte sich auf das Schlimmste gefasst. Wie von selbst wanderte mein Blick zum Babyphone. Auf dem Display sah ich, wie Theo friedlich schlief. Wenn Marco wirklich unsere kleine Familie so unachtsam und herzlos auseinander riss, dann konnte er sich auf etwas gefasst machen: „Heute Morgen bin ich eher als sonst nach Brackel gefahren und er - er hat dort schon trainiert. Einzeltraining mit Louisa." Der Name stieß mir wie immer bitter auf. Ich biss auf meine Unterlippe während Mats nach den passenden Worten suchte: „Ich habe nur gesehen wie sie vertraut miteinander herumgealbert haben. Louisa und ich haben in den letzten Wochen - naja, wir haben uns irgendwie aus den Augen verloren. Sie hatte sich total zurückgezogen und dann-", „Haben sie sich gut verstanden oder zu gut verstanden?" fiel ich ihm mit einem ziemlich bitteren Ton ins Wort. Meine großen Augen fixierten ihn und Namen jede seiner Bewegungen war. Ich raufte mir verzweifelt die Haare während Mats noch überlegte: „Ich weiß es nicht. Nicht weil ich ihn in Schutz nehmen will, sondern weil ich nicht weiß, ob ich dir diese Frage objektiv beantworten würde-" Mats schaute mich zerknirscht an: „Nicht, dass ich es total falsch interpretiere, weil ich sauer geworden bin sie so mit ihm zu sehen. Eigentlich dämlich ich weiß - schließlich hatten wir weder etwas festes, noch etwas offizielles." Ich seufzte angespannt und ließ die Schultern hängen: „Verstehe ich." gab ich leise zu. Meine Stimme glich nur noch einem mickrigen Krächzen. So kannte ich das gar nicht von mir selbst, aber die Selbstzweifel und vor allem die Zweifel an meiner Ehe mit meiner eigentlich großen Liebe wurden so unerträglich groß, dass es unglaublich weh tat der Wahrheit ins Auge zu blicken. Ja, wahrscheinlich hatten wir versagt. Vielleicht war unsere Liebe nicht stark genug und ich hatte mich seit Jahren von einem guten Punkt zum weit entfernten nächsten Punkt gehangelt. Doch ich fragte mich so langsam, wann genau unsere Ehe so bergab ging, dass sie so aussichtslos wie jetzt erschien. Denn ich für mich konnte sagen, dass ich Marco immer noch mit jeder einzelnen Faser meines Körpers liebte. Mir ein Leben ohne ihn vorstellen, das wollte ich gar nicht, es schien nur gerade leider unausweichlich zu sein. Doch bevor ich über so etwas nachdachte, musste ich mir sicher sein. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wie Marco mit meiner Nachfolgerin umging. Ob ich da auch so viel oder eben mehr sah, als Mats. Oder ob ich eventuell Glück hatte und gar nix sah, dass mich störte.
Während Mats einen Film anstellte, begann ich mir innerlich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich Marco einen solchen Fehltritt verzeihen könnte, doch in mir bahnte sich die leise Vorahnung an, dass er es eventuell gar nicht wollte. Bestimmt suchte er nur nach Auswegen aus unserer Ehe, aus dem Familienleben und seinen Pflichten als Familienvater. Oder tat ich ihm gerade total unrecht?
Mats merkte nicht, wie ich meine Mutter darum bat, morgen früh auf Theo aufzupassen.
Ich stand noch vor Marco auf - das dachte ich zumindest. Doch mir fiel das erste Mal so richtig auf, dass sein Bett nicht benutzt war. Es harrte immer noch in seiner gemachten Position neben meinem und wartete auf seine Wiederkehr. Wie schön wäre es, wenn ich ihn wie früher beim Schlafen beobachten könnte, in seinen Armen aufwachen dürfte oder mit ihm zu kuscheln, während Theo in unser Mitte schlief. Was soll's.
Marco schön auf dem Sofa geschlafen zu haben, so sah es jedenfalls aus. Er war aber schon weg.
Total wackelig auf den Beinen, machte ich mich auf den Weg in Theos Zimmer, um ihn fertig zu machen.
Ich wusste, dass ich mir wahrscheinlich zu viel zumutete nach dem gestrigen Tag, doch die Gewissheit über meine Ehe war mir Mal wieder wichtiger als meine Gesundheit. Wenn ich das hinter mir hatte, dann würde ich mich auskurieren - und wieder essen, dachte ich nach einem Blick auf das Brot auf dem Küchentisch.
„Theo mein Kleiner, endlich haben wir uns wieder." meine Mutter nahm mir meinen Sohn sofort ab, drückte ihm das typische Oma-Küsschen auf seine Wange und musterte mich beiläufig schockiert. „Willst du noch mit herein kommen?" fragte sie mich besorgt. Ich reichte ihr den Wickelrucksack und schüttelte meinen Kopf: „Ich muss direkt weiter nach Brackel." verneinte ich. „Bella, wenn du mich fragst ist das keine so gute Idee - komm mit herein und wir machen uns einen schönen Tag. Du siehst total fertig aus." versuchte es auch nun meine Mutter. Ich machte sofort dicht, bei ihren Worten. Wahrscheinlich war genau das der Grund warum es mir so ging, wie es mir ging. „Mama, es tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich los. Danke, dass du den Kleinen nimmst, ich hole ihn heute Abend ab." brach ich unser Gespräch ab. Das war total egoistisch von mir. Ich hatte so lange schon kein schönes Gespräch mehr mit meiner Mutter und hätte sie liebend gerne gesprochen, aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, heute in Brackel der Sache auf den Zahn zu fühlen.
Und sollte sich bewahrheiten, dass Marco mich verarschte und mich betrog, dann gnade ihm Gott.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now