14.

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Ich starrte die Pommes von McDonalds an als hätte ich sie etwas noch nie in meinem Leben gesehen. Mario musterte mich schockiert und schüttelte seinen Kopf, während er welche von meinen Pommes klaute. Ich zog meine rechte Augenbraue hoch: „Das sind meine.", „Aber du isst sie ja gar nicht. Du starrst sie nur an.", „Ja und? Das sind trotzdem meine." verteidigte ich die salzigen, goldbraun frittierten Kartoffelstifte und zog sie näher an mich heran. „Iss doch mal ein Paar. Die schmecken gut und auch wenn ich das nie sagen würde, aber sie werden dir gut tun, so wie anderen Leuten hier mal etwas mehr Gemüse gut tun würde." Mario lächelte mich ermutigend an. Ich starrte sie an als würden sie mir wehtun, müsste ich sie essen. „Es tut mir leid, ich habe gedacht, dass wenn ich erst einmal hier bin, auch mein Hunger zurückkehrt, aber ich kann einfach nicht. Es klingt total bescheuert und dämlich, habe ich doch genau auf diesem Gebiet studiert und doch mache ich genau das falsche." Tränen bildeten sich in meinen Augen. Mario rückte seinen Stuhl näher an meinen heran: „Schließ mal deine Augen, Bella." schmunzelte er. Widerwillig folgte ich seinen Anweisungen. „Ah" machte Mario langgezogen, wie beim Kinderarzt. Warum auch immer machte ich ihm nach und fühlte mich zu den Zeiten zurückgesetzt als genug zu essen mien geringstes Problem war. Aus irgendeinem Grund gefiel mir Marios Leichtigkeit. Kurz darauf landeten krosse, warme Pommes Frittes in meinem Mund. Obwohl sich alles in meinem Körper dagegen sträubte, begann mein Kiefer wie von selbst zu kauen. Man war das lecker. Fühlte sich das gut an, wenn der Magen sich leicht füllte und der Körper nicht die ganze Zeit auf Sparflamme lief. Ich ließ meine Augen geschlossen und versuchte mir dieses relativ gute Gefühl einzuprägen. Vielleicht konnte ich mich so wieder umprogrammieren. Ich öffnete meine Augen und sah dabei zu, wie Marios Lippen sich zu einem breiten Lächeln formten. „Danke" wisperte ich kaum hörbar. Mein bester Freund nickte bloß.
Als Mario Theo und mich nach Hause brachte, war Marcos Auto verschwunden als er vom Hof fuhr. Ich war tatsächlich ein wenig erleichtert, dass er nicht da war. Mario trug Theo für mich bis zur Haustür, bevor ich ihm meinen Sohn endlich abnahm. „Mario, vielen Dank, dass du dich um uns gekümmert hast." Ich schloss ihn in die Arme. „Immer wieder gerne Bella. Soll ich noch da bleiben und auf den Kleinen aufpassen? Du solltest dich wirklich ausruhen." Ich musste Lächeln. Mario nahm alles ziemlich ernst und Marco haute ab, weil er das was heute passierte als eine Lappalie ansah. Meine Einordnung in das ganze lag irgendwo dazwischen. Kopfschüttelnd strich ich meinem besten Freund über den Arm: „Nein, danke. Ich komme schon klar. Du hast schon genug für uns heute getan. Triff dich lieber mit irgendeinem Kumpel und genieße die Kinderfreie Zeit." ich zwinkerte ihm zu. „Das wird schwierig, wenn mein bester Freund zu einem totalen Idiot mutiert ist." er schüttelte Fassungslos seinen Kopf. Wir verabschiedeten uns endgültig. Ich wollte die Haustür mit meiner zittrigen Hand aufschließen, da bemerkte ich, wie jemand großes hinter mir stand. Ich brauchte mich gar nicht umdrehen, ich wusste sofort als sein Duft in meine Nase kroch, dass es mein Cousin Mats war. Ohne mich umzudrehen räusperte ich mich: „lange nicht mehr gesehen" endlich bekam ich die Tür auf und gab ihm zu verstehen, dass er hinein kommen konnte. Ich zog erst gar nicht meine Schuhe aus, sondern sprintete mit Theo auf meinen Armen direkt die Treppen hoch. Er war mittlerweile tief und fest am schlafen. Ich legte ihn in sein Bettchen ab und griff nach dem Babyphone, aber nicht ohne ihn noch einmal anzulächeln. Er war so friedlich. Das schlechte Gewissen schlich sich sofort wieder in meine Gedanken als ich ihn beobachtete. Ob er das alles mitbekam? Mittlerweile bezweifelte ich wirklich, ob er seinen Vater überhaupt kannte. Ich schüttelte meinen Kopf. Doch, er musste ihn kennen. Marco war sein Vater und er war ein toller Vater. Jedenfalls für die ersten sechs Monate. Heute konnte ich mich gar nicht vernünftig um ihn kümmern. Traurig drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange. Danach ging ich geknickt die Treppen wieder hinunter. Mats beobachtete jeden meiner Schritte. Er wusste genau, dass ich einen riesigen Kloß in meinem Hals verspürte und obwohl ich versuchte die Tränen zu unterdrücken, sah er sie genau. Weil er sie von Anfang an gesehen hatte und bisher jede Einzelne trocknen musste. Auf der letzten Stufe angekommen ließ ich mich von da in seine Arme sinken. Er drückte mich fest an seinen Brustkorb und hinterließ einen Kuss auf meinen Haaransatz. „Was machst du nur für Sachen, Bella?" wisperte er. Ich zuckte mit den Achseln: „Nur Mist, Mats. Ich mache nur Mist." ich war wirklich verzweifelt. Er löste langsam seinen festen Griff um mich. „Los, ich mache dir etwas zu essen." er schubste mich in Richtung Wohnküche. „Ne, das habe ich gerade, mit Mario." Mats schaute mich prüfend an: „Wirklich? Bella, du siehst nicht gut aus. Ich habe dich zwei Wochen nicht gesehen und mich total erschrocken-" Mats räusperte sich. „Warte Mal-" ich rieb mir angestrengt die Schläfe: „Woher weißt du eigentlich, was passiert ist?", „Mario hat mich angerufen, weil er wusste du würdest ihn wegschicken. Ich bin schockiert Bella. Er hat auch von Marcos Verhalten erzählt - wo ist der überhaupt?", „Das habe ich mich schon vor Monaten aufgehört zu fragen." ich zuckte mit den Achseln. Mein Cousin räusperte sich. Er blieb still für einige, lange Minuten. Endlos lang, meines Erachtens. Ich konnte Stille nur noch schwer ertragen. Ich hatte genug davon in den letzten Wochen, nein Monaten. So langsam überschwappte mich eine Welle an Bewusstsein, Mir wurde bewusst, dass es nicht mehr so weitergehen konnte, sonst würde ich mich ganz verlieren. Sonst wäre ich wieder am selben Punkt wie vor meiner Beziehung zu Marco: unsicher, ein Häufchen elend, unzufrieden.
Das wollte ich nie wieder sein. Ich hatte schließlich nicht umsonst so geackert, um da zu stehen wo ich heute bin. Doch ich wusste nicht wo ich anfangen soll.
Ich musterte meinen Cousin. Er sah auch nicht gerade aus wie das blühende Leben. Mats hatte starke Augenringe und dicke Augen. „Warum siehst du eigentlich so aus?" platzte es unsensibel aus mir heraus. Meine Augen wurden riesig als er sich schluckend abwandte und meinem Blick auswich.
„Mats, rede mit mir, du weißt doch etwas!" ich starrte ihn an - mein Herz rutschte mir in die Hose, das spürte ich. Wieder begangen meine Hände wie verrückt zu zittern.
Ja, ich hatte jetzt tatsächlich sogar ein bisschen angst.

Optimisten - Marco ReusDär berättelser lever. Upptäck nu