25.

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In dem Blitz einer Sekunde legte ich Theo in Marios Arm und hastete meinem noch-Ehemann hinterher.
„Marco!" schrie ich als ich durch den Vorgarten meines Elternhauses rannte und auf dem Bürgerstein zum stehen kam. Er blieb stehen. Ich atmete erleichtert aus. Mein Blick durchlöcherte für eine Weile seinen Rücken und ich bemerkte wie er ungleichmäßig ein und aus atmete, bis er sich zu mir umdrehte. Im reduzierten Licht der flackernden Straßenlaterne sah ich seine Augen voller Tränen glitzern. Ich musste alles in mir überreden, um nicht sofort zu ihm zu rennen und ihn in den Arm zu nehmen. In seinen Augen war alles zu sehen: seine Angst, seine Reue, seine Zweifel, sein Schmerz. Doch ich durfte nicht einknicken. Ich wusste, dass ich ihm nicht alles verzeihen konnte, nur weil er meine große Liebe war und ich ihn abgöttisch liebte. Er hatte in den letzten Jahren zu viel getan, dass mir schadete und unsere Basis zum Einsturz brachte. Es musste einen Schlussstrich geben, dringend! Dazu hatte ich mich entschieden. Vor allem aber musste ich mich daran erinnern, um wie viel größer mein Schmerz war, meine Zweifel, meine Angst. Also schloss ich meine Augen, schluckte laut und atmete tief durch. Ich musste mich jetzt zusammenreißen. Als ich meine Augen öffnete ging ich ein Paar Schritte auf ihn zu: „Marco, so geht das nicht weiter." sagte ich gefestigter als ich es dachte: „Dieses Kind ist dein Sohn! Ich weiß, du hast es nur aus Wut gesagt, aber man kann auf keinen Fall abstreiten, dass dieses Kind von dir kommt. Er hat dein Grinsen, deine Haarfarbe, deine treuen Augen. Das zu leugnen, ist ganz schön schwach von dir." wisperte ich verletzt. Er nickte und schaute beschämt zu Boden: „Es tu-" Ich unterbrach ihn: „Ich will mich nicht streiten und den letzten Funken Liebe zwischen uns ebenfalls zerstören." fügte ich ehrlich hinzu. Er räusperte sich leise: „Es tut mir leid Bella. Ich hätte ihn nicht wecken dürfen. Das war egoistisch."
Ich seufzte: „Er wird zum Glück darüber hinwegkommen.", „Auch wenn du es mir nicht glaubst" es stiegen riesige Tränen in seine Augen während die Festigkeit seiner Stimme immer weiter zu zerfallen drohte: „Ich vermisse nicht nur dich. Natürlich vermisse ich ihn auch. Sehr sogar. Er ist doch mein Sohn, mein eigen Fleisch und Blut. Niemals würde ich ihn leugnen. Ich weiß gar nicht, wie mir das über die Lippen gekommen ist! Ich will ihn nicht verlieren. Auch wenn ich nicht so für ihn da war, wie er es verdient hat, wie du es verdient hast." schluchzte er. Ich schloss meine Augen und musste mich zusammenreißen, nicht sofort nachzuziehen und ebenso zu heulen: „Ich verspreche dir, dass ich zwischen dir und Theo keine Steine legen werde, okay? Marco, du wirst ihn immer sehen können, sehen dürfen. Wann du willst, wie lange du willst. Dafür musst du mir aber auch so langsam mal entgegen kommen." Marco nickte: „Danke" wisperte er krächzend. Ich nickte sachte. Zwischen uns wurde es sehr still, bis er mich wieder anblicken konnte: „Liebst du mich noch?" fragte er leise. Ich biss mir auf die Unterlippe und schloss meine Augen und spürte wie mein Herz wie wild gegen meine Brust schlug: „Natürlich liebe ich dich noch. Ich habe nie aufgehört und ich werde nie aufhören können. Ich war nicht nur auf dem Papier, sondern auch noch emotional mit dir Verheiratet, während du mit ihr sex hattest. Du hast mich aus meinem Leben herausgerissen. Unserem Leben. Hast unsere Familie zerstört, unsere Ehe und alles was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben - für diese Frau. Sie ist zwar jung und hübsch, vielleicht ist sie auch noch etwas naiv, aber das war ich auch als wir uns damals kennenlernten und mittlerweile glaube ich, dass du dir schon seit einer ganzen Weile die alten Zeiten zurück wünschst und dich deshalb auf sie eingelassen hast, um sie noch einmal zu erleben. Doch das klappt nicht, Marco. Man kann vergangenes nicht wiederholen. Warum hast du dich nicht einfach auf das Hier und Jetzt konzentriert, auf mich und unser Baby? Ich habe dich geliebt und du mich. Damals hast du immer gesagt, mehr bräuchtest du nicht. Jetzt stehen wir beide vor einem riesigen Scherbenhaufen. Also wenn das deine Frage beantwortet: Ja, ich liebe dich noch und ich weiß, dass du mich noch liebst - trotz dass du Fremd gegangen bist. Doch das heißt nicht dass es für uns als Ehepaar noch eine Zukunft gibt." Ich schaute Marco tief in die Augen, bevor ich mich ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten umdrehte und ins Haus zurück ging. Für einen Augenblick lehnte ich mich von innen gegen die Tür und ließ das Geschehene Revue passieren.
„Komm Mal her." riss meine Mutter mich plötzlich aus meinen Gedanken und nahm mich fest in ihre Arme: „Ich weiß gar nicht wie ich die helfen könnte, wenn ich es sollte. Es ist so eine schwierige, verzwickte Situation. Ich nickte: „Ihr helft mir schon genug" schniefte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Mama lächelte mir wie immer liebevoll an: „Mario war so lieb und bringt Theo oben ins Bett." lächelte sie leise. Meine Augen wurden riesig. Ich verlor keine Sekunde und sprintete die Treppen hoch, nur um die Beiden nicht im Bad vorzufinden, sondern in meinem Kinderzimmer. Der kleine lag auf meinem Bett und Mario seitlich neben ihm. Seine Hand stützte seinen Kopf, während er meinen Kleinen anlächelte und seinen Bauch mit kreisenden Bewegungen streichelte. Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und lehnte mich gegen den Türrahmen.
Warum wurde mir nur so warm ums Herz, wenn ich Mario mit Theo dort liegen sah?
Weil Marco nie so für ihn da war? Wahrscheinlich.
Plötzlich schaute Mario Richtung Tür und lächelte mich zufrieden an. Ich formte ein tonloses „Danke" mit meinen Lippen. Er deutete mit seinem Kopf an, dass ich herein kommen sollte. Mit klopfendem Herzen ging auf ihn zu und ließ mich von ihm aufs Bett ziehen. Es dauerte nicht lange, da lag er hinter mir, Theo vor uns und legte seinen starken Arm so eng es ging um meine Taille.
Mist, warum fühlte sich das so gut an? So geborgen?
Ich konnte nicht anders, als einfach damit aufzuhören über das hier gerade nachzudenken und beschloss es zuzulassen, dass sich meine Augen schlossen, nur damit ich wie mein Sohn durch seine entspannte Art einschlief.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now