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Einen Tag später drehte ich meine ersten Runden über den Sportplatz in Brackel, während wie damals laute Musik durch meine Ohren dröhnte. Ich dachte so würde es mir definitiv leichter fallen mich darauf einzulassen. Mir graute es schon vor der Leistungsdiagnostik nächste Woche, aber das gehörte eben dazu wenn man am Ball bleiben wollte. Schließlich hatte ich noch große Ziele vor Augen. Die Tür beim Trainerteam der Nationalmannschaft für mich war schließlich noch nicht zu.
Es dauerte nicht lange, da spürte ich jemanden hinter mir her laufen - kurz darauf überholte die momentane Studentin Louisa mich mit einem Affenzahn. Schon als sie gerade an mir vorbei zog verdrehte ich meine Augen. Wie konnte man nur einen solchen Geltungsdrang haben wie sie?
Bella - du hast einen neun Monate alten Sohn, da ist man nicht sofort wieder Sporty Spice, beruhigte ich mich selbst in Gedanken und lief in meinem Tempo weiter. Ich war inzwischen zu reif um mich jetzt Hals über Knie mit ihr zu battlen, nur um sie wieder zu überholen und mich danach für zwei Minuten Überlegender zu fühlen. Ich wusste schließlich, dass ich ihr mehr als überlegen war - in allen Bereichen. Diese Idee stellte sich als weise heraus, als sie auf der Hälfte der Strecke plötzlich mit ihrem Fußgelenk umknickte und zu Boden segelte.
Toll, jetzt musste ich ihr auch noch helfen. Dabei hatte ich kaum Zeit - Marco musste in zwei Stunden wieder hier sein und bis dahin musste ich zuhause sein, um auf Theo aufzupassen. Es war ohnehin eisig zwischen uns nach dem Streit gestern im Autohaus.
Natürlich hatte ich mich dazu überwunden, etwas schneller zu laufen um ihr möglichst schnell aufzuhelfen. Gerade als ich ihr die Hand hin hielt war sie wie ein junges Reh schon wieder aufgesprungen, nur um sich daraufhin doch wieder mit schmerzverzogenem Gesicht bei mir abzustützen nachdem sie zusammen zuckte. Ich kniete mich wortlos hin, um die Beweglichkeit ihres Fußes zu überprüfen: „Oh oh" murmelte ich leise: „Sieht ziemlich instabil aus. Nicht, dass du einen Bänderriss hast." Ich stand wieder auf und schaute sie entschuldigend an. „Jetzt male mal nicht den Teufel an die Wand. Nur, weil dein alter Knacker ständig verletzt war." zischte sie verärgert. Ich riss meine Augen etwas erschrocken auf, wegen ihrer schnippischen Art: „Ich sag' dir einfach nur wie es ist." lachte ich leise: „Außerdem ist mein Cousin mit dem du ständig in die Kiste springst genauso alt wie mein Ehemann - den du wenn ich mich recht erinnere letztes Jahr auch mal abgeschlabbert hast." konterte ich genervt. „Ja ja ist schon gut. Habe verstanden." murmelte sie kleinlaut. „Würdest du in der Uni aufpassen, hättest du es auch sofort erkannt. Das ist ja kein Hexenwerk." trat ich schadenfroh nach, denn ich wusste, dass sie genau diesen Kurs letztens verhauen hatte. Ich hielt mich aber zurück es mir auch so offensiv ansehen zu lassen, dass ich mich ein wenig amüsierte. Gnädig wie ich war half ich ihr, dass sie heile bei den Kabinen ankam. „Das alles zu lernen und gleichzeitig hier zu sein ist gar nicht so leicht, ich weiß gar nicht, wie du das so leichtfertig geschafft hast." gab sie plötzlich kleinlaut zu. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Ich schluckte leise, so etwas hatte ich nicht erwartet. „Was steht jetzt an nach so einem Vorfall?" räusperte ich mich also, um ihr entgegen zu kommen. Sie schaute mich ahnungslos an. „Die PECH-Regel" antwortete ich mir selbst. „Achja" ertönte es leise aus ihrer Richtung. „Was heißen die Buchstaben?" hakte ich weiter nach. „Ich glaube Pressen Eingreifen Coachen Halten" Ich lachte laut los: „Und was hat das mit deiner Verletzung zutun? Die Worte haben ja nicht ein mal einen Zusammenhang." schnaubte ich amüsiert: „Es ist ganz leicht Pausieren, Eis, Compression und Hochlagern. Das ist das oberste Gebot hier im Sport. Und genau das ist jetzt auch dein Auftrag." ich ging zum Kühlschrank und warf ihr kurz darauf ein Kühlakku zu. Als ich meinen Blick von ihr abwandte, bemerkte ich wie Mats im Türrahmen stand und uns mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen beobachtet hatte. „Dich schickt der Himmel!" sagte ich erleichtert: „Bleibst du hier?", „Naja, eigentlich bin ich hier, weil wir - also Louisa und ich Mittagessen gehen wollten und-" stammelte mein Cousin drauf los. „Mats, ich will nicht wissen was genau du mit der da vorhast, sondern ich muss nach Hause zu meinem Sohn. Marco muss gleich schon wieder hier hin zur zweiten Einheit und ich war nur hier um zu trainieren." erklärte ich mich. „Achso, ja dann geh!" an meiner Schulter schob er mich aus der Kabine heraus. Ich entschied mich dazu, nicht zu fragen wie er in gut 1,5 Stunden mit vollem Magen trainieren wollte. Mit Sicherheit hatten die zwei nicht vor zu essen, sondern einen ganz anderen Schweinskram. Ich schüttelte mich angeekelt und griff nach meiner Tasche, bevor ich zum Auto hechtete.
