Thirtyfourth

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Nach der Abendpatrouille beendete Cedric seinen Dienst etwas früher, um wieder nach Allan schauen zu können. Nach dem Gespräch vom Mittag machte er sich noch immer Sorgen; er hatte in seinen Augen sehen können, wie sehr sich sein Freund zurückhalten musste, nicht doch zusammenzubrechen, obgleich er doch nur müde zu sein schien. Doch diese Müdigkeit in ihm schien tiefer zu greifen, als Cedric zu denken vermochte.

Allan's Tür stand einen Spalt breit offen, also sparte er sich das Anklopfen. „Al?", sagte er und streckte vorsichtig den Kopf ins Zimmer.
Allan stand am Fenster, reagierte jedoch nicht auf ihn. Erst auf den zweiten Blick fiel Cedric auf, dass er zitterte und sich seine Hände um den Sims klammerten.
Mit einem mulmigen Gefühl ging er auf ihn zu. „Hey", wisperte er sanft, streckte eine Hand nach ihm aus. Obwohl Allan ihm nun leicht den Kopf zuwandte, zuckte er dennoch kaum merklich bei der Berührung an seinem Arm zusammen.
Er sah die Tränen auf Allan's Wangen, hob die Hand, um sie zärtlich fortzuwischen. Aus dem Dunkel seiner Augen sah Allan ihn an, sog zitternd einen Schwall Luft ein. „Oh, Cedric...", hauchte er furchtvoll.
Cedric musste all seinen Mut zusammennehmen, um in Allan's Dunkel zu treten, legte kaum spürbar die Hände um seine Hüften. „Darf ich dich in den Arm nehmen?"
Als täten seine Worte ihm weh, verzog Allan das Gesicht und schloss die Augen, doch er ließ sich in seine Umarmung fallen und legte Cedric die Arme um die Schultern, hielt sich an ihm fest. Cedric schloss ebenfalls die Augen und streichelte beruhigend über seinen Nacken.
„Ich wollte dich eigentlich fragen, ob es dir besser geht", sagte Cedric leise, versuchte sich erfolglos an einem Lachen, „aber es scheint eher, als wärst du wieder in deiner Vergangenheit versunken."
Allan schluckte schwer. „Du hast recht", krächzte er dunkel, „und vielleicht... vielleicht sollte ich es einfach hinter mich bringen."
Verdutzt schob Cedric ihn ein Stückchen von sich, um sein Gesicht ansehen zu können. „Was genau?"
Ein trauriges Lächeln bildete sich auf Allan's Lippen. „Du solltest es wissen... wie es geendet ist. Du hast verdient zu wissen, was mich nach so langer Zeit noch immer zerfrisst. Vorausgesetzt, das möchtest du."
Cedric stockte. Nun wusste er auch, was Allan's Augen so pechschwarz färbte. „Natürlich, Al. Ich sagte dir doch, dass ich dir zuhören werde."
Allan lächelte wissend, und er umfasste Cedric's Gesicht, um ihn zu küssen. Etwas überfordert von diesem Gefühl, brauchte er eine Sekunde, um den Kuss zu erwidern und Allan noch etwas näher an sich zu ziehen. Er wollte, dass ihm wieder wärmer wurde, dass er sich nicht mehr fürchten musste, darüber zu sprechen.

Viel zu schnell löste Allan sich wieder von ihm und wandte den Blick ab. Cedric nahm seine Hände und zog ihn mit sich zu dessen Bett. Er legte seine Jacke und den Gürtel ab, streifte die Schuhe von den Füßen. Er hatte heute nicht mehr vor, Allan alleine zu lassen.
„Komm her." Er rutschte in die Bettmitte, klopfte auf den Platz neben ihm. Allan folgte ihm und ließ sich in seinen Arm ziehen.
Allan streckte die Hände aus, öffnete die ersten zwei Knöpfe an Cedric's Hemd und fischte die Kette heraus, welche er ebenfalls noch um den Hals trug. Er hielt sie beide in den Händen, strich mit dem Daumen über die Steine.
„Weißt du, Cedric", wisperte er kaum hörbar, ohne ihn anzusehen, „als ich dir vor siebzehn Jahren diese Kette schenkte, dachte ich niemals, dass du sie noch immer tragen würdest, wenn ich dich wiedersehe."
Cedric ergriff seine Hand und umschloss die winzigen Flügel in ihnen, sah Allan fest an. „Ich wusste, dass wir uns irgendwann wiedersehen würden. Wie könnte ich mit dieser Gewissheit in Ungnade verfallen und sie nicht mehr tragen? Ich lege sie niemals ab."
Langsam nickte Allan, ließ sich tiefer in die Kissen sinken. Er verschränkte ihre Finger miteinander und zog sie an seine Brust. „Mir wurde die Kette abgenommen, als ich im Krankenhaus landete. Ich bin froh, dass mein Kollege Sam wusste, wie viel sie mir bedeutet und sie sicher verwahrt hat bis ich sie wieder tragen durfte."
„Darüber bin ich ebenfalls froh", flüsterte Cedric wehmütig, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, „ich bin so froh, dass du überlebt hast und jetzt hier bist."
Allan schwieg eine ganze Weile lang. Er schlug die Augen nieder, nahm Cedric's Finger und führte sie zu seinen Rippen, wo noch eine dicke Narbe saß. „Das hier war viel gefährlicher. Und es tat so, so viel mehr weh."
Cedric schluckte schwer, rückte näher an ihn ran. „Woher... oder von wem...?"
Allan sah ihn direkt an, und in die altbekannte Angst mischte sich eine Spur der Wut und Furchtlosigkeit. „Jason", antwortete er klar und deutlich.
Sofort überkam Cedric eine Gänsehaut. Oh, wie sehr er diesen Namen doch hasste.
Er traute sich gar nicht, nachzufragen, und war froh, dass Allan den Mut hatte, es ihm einfach zu erzählen.

Nur du zählst...Donde viven las historias. Descúbrelo ahora