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„Es war eine Katastrophe." murmelte ich am nächsten Morgen am Frühstückstisch meiner Eltern. Am liebsten hätte ich meinen Kopf auf die Tischplatte gelegt und ihn für eine Zeit lang nicht mehr aufgerichtet. „Ach Maus, das wird schon. Niemand findet beim ersten Versuch die perfekte Wohnung." versuchte mein Vater mich aufzumuntern. Ich lächelte ihn an: „Du hast recht." seufzte ich.
Mein Blick wanderte zu den Scheidungsunterlagen vor mir. Ich musste irgendwie nochmal mit Marco sprechen, so langsam machte mein Anwalt nämlich Druck. Doch nach dieser peinlichen Aktion im Stadion wollte ich am liebstem gar nicht mehr mit ihm sprechen und die Unterlagen hatte ich nicht mehr angerührt seit dem er sie genau auf diesen Tisch legte, als er seinen Sohn aus dem Schlaf riss. Ich tat doch nicht auf happy Couple in der Öffentlichkeit. Dem Gefallen tat ich ihm nicht für sein Ansehen als unterstützender Ehemann. Mir lief es eiskalt den Rücken runter wenn ich an die Interviewanfragen dachte und ich hatte Angst vor der Wahrscheinlichkeit, dass Marco nicht in meinetwillen Unterstützung anprangerte, sondern für sein Image. Obwohl ich doch seine Worte an Louisa mit meinen eigenen Ohren gehört hatte.„Und wo warst du gestern noch so lange?" fragte Mama mich schmunzelnd. Ich lächelte: „Mats, Mario und ich haben mit den Kids nach den Besichtigungen einen Filmenachmittag gemacht. Theo hat zwar den halben Film verschlafen, aber es war total niedlich." schwärmte ich. Meine Eltern schauten sich wissend an. Ich runzelte die Stirn: „Was soll der Blick?" fragte ich unverblümt. „Welcher Blick?", „Ich weiß gar nicht was du meinst." entgegnete mir erst Mama und dann Papa. Ich schüttelte verständnislos meinen Kopf.
Heute würde die Kita sich bei mir melden, die ich für Theo angefragt hatte. Sie war hier in der Gartenstadt bei meinen Eltern. Es war die selbe in die ich damals auch ging. Wenn es nicht klappte, dann musste ich mir echt etwas einfallen lassen. Drei andere Kindergärten hatten uns bereits abgelehnt. „Und was machst du heute?" fragte Papa mich daraufhin: „Du hast ja noch eine Woche frei, bis Edin und du anfangt die Mannschaft zu trainieren." bei dem Thema wurde mir ganz flau im Magen. Ich steckte schon in mitten der Vorbereitungen. Nicht nur in die der Mannschaft und mit Edin, sondern auch in denen, meine alte, sportliche Form zurück zu finden. Schon lange hatte ich nicht mehr so ausgewogen und regelmäßig gegessen und Sport stand auch beinahe täglich auf dem Plan. Ich zuckte mit den Achseln: „Mario und ich fahren mit den Kids nach Düsseldorf in dieses tolle Schwimmbad. Jona hat doch vorletzte Woche sein Seepferdchen bestanden." grinste ich. Schon wieder schauten sich meine Eltern mit diesem Blick an. Ich beschloss mich dazu, das zu ignorieren. Sie wollten mir ja doch nicht sagen, was der sollte.
Bloß nicht ausrutschen jetzt. Dachte ich, als ich mit Theo auf dem Arm durch das Bad schlenderte und nach Mario suchte. Er griff die ganze Zeit so sehr in mein Bikinioberteil, dass ich Angst hatte es würde gleich auf den Boden fliegen. Nach wenigen Minuten fand ich Mario mit seinen drei Kindern an einem der Tische sitzen und mir zuwinken. Ich winkte grinsend zurück. Kurz vor ihnen setzte ich Theo ab und nahm ihn an die Hand. Stolz wie Bolle ging er ziemlich wackelig auf seinen kleinen Beinen die restlichen vier Schritte mit mir zusammen in Marios Richtung und stützte sich daraufhin an seinen Beinen. Er nahm ihn sofort auf den Schoß und drückte ihn begeistert an sich : „Wow, Theo! Ich glaube es nicht." Theo lachte glücklich auf und beobachtete Mario akribisch. Danach blickte Mario strahlend zu mir hoch: „Jetzt fängt er tatsächlich schon an zu laufen." Ich schaute Mario stolz an und nickte: „Gestern Abend hat er plötzlich damit angefangen als wir mit meinen Eltern zusammen im Wohnzimmer saßen. Ich konnte es kaum fassen, aber er wird in zwei Wochen ja auch schon ein Jahr alt, da sitzen die ersten zwei, drei Schritte schon drin." Mario hob Theo hoch und manövrierte ihn in dem Kinderstuhl neben Mina, die zufrieden gluckste. Danach schlängelte er vorsichtig seine Arme um meine Taille und drückte mich euphorisch gegen seinen nackten Oberkörper: „Du brauchst das gar nicht so herunterspielen, ich sehe doch, dass du stolz bist!" schmunzelte er als er sich etwas von mir löste. Huch, was machten den plötzlich seine warmen Hände auf meinen Wangen? Nervös nickte ich.
