Eightteenth

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Seufzend beugte sich Allan über eine weitere Akte auf seinem Schreibtisch. Er hatte immer noch zwei große Stapel Papierkram zu bearbeiten, und da er die ganze Zeit nur an Cedric denken musste, konnte er sich überhaupt nicht konzentrieren und schweifte immer wieder ab.
Die Ohrfeigen, die er sich gedanklich alle paar Minuten verpasste, konnte er schon nicht mehr zählen.

Cedric hingegen suchte schon seit geraumer Zeit eine wichtige Akte, die er eigentlich im Polizeipräsidium abgeben sollte, und rannte wie blöd im Haus herum. Allan musste immer wieder schmunzeln, wenn er Cedric so gehetzt sah. Nicht, dass er schadenfreudig war, doch er fand es süß, wie zerstreut Cedric hin und wieder sein konnte. Es war genauso wie damals. Außerdem hatte jener seine Uniformjacke ausgezogen und die Ärmel seines blütenweißen Hemdes hochgerollt, was schon ziemlich gut aussah...
Konzentrier dich, du Idiot.
Allan strich sich genervt eine Haarsträhne aus der Stirn und starrte wieder hinunter auf seine Papiere. Er nahm sich einen Stempel, drückte ihn auf ein schwarzes Stempelkissen und setzte ihn dann aufs Papier. Schließlich legte er es zur Seite und lehnte sich seufzend im Stuhl zurück, nur um sich ein paar Minuten eine Pause zu genehmigen.
Er wusste nicht, wie lange er dagesessen und in die Luft gestarrt hatte, sondern nur noch, wie er aus dem Augenwinkel einen beigefarbenen Schemen erkannte, und dann Cedrics Stimme, die rief: „Allan, möchtest du auch einen Kaffee haben?"
Allan schrak zusammen und setzte sich sofort aufrecht hin. Entgeistert starrte er zur Tür, wo Cedric den Kopf durch den Türrahmen streckte und ihn fragend ansah. Seine hellblauen Augen blinzelten ihn gestresst, aber liebevoll an, wenn er sich da nicht allzu sehr täuschte.
Allan fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Gerne", lächelte er verlegen.
Auf Cedrics Lippen bildete sich ein Grinsen, und er verschwand wieder in Richtung Küche. Allan konnte hören, wie er Wasser aufsetzte, und lächelte leise vor sich hin. Er mochte die Tatsache, dass Cedric sich offensichtlich sehr um sein Wohlbefinden scherte.
Verdammt, dieser Kerl machte ihn wahnsinnig.
„Allan?"
Allans Herz setzte kurz einen Schlag aus, und erschrocken blickte er Cedric an, welcher direkt vor ihm stand und ihm eine Kaffeetasse vor die Nase hielt. Er grinste schelmisch.
Wie lange hatte Allan wohl so dümmlich lächelnd dagesessen, während Cedric ihn beobachteten konnte?
Mit roten Wangen nahm Allan seine Tasse entgegen. „Danke", murmelte er leise.
Cedric lehnte sich schmunzelnd an die Kante von Allans Tisch und zwinkerte ihm zu. „Immer doch, Al."
Ein Schauer lief über Allans Rücken, und er verbarg sein Gesicht hinter seiner Kaffeetasse. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete Cedric nachdenklich.
„Du bist der einzige, der mich so nennt", murmelte er schließlich, das Herz Läufer eines Marathons, und beobachtete, wie Cedrics Wangen sich leicht färbten.
Wie süß.
„Findest du es schlimm?", hakte Cedric leise, gefasst nach, ohne ihn anzusehen, doch seine Muskeln spannten sich merklich an.
„Keineswegs", erwiderte Allan ruhig, obgleich in ihm ein Chaos aus Gefühlen und Erinnerungen herrschte. „Ich wundere mich nur, warum."
Cedric zuckte die Schultern. Dieses Mal schaute er ihn an, doch in seinen blauen Augen lag ein Zögern. „Ich finde einfach, dass es zu dir passt."
Allan lächelte milde. Er trank einen Schluck Kaffee, dann schaute er Cedric direkt in die Augen. „Danke, schätze ich."
Cedric erwiderte sein Lächeln leicht belustigt. Er hob eine Braue. „Schätze ich?"
Allan lachte heiser auf und fuhr sich durch die Haare. Er konnte ja nun nicht sagen, dass er eine andere Antwort erhofft hatte, oder? Es würde so peinlich werden, wenn Cedric sich nicht erinnerte.
Und das tut er gewiss nicht.

Bevor er die Gelegenheit hatte, irgendetwas zu erwidern, klingelte es an der Haustür. Allan zuckte zusammen.
Cedric schnaubte genervt auf und stellte seine Tasse auf Allans Tisch ab. „Wer ist das denn nun wieder?", brummte er mies gelaunt. Mit großen Schritten stapfte er zur Tür und riss sie schwungvoll auf. Dahinter tauchte ein erschrocken dreinblickender Postbote auf.
„Äh-ähm, guten Morgen, Mr. Lahey", stammelte er. „Schon wieder... Post."
Cedric schaute ihn leicht entgeistert an. Allan beobachtete ihn mit zusammengezogenen Brauen, da er leider nicht genau erkennen konnte, was der Bote da in den Händen hielt.
Cedric verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Können Sie das Ding nicht wieder mitnehmen?", fauchte er genervt.
„Diese Frau killt mich, wenn ich sie Ihnen wieder nicht überbringe!", rief der Bote entsetzt. Er drückte Cedric übereifrig etwas in die Hand, was sich, überraschenderweise, als einen großen Strauß Rosen herausstellte. „Schönen Tag noch, die Herren!", rief der Postbote eiligst. Dann waren laute, rasche Schritte zu hören.
„Wilson!", rief Cedric ihm empört hinterher. Dann schlug er sich ächzend die Hand auf die Stirn und schüttelte den Kopf. „Was ein Feigling..."
Allan starrte die Blumen an, die offensichtlich eine Frau an ihn gesendet hatte, und das wohl nicht zum ersten Mal. Die Vorstellung, dass sich irgendeine Frau an Cedric ranmachte, brachte Allan auf seltsam eifersüchtige Art und Weise um.
„Was war das gerade?", brachte er leise hervor. Noch immer starrte er Cedrics Hand an, welche mit starkem Griff den Strauß umklammert hielt.
Cedric schnaubte abermals. Er knallte die Tür laut zu, und Allan schrak zusammen. Erschrocken blickte er zu ihm hoch und starrte in seine blauen Augen.
Etwas wehmütiges schlich sich in sie hinein. Cedric seufzte auf und rieb sich den Nacken. Ohne ihn anzusehen, ging er langsamen Schrittes zu seinem eigenen Schreibtisch und pfefferte die Rosen auf die Arbeitsfläche. „Heimliche Verehrerinnen", sagte er verächtlich. „Wobei, heimlich trifft es nicht ganz." Er drehte sich wieder um, blickte Allan direkt an, und lehnte sich mit verschränkten Armen an seinen Schreibtisch. Das war wohl eine seiner Lieblingspositionen; sich irgendwo anlehnen, sodass Allan den Blick nicht mehr von ihm reißen konnte, ob er wollte oder nicht.
Und er wusste nicht einmal, ob er den Blick von Cedric abwenden wollte oder ihn weiter anstarren wollte wie ein kranker Stalker.
„Was trifft es dann?", hakte er schließlich leise nach.
„Ich kenne diese Frau", knurrte Cedric. Er verdrehte entnervt die Augen. „Genauer gesagt, das ganze Dorf kennt sie. Und das ganze Dorf weiß auch, dass sie total in mich verschossen ist..." Er wischte sich mit der Hand übers Gesicht, und Allan beäugte ihn unschlüssig. In ihm wallte Eifersucht auf, und er versuchte energisch, sie zu verdrängen.
„Immer wieder schickt sie mir diese dämlichen Blumen", meinte Cedric genervt. „Mindestens ein Mal im Monat. So langsam ist es einfach nur noch lästig."
„Magst du sie denn nicht?", fragte Allan zaghaft. Er wollte es eigentlich nicht genau wissen, doch er hoffte so sehr auf ein Nein, dass er diese Frage einfach stellen musste.
Cedric lachte auf. Er schüttelte energisch den Kopf. „Oh Gott, nein!", rief er aus und sah dabei aus, als hätte Allan ihm eine banale Straftat unterstellt. „Warum sollte ich denn?"
Allan lachte heiser. Er fühlte sich nicht gerade wohl, obgleich dieses entsetzte Nein ihn hätte erleichtern sollen. Doch das tat es nicht.
„Wenn sie dich doch ganz offensichtlich anhimmelt?", fragte er leise und zuckte die Schultern. Ein wackliges Lächeln klebte auf seinen Lippen wie angekokelter Zucker.
Cedric blickte ihn erstaunt an, doch schließlich seufzte er auf. Allan quittierte seinen mitleidigen Blick mit einem Stirnrunzeln. „Was denn?", protestierte er schwach, „gib ihr doch eine Chance, wenn sie dich liebt."
„Himmel, Al", lachte Cedric amüsiert. „Ich bin schwul. Ich steh nicht auf Frauen."
Allan zuckte zusammen und blickte ihn überrascht an. Er hatte es also zugegeben? Obgleich er es früher nie getan hatte, zumindest nicht in diesem Wortlaut?
„Was denn?", fragte Cedric leise, und in seinen hellen Augen spiegelte sich Nervosität.
Allan schluckte schwer. „Nichts." Er brachte ein zaghaftes Lächeln zustande. „I-ich..."
Cedric blickte ihn fragend an, und Allan hielt es nicht aus. Er starrte hinunter auf seinen Arbeitsplatz und bemerkte dabei verwirrt, dass er noch immer seine Kaffeetasse umklammert hielt.
„Allan?"
Cedrics Stimme durchdrang die Stimme sowohl mit Sorge als auch mit einer Zärtlichkeit, die überhaupt nicht in diese peinliche Situation passte. Allan schloss kurz die Augen und schauderte, und er war sich sicher, dass Cedric es bemerkte. Er lachte leise, öffnete die Augen und blickte ihn an.
Ich liebe dich...
Allan atmete tief durch. Er zuckte gespielt leichtherzig die Schultern. „Ach, ich bin auch schwul, also kein Grund zur Sorge."
Cedric blickte ihn einen Moment lang ungläubig an, doch dann grinste er schelmisch. „Wie schön", raunte er mit tiefer Stimme und zwinkerte ihm zu. Er stieß sich elegant von seinem Schreibtisch ab und lief gemächlich Richtung Haustür. Ganz offensichtlich Patrouillenzeit. Allan fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare. Am liebsten wäre er mitgegangen, doch er wagte es nicht, darum nachzufragen.
Cedric schlüpfte elegant in seine Uniformjacke. Allans Blick hing dabei die ganze Zeit auf seinem breiten Kreuz, dessen Bewegungen er hervorragend unter dem beigefarbenen Stoff ausmachen konnte.
Cedric drehte sich zum ihm herum. Noch einmal warf er Allan einen Blick zu und lächelte sanft, sodass Allan dahinschmolz wie Eis in der Sonne. Cedric zwinkerte ihm zu. „Dann bin ich immerhin nicht mehr alleine in diesem verkorksten Dorf."

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