57.

637 50 15
                                    

„Es tut mir so leid wegen vorhin, Yvonne hat manchmal keine Kontrolle, aber du kennst sie ja." Marco verzog sein Gesicht als er mir das Glas Wasser reichte, dass er aus der Küche holte. Ich beobachtete währenddessen unseren Sohn, der mit Wasserspielzeug auf einem Handtuch spielte. Marco ließ seinen Blick nicht von mir ab als er sich neben mir in die weichen Kissen der Sonneninsel fallen ließ, also wandte ich meinen Blick von Theo ab und schaute ihn mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen an: „Du brauchst dich nicht erklären" murmelte ich: „Ich habe es verdient. Yvo hat recht. Ich verkompliziere alles, eben weil ich mich nicht entscheiden kann." gab ich zu. Vor Überraschung leuchteten Marcos Augen auf und er fuhr sich sichtlich irritiert mit der Hand über seinen Nacken. Für einen kleinen Augenblick war es still zwischen uns. „Marco" räusperte ich mich und setzte mich so um, dass ich ihn anblicken konnte. Durch die Wärme war mein eigentlich glattes Haar ganz kraus und fiel mir wüst über die Schultern. Marco hatte nur eine Badehose an und auch ich hatte mir vorhin oben aus dem Kleiderschrank einen Bikini gemopst. Ich hatte nicht einmal alle meiner Sachen aus dem Haus geholt. So vieles ist hier liegen geblieben, doch es fiel mir schwer, sie einfach abzuholen. Irgendwie gehörten sie hier hin. Genau so, wie ich hier eigentlich hingehörte.
Eigentlich hatten wir vor, sofort mit dem Kleinen in den Pool zu springen, doch das musste warten - vielleicht wollte Marco mich auch gar nicht mehr hier haben, nachdem ich ihm sofort die Wahrheit sagen würde. Doch dieses Risiko musste ich eingehen.
„Marco, ich muss dir etwas sagen." machte ich weiter. In seinem Blick lag so eine Nervosität und Erwartungshaltung, dass es mir kalt den Rücken herunterlief. Wieder und wieder räusperte ich mich und suchte nach den passenden Worten, doch für eine Situation wie meine gab es keine Verschönigung, kein Wort das mir aus der Erklärungsnot half oder es wieder gut machte, was ich getan hatte. Egal was Marco gemacht hat, ich schlief mit seinem besten Freund. Einfach gerade heraus, zwang ich mich und schloss kurz die Augen. Mit einem lauten Schlucken überwand ich mich endlich, es auszusprechen: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das sagen würde" seufzte ich. „Was denn?" wollte er wissen und runzelte seine Stirn. Ich biss mir auf die Unterlippe: „Mario stand mir die ganze Zeit bei als das zwischen uns so Bergab gegangen ist und - naja - letzte Woche haben wir miteinander geschlafen. Irgendwie hat eines zum anderen geführt und es war das erste Mal seit langem, dass ich mich wieder gut gefühlt habe, gewollt und attraktiv. Ich will mich gar nicht erklären, bloß-" Ich stockte als Marco sein Gesicht in die Hände legte und laut schluckte, bevor er mit hochrotem Kopf wieder in die Augen blickte. Für einen kurzen Moment wartete ich einfach nur ab, ob er sauer wurde oder laut und mir Vorwürfe an den Kopf knallte - doch nichts davon geschah. Zwar sah ich ihm an, dass es ihn nicht kalt ließ, doch der große Ärger den ich erwartete, der fiel aus. „Bloß was?" wollte er leise wissen und schaute mich besorgt an. Verletzt wandte ich meinen Blick kurz von ihm ab und schluckte: „Ich glaube, er hat genau das von mir bekommen was er wollte und seitdem hat er sich nicht einmal wieder gemeldet. Erst dachte ich, dass das alles richtig gewesen wäre und habe mich gut gefühlt, doch dieses Gefühl - es verflog bereits nach wenigen Stunden. Danach