Fifth

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Allan und Cedric arbeiteten sich den ganzen Tag bis zum Abend durch das Meer aus Papier.
Die meiste Zeit schwiegen sie sich an, wenn Cedric von seinen zwei täglichen Patrouillen wiederkam, beide fokussiert auf die Stapel auf ihren Schößen. Manchmal redeten sie. Smalltalk eben, das übliche. Allan erfuhr, dass Cedric seit er 23 war in Josephina Hill arbeitete. Wilde Schießereien hatte es hier noch nie gegeben, höchstens, wenn die Leute im Wald auf Entenjagd waren. Diese war begrenzt erlaubt, ansonsten wurde jegliche Art von Wilderei mit einer hübschen Summe Geld oder einer kurzen Inhaftierung bestraft. Cedric hatte schon einige Wilderer festgenommen.
Grundsätzlich bestand Cedrics Arbeit wohl aus Patrouillenläufen, Festnahmen, Befragungen von Zeugen oder Verdächtigen und Beschlagnahmung von Beweismitteln. Keine Mafiabanden, kaum Morde, Drogenrazzias beschränkten sich auf wagemutige Jugendliche, keine wilden Verfolgungsjagden durch die Dunkelheit.
Obwohl Cedric zufrieden mit seiner relativ ruhigen Arbeit schien, hörte er aufgeregt Allans Berichten seiner bisherigen Fälle zu. Er schien das Leben eines Polizisten, der schon einige Schwerverbrecher, Mörder und Mafiabosse festgenommen hatte, unheimlich interessant zu finden und saugte die Informationen in sich auf wie ein Schwamm das Wasser.
Insgesamt hätten sie beide wohl gerne von Anfang an die Jobs getauscht, doch sie wussten, dass sie ihre Berufung längst gefunden hatten.
Allan war sich allerdings noch nicht ganz sicher, ob er lieber Großstadtpolizist gewesen war oder lieber Hilfssheriff sein würde.
Wenn man bedachte, dass er dann immerhin Cedric Laheys Hilfssheriff sein würde, klang diese Aussicht schon ganz schmackhaft.

„Deine Aufgaben werden wohl hauptsächlich im Büro stattfinden", hatte Cedric schließlich erzählt. „Alles, was Lucas nicht mehr macht. Der ganze Papierkram, vielleicht einige Patrouillen, Anrufe, Berichte schreiben und so weiter." Dann lächelte er. „Aber viel wirst du ohnehin nicht verpassen."
Allan hatte gelacht, doch irgendwie hatte ihn dieser Name, Lucas, gestört. Er fragte sich, ob er bloß eifersüchtig war, weil dieser Kerl einige Jahre mit Cedric zusammengearbeitet hatte, oder ob bei seiner Schussverletzung sein Kopf vielleicht doch mehr als gedacht abbekommen hatte.
Gegen halb neun war schon fast die ganze Arbeit getan. Allan musste langsam aufstehen, damit ihm nicht schon wieder schwarz vor Augen wurde. Cedric reichte ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen, und sie standen so dicht beieinander, dass Allan den Geruch von Wald, Küche und Duschgel wahrnehmen konnte.
Er hoffte inständig, dass er nicht rot anlief.
Cedric ließ ihn los. Sofort wandte er sich sofort um und setzte sich an seinen Schreibtisch.
„Mein Magen knurrt", meinte Cedric. Er stützte sich mit den Händen an der Kante des Tisches auf. „Ich denke, es wird Zeit fürs Abendessen. Irgendwelche Allergien?"
Allan schüttelte den Kopf. Er blickte ihn neugierig an. „Kochst du gerne?"
„Ja." Cedric lachte auf und rieb sich den Nacken. Allan versuchte, ihn nicht zu auffällig anzustarren und merkte, wie er dachte Das ist wundervoll, doch er wusste nicht, ob er Cedrics Anblick oder die Tatsache, dass er gerne kochte, meinte. Er zuckte kaum merklich zusammen und verpasste sich in Gedanken selbst eine Ohrfeige.
Er merkte, wie sich sein Herz wieder beschleunigte, als er Cedrics Lächeln beinahe schüchtern erwiderte, und blickte dem Mann hinterher, als er das Büro verließ. Dann vergrub er das Gesicht in den Händen und verpasste sich eine weitere Gedanken-Ohrfeige.

~

Cedric versuchte, nicht aus dem Büro zu fliehen, und ging stattdessen gezwungen gemächlich, mit den Händen in den Taschen, zur Küche und schloss dabei nicht gerade galant die Küchentür hinter sich, obgleich sie ihn wegen der großen Glasscheibe wohl kaum vor anderer Leute Blicke schützen würde.
Besonders nicht vor Allans Blicken.
Er fragte sich, ob er es sich bloß einbildete, oder ob Allan ihn wirklich förmlich anstarrte. Auf der einen Seite hoffte er es irgendwie, denn das könnte heißen, dass Allan seine Gegenwart genoss... allerdings, wahrscheinlich war dem ohnehin nicht so.
Er schüttelte missbilligend den Kopf und machte sich daran, Töpfe und Lebensmittel fürs Abendessen herauszusuchen. Er würde Spaghetti mit selbst gemachtem Pesto kochen, einfach und schnell.
Das Kochen brachte ihn ein wenig auf andere Gedanken. Er setzte Wasser für die Nudeln an und schlüpfte dann aus seiner Uniformjacke. Er krempelte sich die Ärmel seines weißen Hemdes hoch und machte sich an die Zubereitung des Pestos. Ein herrlicher Duft erfüllte die Küche, und er musste lächeln.
Der Duft schien Allan anzulocken, denn Cedric zuckte zusammen, als er hörte, wie vorsichtig die Tür geöffnet wurde. Er stand da, mit der Pfeffermühle in der Hand, und blickte sich zu Allan um.
„Hey..." Allan fuhr sich verlegen mit der Hand durch die Haare und blickte ihn mit diesen dunklen Augen an, an die er sich auch nach so langer Zeit noch so gern erinnerte. „Es riecht lecker hier. Darf ich reinkommen?"
Cedric grinste ihn an. „Natürlich doch."
Allan lächelte und setzte sich an den Tisch. Cedric versuchte, locker weiterzumachen und sich nicht von seiner Anwesenheit durcheinander zu bringen.
„Du schaust nicht aus, als würdest du gerne am Herd stehen", sagte er schließlich, was mehr eine Feststellung als Frage war.
„Nein", lachte Allan. „Ich verstehe mich höchstens auf die Kunst, die Küche nicht in Brand zu setzen, wenn ich ganz genau aufpasse."
Cedric lachte auf. „Wie gut, dass wenigstens einer hier kochen kann."
„Wo hast du kochen gelernt?", fragte Allan neugierig.
„Meine Großmutter hat mich für die Küche fasziniert", erwiderte Cedric lächelnd. Er goss das Nudelwasser ab. „Sie ist eine großartige Köchin. Die Leute kommen förmlich angeschwebt, wenn sie auf Festen ihre Gerichte und Kuchen anbietet."
„Lebt sie auch hier?"
Cedric nickte. „Sie war es, die mich dem ehemaligen Sheriff vorgestellt hat, als ich vor elf Jahren hier anfing. Beide großartige Menschen." Er lächelte Allan über die Schulter hinweg an, und Allan erwiderte es.
„Dann müssen sie dich wohl sehr geprägt haben, nicht wahr?", fragte er.
„Exakt." Cedric stellte zwei Holzbretter auf dem Tisch ab und dann die Töpfe. „Frederick Hawkins, so hieß der alte Tausendsassa", meinte er. „Ein Teufelskerl mit scharfem Verstand und hunderten Lebensweisheiten. Er lebt schon einige Jahre nicht mehr, aber seine Gegenwart war immer ein Segen."
„Das tut mir leid", meinte Allan zaghaft und strich sich mit der Hand durch die Haare.
„Ach, ist schon in Ordnung", winkte Cedric ab. Er stellte Geschirr und zwei Glasflaschen mit Wasser auf den Tisch. „Der Mann hat praktisch ewig gelebt. Ich bin froh, dass er am Ende friedlich eingeschlafen ist und ich bei ihm sein konnte."
Allan nickte. Cedric lächelte ihn an, und er hob langsam die Mundwinkel.
Die beiden aßen schweigend ihr Abendessen, und Allan meinte, er habe noch nie so gutes Pesto gegessen. Cedric konnte den Stolz in seiner Stimme kaum verbergen, als er sich bedankte, und sie blickten sich kurz lächelnd an, bevor Allan wieder den Blick abwandte.
War Allan da gerade rot geworden? Cedric blickte aus dem Fenster auf den rötlich werdenden Himmel und schob sich gedankenverloren eine Gabel Nudeln in den Mund. Nein, wahrscheinlich hatte er es sich bloß eingebildet.
Dennoch erfreute ihn dieser Gedanke irgendwie, und er fragte sich, was das wohl wirklich bedeutete.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now