Twentyseventh

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Es wurde bereits dunkel, als Cedric und Allan sich dem noch hell erleuchteten Haus in der Park Lane 31 näherten, im Schlepptau zwei Sanitäter und drei Polizisten von der Wache. Sie beide führten die Truppe stumm an, alle angespannt in dieser Situation. Allan hatte bereits mit knappen Worten erklärt, was vorgefallen war, und der Rest würde sich mit Mrs. Spencer klären.
Allan spürte, dass Cedric immer wieder besorgt zu ihm blickte. Doch er brachte es nicht über sich, seinen Blick zu erwidern, aus Angst, er könne in Tränen ausbrechen. Sein Herz pumpte mehr Blut durch seine Adern, als gesund für ihn war, die Anspannung wich nicht aus seinen Gliedern, und er hatte Schwierigkeiten, sich von all den toxischen Gedanken in seinem Kopf abzukapseln.
Du hast es verdient...
NEIN!
Hör auf dich zu wehren!
Du tust mir weh...

Eine Hand streifte die seine, und dieses Mal konnte er nicht umhin, Cedric einen flüchtigen Blick zuzuwerfen. Er fragte sich, ob er denselben gequälten Ausdruck in seinen Augen trug. Schnell wandte er sich ab.
Mrs. Spencer wartete wie aufgefordert vor ihrem Haus, neben ihr eine weitere aufgelöste Frau, welche sich an ihren Arm klammerte und sich immer wieder in ein seidenes Taschentuch schnäuzte. Die Truppe Beamter blieb direkt vor den beiden stehen, Cedric und Allan an der Spitze.
„Guten Abend, Mrs. Spencer", begrüßte Cedric die Melderin förmlich und nickte ihrer Begleiterin – ganz offensichtlich ihre Schwester – zu.
„Hallo Officers", erwiderte Mrs. Spencer mit brüchiger Stimme.
„Bevor wir mit der Suche beginnen, haben Sie Ihren Ehemann erreichen können?", fragte Cedric.
Die Frau schüttelte bedauernd den Kopf. „Er ist genauso verschwunden wie mein Sohn."
Cedric tauschte einen kurzen Blick mit Allan. „Nun, ich denke, das Auffinden Ihres Sohnes hat größere Prioritäten, also sollten wir damit anfangen", meinte er dann. „Es wäre hilfreich, wenn Sie uns sein Aussehen beschreiben könnten."
Mrs. Spencer nickte eifrig, und alle notierten sich die knappe Beschreibung von Clark Spencer; 17 Jahre alt, dunkle Haare, helle Haut, schlank, 1,79m groß, roter Hoodie und eine normale Jeans. Allan fühlte sich beinahe unfähig, den Stift gescheit übers Papier zu führen, das Bild des Jungen brannte sich schmerzhaft in sein Gedächtnis ein, und das Schlimmste war, dass er sich nicht ausmalen konnte, wie er wohl wirklich aussehen würde, sobald sie ihn fänden.
Cedric ergriff abermals das Wort. „Mrs. Spencer, für Sie und Ihre Begleitung ist es zu gefährlich, um zu dieser Uhrzeit mit in den Wald zu gehen. Bitte bleiben Sie also im Haus und lassen niemanden rein. Am besten nicht einmal Ihren Ehemann, denn wer weiß schon, ob er wieder handgreiflich wird, sobald er auftaucht."
Mrs. Spencer blickte ihn geschockt an, doch dann nickte sie langsam. Ihre Hand schlang sich fester um die ihrer Schwester. „Bitte finden Sie Clark", flehte sie schwach.
„Wir geben unser Bestes", lächelte Cedric aufmunternd.
„Gehen Sie bitte ins Haus", bat Allan tonlos. Mrs. Spencer und ihre Schwester machten sich ergeben auf in ihr Haus und verriegelten die Tür. Allan schaute ihnen hinterher. Schließlich wandte er sich zusammen mit Cedric zu den Kollegen um und schaute sie mit ernstem Blick an. Er überließ es Cedric, die Anweisungen zu verteilen.
„Um bessere Chancen zu haben, Clark zu finden, werden wir uns aufteilen", meinte dieser, „zwei gehen mit einem Sani und die anderen beiden zusammen. Dearing und ich übernehmen die dritte Gruppe.
Im Westen des Waldes sind vereinzelt Höhlen zu finden. Die Wege sind sehr steil und verzweigt, also geht ihr am besten zu dritt.
Im Osten ist der Wald etwas lichter, aber wenn sich der Junge verstecken möchte, ist es wahrscheinlicher, dass er sich nicht Richtung Norden aufhalten wird, wo sehr große Lichtungen sind. Also werden Dearing und ich in den Norden ziehen und der Rest in den Osten.
Er ist hochallergisch gegen Tierhaare, es könnte also sein, dass er bereits eine allergische Reaktion hatte und dringend medizinische Hilfe benötigt, zumal er ohnehin durch körperliche Gewalt verletzt sein könnte. Wir müssen ihn schnell finden, damit er nicht weiteren Gefahren ausgesetzt wird."
„Geht klar, Boss", nickte einer der Polizisten.
„Auf geht's."

Die Gruppe machte sich auf und lief den Weg am Haus der Spencer's vorbei auf den Wald zu. Sie schalteten ihre Taschenlampen ein und ließen deren zitternden Schein über verkrüppelte Bäume und hohe Gräser tanzen. Allan lief dicht neben Cedric her, das Herz klopfte ihm bis zum Hals, und noch unruhiger wurde er, als sich die anderen Gruppen verabschiedeten und langsam im Dickicht verloren gingen.
Er hatte als Kind Stunden damit zugebracht, im Wald zu weinen und sich vor seinem Vater zu verstecken. Und nun musste er einen Jungen finden, der dasselbe durchmachte wie er.
Allerdings war es damals nicht dunkel gewesen.
Ein Schauer lief über seinen Rücken. Ein leiser Fluch entwich seinen Lippen, und er ließ seinen Blick über nicht gerade hübsch ausschauende Sträucher und Bäume wandern. Überall hörte er ein leises Rascheln, kleine, blitzende Augen starrten ihn an, der Weg war holperig und es war eiskalt.
Nimm dich zusammen. Du bist ein verdammter Cop!
„Cedric?", wisperte er leise.
„Hmm?" Er spürte seinen fragenden Blick auf sich liegen.
Allan schluckte schwer. Tränen der Verzweiflung sammelten sich in seinen Augen. „Du hattest recht. Ich gehöre hier nicht hin."
Cedric fasste sanft nach seiner Hand, und er schrak zusammen. „Möchtest du zurückgehen?", fragte Cedric besorgt.
Widerwillig schüttelte Allan den Kopf. „Es ist meine Aufgabe, Clark jetzt zu finden", entgegnete er. „Ich... ich denke nur, dass es für mich emotional nicht gut enden wird."
Cedric seufzte leise. Er drückte Allan einen kleinen Kuss auf die Wange und drückte seine Hand. „Ich bin da, Allan. Du musst dir keine Sorgen machen."
„Doch, das muss ich", erwiderte Allan gequält. „Und zwar um Clark. Der Junge könnte ernsthaft verletzt sein. Wir müssen ihn so schnell es geht finden."
Die beiden stiegen über einen umgestürzten Baumstamm auf dem Weg hinweg. Cedric hielt Allans Hand fest in der seinen und half ihm darüber, obgleich das überhaupt nicht nötig war, doch allein die Geste ließ Allans Herz höher schlagen, ob vor Angst oder Rührung wusste er nicht.
„Ich weiß", sagte Cedric schließlich, als sie weitergingen. „Wir machen uns alle Sorgen, vergessen? Aber wir müssen jetzt rational denken, um ihn finden zu können."
„Natürlich", murmelte Allan halb abwesend und ließ dabei seinen Blick durch die Dunkelheit schweifen. Der Schein seiner Taschenlampe tänzelte verzweifelt durch die Schatten der Nacht.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now