Zuhause angekommen hatte ich bereits Angst, dass Marco total sauer war und bereits auf heißen Kohlen saß, wenn ich hereinkommen würde. „Tut mir leid, es gab einen Unfall und der Verkehr war die reinste Katastrophe-" rechtfertigte ich mich schon als ich ins Wohnzimmer platzte, doch mein Mann saß weder auf heißen Kohlen, noch hatte er es eilig. Ganz entspannt, in seinen normalen Klamotten und mit umgemachtem Haar lag er auf seiner rechten Seite auf dem Teppich und schaute unserem Sohn dabei zu, wie er mit seinem Beißring in der Hand in sein Lieblingsbuch starrte und vor sich hin sabberte. Stirnrunzelnd schaute Marco zu mir hoch. Über seinem Kopf stand ein riesiges Fragezeichen: „Unfall? Schon wieder? Geht es dir gut?" schnappte er natürlich das unwichtigste auf: „Du warst ja nicht mal duschen." Sein Blick fiel auf die Uhr, bevor er mich weiter musterte. Erschöpft ließ ich mich neben ihm auf die Fliesen des Fußbodens plumpsen und seufzte laut: „Nein nicht ich hatte einen Unfall. Als ich joggen war, war Louisa auch da und die hat sich vertreten und ist umgeknickt. Deshalb bin ich so spät." murmelte ich erklärend. „Und jetzt? Worauf wartest du? Spring unter die Dusche!" lächelte er. Er hatte mich sofort an sich herangezogen und strich beruhigend durch mein Haar. Er schenkte mir ein gelassenes Lächeln, bevor er mir einen Kuss auf die Lippen drückte. Ich runzelte überrascht meine Stirn: „Aber das Training?" stammelte ich drauf los, doch ich wurde sofort unterbrochen: „Du hast Zeit genug." er raffte sich ächzend auf bevor er mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen nach meiner Hand griff, um mich ebenso wieder hoch zu ziehen. „Du hast dir eine ausgiebige Dusche verdient! Zum Training schaffe ich es schon noch. Mach in aller Ruhe." grinste er schon wieder. Ich staunte ihn an, schlang kurz meine Arme um ihn und drückte ihn ganz fest an mich heran. Was hatte den denn gebissen?Währenddessen drückte er einen liebevollen Kuss auf meinen Scheitel.
Er schien nicht nachtragend zu sein wegen gestern.
Nachdem ich in Windeseile duschen war, sprintete ich die Treppen herunter. Gerade als ich in die Wohnküche kam erfasste meine Nase einen unglaublich leckeren Duft. Auf meinem Platz am Esstisch stand ein dampfender Teller voller Nudeln. Erschrocken wanderte mein Blick zu Marco. „Du hättest dich nicht beeilen müssen" schmunzelte er. „Du - du musst doch zum Training?" stammelte ich schon wieder. Ich ließ mich auf meinen Stuhl nieder und merkte wie mir beim Anblick des Essens die Spucke im Mund nur so zusammen lief. „Bella, komm herunter. Mir ist viel wichtiger, dass du nach dem Training etwas vernünftiges isst. Das ist genau so wichtig." er ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen. „Danke" lächelte ich ihn zufrieden an. Er machte eine abwinkende Handbewegung: „Du, ich habe übrigens dein verunfalltes Auto in eine Werkstatt bringen lassen. Vielleicht kann man den ja doch reparieren. Ich glaube, dass ich gestern beim Autohändler ziemlich über die Strenge geschlagen habe, das tut mir unglaublich leid." ich starrte Ihn baff an - er konnte ja doch Einsicht zeigen.

Optimisten - Marco ReusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt