38.

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Ein Paar Tage lang herrschte Funkstille zwischen Marco und mir. Wenigstens brachte er Theo jeden Morgen zu meiner Mutter - ausnahmslos.
Ich ging zum Training, manchmal ein Mal, manchmal zwei Mal am Tag und zog es durch, dass auf dem Platz zwischen Marco und mir Professionalität herrschen musste. „Bella, gib mal den Luftballon!" rief Mats mir plötzlich laut zu und riss mich aus meinen Gedanken. Er half mir im Garten die Geburtstagsdeko für Theos kleine Fete heute Abend aufzubauen. Schnell raffte ich mich auf und gab ihm die Ballons, die sich innerhalb weniger Sekunden füllten, wegen der Heliummaschine die er extra besorgt hatte.
„Und wie war der Morgen?" lächelte mein Cousin mich an. „Wir haben Theo geweckt und er hat seine Geschenke ausgepackt mit solchen Augen" ich fuchtelte komisch vor meinen Augen herum: „wir haben dann ganz gemütlich gefrühstückt und den Vormittag zu dritt verbracht, bevor er seinen Mittagsschlaf gemacht hat." grinste ich. Mats nickte zufrieden: „Das hört sich perfekt an." schmunzelte er. Ich nickte. Das war es auch. Genauso hatte ich mir unser Familienleben immer vorgestellt. „Und wo ist Marco jetzt?", „Er ist in der Geschäftsstelle und hat dort irgendein Meeting." ich zuckte mit den Achseln. Mats runzelte kurz seine Stirn, sagte aber nichts. „Guck mich nicht so an, ich habe keine Ahnung was das für ein Meeting ist. Seitdem ich im Trainerstab bin habe ich mit der Verwaltung nur noch sehr wenig am Hut." verteidigend hob ich meine Hände. Mats lachte leise.
Gerade als wir fertig waren, klingelte es. Das mussten meine Eltern sein. Sie wollten ein bisschen früher kommen, als die anderen. Aufgeregt hastete ich zur Tür, nur um in die freudigen Gesichter meiner Schwiegereltern zu blicken.
Mir rutschte das Herz in die Hose. Schon Wochen lang hatte ich sie nicht mehr gesehen. Ich fühlte mich umgehend schlecht und hätte die Konfrontation gerne noch etwas hinausgezögert. „Bella, lass dich drücken!" Manuela schloss mich sofort in ihre Arme, Thomas folgte. „Kommt doch rein." grinste ich schief und entdeckte meine Eltern, die hinter ihnen standen. Papa sah wenig begeistert aus.
„Der Kleine ist noch am schlafen." murmelte ich entschuldigend, als ich sie nach draußen in den Garten begleitete. Mats machte sofort platz und schaute mich angespannt an, als die vier sich setzten. Artig verteilte er Getränke an alle und eine unangenehme Stille trat ein, bis Marco plötzlich im Anzug in der Gartentür stand. Mir fiel ein Stein vom Herzen, weil ich nun nicht mehr alleine die Situation stemmen musste. „Oh, das habt ihr aber schön dekoriert." Marco grinste erst Mats und dann mich an, bevor er seinen Arm um meine Schultern legte und mich an ihn heranzog, um meiner Schläfe einen Kuss aufzudrücken. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt da bin." brummte er mir angespannt ins Ohr. Ich schaute ihn gelassen an: „du hast nichts verpasst, Theo schläft immer noch.", „dann ist ja gut." Marco zwang sich zu einem Lächeln, doch ich merkte, dass etwas nicht stimmte und somit schrillten in mir alle Alarmglocken. „Ich gehe mich kurz umziehen." warf er in die Runde bevor drinnen verschwand. Seufzend blickte ich ihm hinterher.
„Bella" begann Marcos Mutter plötzlich: „Schade, dass du die letzten Sonntage nicht mit dem Kleinen und Marco mitgekommen bist zu uns, zum essen." Ich versuchte meine Verwirrung zu verstecken: „Wie meinst du?" hakte ich unschuldig nach. „Na, Marco sagte immer, dass du momentan so eingespannt seist auf der Arbeit und Sonntags deswegen immer mit Theo Zuhause bleiben wolltest." Ich stand total auf dem Schlauch und verstand nicht, wovon meine Schwiegermutter da gerade sprach. In mir ratterte es, solange, bis ich es endlich verstand. Marco hatte seinen Eltern gar nichts von unserer Beinamen Scheidung wegen seines Fehltritts erzählt. Ein wenig baff lehnte ich mich an die Stuhllehne hinter mir und fuhr mir überfordert durchs Haar. Doch gerade, als ich mir etwas passendes zurecht gelegt hatte, räusperte sich mein mies gelaunter Vater laut: „Das Bella nicht dabei war, lag weniger an ihr und mehr an eurem Sohn." brummelte er. „Papa, bitte-" schritt ich ein, doch Manuela unterbrach mich: „Wie meinst du das, Michael?" wollte sie von meinem Vater wissen. Dieser schaute mich entschuldigend an. Immer noch baff schaute ich zu Mats, der einfach nur schockiert seinen Kopf schüttelte und mich mitleidig anblickte. „Bella, wie soll ich das verstehen?" hakte Manuela weiter nach. Nun war ich diejenige, die sich räusperte: „Ma-Marco und ich, wi- wir standen kurz vor der Scheidung und-" begann ich loszustammeln. „Wie bitte?" rutschte es Melanie und Yvonne gleichzeitig heraus, als sie gerade durch die Gartentür stolperten. Die Blicke von Marcos Schwestern durchlöcherten mich beinahe: „Warum?" Yvonne fand als erstes ihre Stimme wieder. Mein genervter Blick wandte sich kurz an meinen Vater während ich innerlich förmlich nach Worten rang. Musste er das Thema heute losstoßen, am ersten Geburtstag meines Sohnes?
„Marco hat mich betrogen." flüsterte ich ganz heißer und schaute zu Boden. Es tat immer noch genauso weh, dieser Tatsache immer und immer wieder ins Auge blicken zu müssen. Auch war diese Wahrheit für mich noch immer eine riesige Zerreißprobe für mich und mein Selbstwertgefühl. Ich bemerkte, dass ich das Thema in den letzten Wochen ziemlich verdrängt hatte, anstatt es zu verarbeiten.
Es herrschte eine extrem unangenehme, kühle und vor allem schockierte Stille. Die Stimmung war wortwörtlich im Keller und das, obwohl ich mich so sehr auf diesen Tag gefreut hatte. Und jetzt?
„Guckt mal wer wach ist!" Marco kam glücklich mit Theo auf dem Arm auf die Terrasse. Er hatte ihm unglaublich niedliche Sachen angezogen und unser Kleiner hatte total rote Wangen vom Schlafen, so rot wie Marcos, wenn er Fußball spielte. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Warum hatte ich mich dazu drängen lassen, die Wahrheit hier einfach so unverblümt heraus zu posaunen, anstatt ihn als meinen Mann in Schutz zunehmen?
Vielleicht wollte ich ihn hinsichtlich dieses Themas gar nicht mehr in den Schutz nehmen?
Als niemand wirklich auf Marco und das Geburtstagskind auf seinem Arm reagierte, schaute er sich irritiert um und als sich unsere Blicke trafen, brachen bei mir letztendlich die Dämme. Ich konnte die sich anbahnenden Tränen nicht mehr aufhalten und stolperte an ohm vorbei ins Haus.

Optimisten - Marco ReusWhere stories live. Discover now