Twentythird

843 66 5
                                    

Trigger Warnung: Erwähnung häuslicher/körperlicher Gewalt.

Regen prasselte unerbittlich auf Cedric nieder, als er mit grimmigem Gesichtsausdruck durch die Straßen stapfte, den Hut tief ins Gesicht gezogen und die Fäuste in den Taschen seiner Jacke vergraben. Seine Laune glich dem Wetter, das seit Mittag über Josephina Hill eingeschlagen hatte.
Die Sorge, dass er keinen Weg finden würde, Allan zu helfen, frustrierte ihn ungemein, und am liebsten hätte er einfach irgendetwas kurz und klein geschlagen.
Wenn er gekonnt hätte, hätte er einfach Allans Vergangenheit verändert, oder ihm zumindest all diese schrecklichen Erinnerungen genommen. Das Schlimmste daran war, dass er nicht einmal alles kannte. Allan war mit seinen Eltern verschwunden, als er 15 gewesen war, hatte Cedric allein gelassen mit der Angst, dass Allan möglicherweise sterben konnte, wenn er nicht da war um ihn zu beschützen.
Er wusste nicht, was Allan während dieser Zeit wohl alles passiert sein musste. Er wusste bloß, dass es Schlimmes gewesen sein musste. Viel schlimmer als das, was er sich vorstellen konnte. Er hatte vielleicht noch nicht so viel erlebt wie Allan als Großstadtpolizist, doch selbst als Sheriff auf dem Land konnte er sich noch ausmalen, wie sehr Allan litt. Er konnte es sehen, hören, fühlen.
Und er konnte nichts dagegen tun.

Cedric steuerte auf eines der kleineren Bauernhäuser zu, welches an eine weitläufige Weide für Kühe angrenzte. Er öffnete das kleine Tor am Vorgarten und lief den Kiesweg hinauf zur Veranda. Kurz zögerte er, wusste nicht, ob er wirklich darüber reden wollte, doch dann fasste er sich ein Herz und marschierte zur Haustür. Sie war weiß gestrichen neben all dem Dunkelrot des Hauses, und ein ovales Schild mit dem Namen „Hanks" wies auf den Besitzer des Grundstücks an.

Cedric atmete tief ein und aus. Dann klopfte er an und wartete.
Sein Herz raste. Seine Gedanken hingen bei Allan. Die Gefühle in ihm spielten verrückt. Nervös nestelte er an dem Knopf seiner Hosentasche herum.
Von drinnen erklangen Schritte. Schwere Stiefel, etwa Größe 44— Gottverdammt, das waren keine Ermittlungen, warum konzentrierte er sich darauf, wer ihm die Tür aufmachen würde? Er wusste es doch ohnehin schon.
Der Türknauf drehte sich, und dann öffnete ein hochgewachsener Mann mit feuerroten Haaren und einem passend roten Holzfällerhemd die Tür. Ein Grinsen wuchs auf seinen Lippen, als er Cedric erblickte, doch sobald er dessen grimmigen Gesichtsausdruck registrierte, hob er fragend die Brauen.
„Hey Cedric", sagte er. Seine Stimme war tief, unergründlich. „Ich hab doch nichts angestellt, oder?"
Cedric lachte freudlos. Er schüttelte den Kopf, nahm gewohnheitshalber seinen Hut ab und lächelte Tony Hanks, seinen alten Schulfreund, milde an. „Nein, keine Sorge. Hast du ein wenig Zeit?"
Tony runzelte die Stirn, trat aber einen Schritt zur Seite, um Cedric ins Haus zu lassen. Sofort schlug Cedric der Duft von backendem Brot entgegen.
Tony schloss die Tür hinter ihnen. „Was ist passiert, Mann?", fragte er verdattert. „Du siehst aus, als hättest du einen Mord beobachtet."
Cedric schnaubte. Ohne ihn anzusehen, stopfte er die Hände in die Taschen und verzog das Gesicht. „Nein, zum Glück nicht", erwiderte er leise, „aber gefühlsmäßig kommt es dem ziemlich nahe."
Tony legte ihm eine Hand– oder besser gesagt, Pranke– auf die Schulter. „Hört sich nicht gut an, Kumpel. Komm, wir gehen in die Küche und dann erzählst du mir genau, was mit dir los ist, einverstanden?"
Cedric nickte langsam. Er ließ sich von Tony den Flur entlang zur Küche führen.
Dort angelangt, setzte er sich auf einen der Hocker, die um die Kücheninsel herumstanden und legte seinen Hut neben sich ab. Währenddessen beobachtete er, wie Tony zum Kühlschrank ging, nur um ihn zu öffnen und sich dann mit fragendem Blick zu Cedric umzudrehen. „Willst du auch ein Bier haben?"
Cedric schüttelte den Kopf. „Nein, danke", winkte er ab, „ich bin noch im Dienst."
Tony zuckte die Schultern und genehmigte sich selbst eines. „Gut, dann gibts mehr für mich."
Cedric schmunzelte leicht. Er war ohnehin kein Trinker, also machte es ihm nichts aus. Wenn er schon an den Geschmack von Alkohol dachte, sah er sofort wieder Jason Dearing vor sich, stockbesoffen, verlogen, gewalttätig.
Langsam rutschte ihm das Lächeln von den Lippen.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now