fühlte es sich nur noch falsch an und ich wollte einfach nur ehrlich zu dir sein. Es tut mir leid." murmelte ich. Niemals hätte ich gedacht, so etwas einmal zu Marco zu sagen - und doch geschah es gerade. Wortlos zog er mich in seine Arme. Erst als mein Kopf seine Brust berührte spürte ich die Tränen die sich in meinen Augen angesammelt hatten. „Du musst dich nicht entschuldigen." seufzte Marco plötzlich gegen meinen Haaransatz. Ein letztes Mal atmete ich ein, um seinen - für mich so familiären Duft - einatmen zu können, bevor ich mich etwas von ihm löste und ihn förmlich anstarrte. Seine Hand, die auf meinem Rücken lag rutschte unwillkürlich auf meine Hüfte. „Danke, dass du es mir gesagt hast. Ich kann dich verstehen. Wirklich. Du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Wegen mir leben wir momentan getrennt, vergessen?" Ich presste meine Lippen aufeinander. Nachdem was er gerade gesagt hatte fiel mir auf, dass ich vielleicht erst jetzt nachvollziehen konnte, wieso Marco mich betrogen hatte. Vielleicht hatte er sich genauso gefühlt wie ich mich: ungeliebt, ungewollt, unattraktiv. Doch dann war da diese eine Person, die um seine Aufmerksamkeit nahezu gebettelt hatte und er wurde schwach. Das er Louisa nicht wirklich liebte und deswegen mit ihr schlief, war klar - sonst wären die zwei längst ein Paar. „Was ich nicht haben kann ist, dass Mario dich ausnutzt. So kenne ich ihn gar nicht." Marco spannte vor Wut seinen Kiefer an und starrte ins leere: „Wahrscheinlich hat ihn die Trennung von Ann-Kathrin doch ein wenig versaut." Ich starrte Marco in die Augen, suchte immer noch nach einem Anzeichen, dass er sauer auf mich war und gleich platzte vor Wut, doch da war nichts. Die Faust die sich wegen Mario aus seiner Hand geformt hatte, entspannte sich langsam wieder.
„Bella, auch wenn du mich täglich zur Weißglut bringst - ich weiß was du von mir hören musst, damit du mir glaubst, dass ich es dir nicht böse nehme. Ich verzeihe dir, wirklich. Das willst du hören, habe ich recht? Weißt du, wenn ich eines gelernt habe dann, dass Liebe so viel mehr ist als nur sex. Erst als ich dich nicht mehr bei mir hatte ist mir klar geworden, was ich da verloren hatte. Es ist nicht nur das körperliche. Da hängt viel mehr dran. Ich vermisse es, dich neben mir liegen zu haben und dich zu küssen, bevor ich einschlafe oder wann auch immer es mir lieb ist. Ich sehe dich beinahe jeden Tag und doch kann ich dich leider nicht mehr so behandelt, wie du es eigentlich von mir verdient hättest. Ich vermisse das Familienleben mit Theo und dir, unsere Urlaube und dämliche Unterhaltungen im Auto über irgendwelche überflüssigen Sänger oder dich gesund zu pflegen wenn du krank bist - wie vor einigen Wochen. Du bist die Mutter meines Sohnes und immer noch meine große Liebe. Da hat sich nichts dran geändert. Das heißt aber nicht, dass ich dich nicht verstehe. Das körperliche ist ebenso wichtig und dir hat es gut getan."
Verwundert schaute ich Marco an. Es fühlte sich plötzlich so an als hätte er endlich einen Schalter in mir umgelegt. Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu sagen, doch er unterbrach mich sofort wieder als ich dazu ansetzte: „So und jetzt lass uns mit Theo in den Pool springen. Ich gehe sonst hier in der Hitze ein wie eine Primel!"
Kurzerhand griff er nach den Schwimmflügeln neben sich und ging auf Theo zu, während ich noch baff da saß und ihm hinterher starrte. Ein erleichtertes Lächeln huschte mir über die Lippen.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now