Ich war natürlich mehr als stolz, aber dieser wurde leider von der Tatsache überschattet, dass Marco kaum etwas miterlebte. Morgen war der erste Nachmittag an dem Marco Theo nahm, das verursachte einen fetten Knoten in meiner Magen.
Als wir uns lösten musterte Mario mich unauffällig, bevor sein Blick langsam über meinen Körper zum Boden glitt. Er kratzte sich am Kopf und schaute sich suchend um: „Ich habe irgendwie Ginnis Zopfgummi verloren und jetzt will sie nicht ins Wasser." Auch mein Blick wanderte zu Boden, doch finden konnte ich nichts: „Ich sehe keins." lächelte ich zaghaft, zeigte aber dann auf mein Handgelenk: „Aber jede Frau hat so ein Teil um ihrem Handgelenk, solltest du bei zwei Töchtern auch Mal in betracht ziehen." schmunzelnd zog Mario mich an der Schulter wieder gegen seine Brust: „Hör auf so mies zu sein, das bekommst du gleich alles im Wasser wieder." flüsterte er lachend in mein Ohr. Eine fette Gänsehaut überzog meine Arme - ich wusste gar nicht was ich sagen sollte: „Ja, ja. Schaff das mal bei vier Kindern die wir betreuen müssen.", „Zwei" schmunzelte Mario. „Zwei?" wiederholte ich fragend als ich seiner Tochter einen Zopf machte. „Ja, Jona will unbedingt zu der Animation im Kinderschwimmbecken und Ginni hat gleich eine Schwimmstunde, Ann-Kathrin wollte es unbedingt." Mario zuckte mit den Achseln. „Mit drei?" rutschte es mir heraus. „Früh übt sich, meinte Ann." murmelte Mario bloß, vergrub seine Hände in den Taschen seiner Badeshorts und sah sich um: „Komm, wir suchen mal, wo wir die zwei abladen müssen."
Man konnte gar nicht so schnell gucken, wie sich Genevieve, das Sandwichkind der Götzes, in die Arme der Schwimmlehrerin stürzte. Verlustängste gab es da wohl nicht, aber das hatte ja auch seine Vorteile. Jona war auch schneller weg als wir gucken konnten und so fanden wir uns wenig später im Babybecken des Spaßbades wieder und plantschten mit den zwei beinahe gleichaltrigen Kindern. „Früher war schwimmen gehen aufregender." stellte ich mit einer fetten Gänsehaut fest: „Wenn ich weiter so friere, dann bin ich nächste Woche passend zu Arbeitsbeginn krank." ich schmunzelte, während ich Theo etwas näher an mich zog. Ich musste aufpassen, nicht wie eine riesige Glucke zu wirken und meinen Ängsten nicht zu viel Spielraum zu lassen. Doch Mario hatte immerhin schon drei Kinder, mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich sicher, die anderen Zwei hatte er schließlich auch gut hingekriegt. Ich starrte so sehr meinen Sohn an, dass ich zuerst gar nicht bemerkte, dass Mario näher an mich gerutscht war und seinen Arm um meine Schultern legte, um mich an seinen warmen Brustkorb zu drücken. Man, tat das gut. Es dauerte nicht lange, da fühlte ich mich wieder pudelwohl und mir wurde vor allem warm. Zumindest deuteten darauf meine roten Wangen hin. Ich lächelte meinen besten Freund schüchtern an: „Danke." murmelte ich ein wenig verlegen. Mario winkte ab und zwinkerte mir zu. Sollte ich mich vielleicht einfach mal ein wenig entspannen und meinen Kopf auf seine Schulter legen? Das sagte mir jedenfalls diese komische innere Stimme.
Doch ich ließ es, schließlich war er einfach nur aufmerksam, wie er es schon immer zu mir war.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now