Thirtysecond

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Trigger Warnung: Depressive Phasen, Aggressivität, Flashbacks

Allans Schlaf wurde von unverständlichen Worten und einem Kitzeln an seiner Wange unterbrochen, daneben ein scharfer Schmerz in seiner Brust. Mit einem gequältem Ächzen schlug er die Augen auf und blinzelte in grelles Sonnenlicht.
„Allan?"
Cedrics Stimme drang dumpf zu ihm durch, und schließlich konnte er dessen Gestalt neben ihm an der Bettkante sehen.
Der Schmerz in seiner Brust ließ nicht nach. Entnervt rieb er sich übers Brustbein und versuchte, das recht schnelle Pochen dahinter zu ignorieren. Das konnte ja noch heiter werden. „Gottverdammt..."
„Hast du Schmerzen?", fragte Cedric besorgt.
„Ganz offensichtlich", brummte Allan missmutig.
Cedric seufzte. Plötzlich legte sich seine Hand auf die Allans und drückte jene leicht. Allan gab sich alle Mühe, nicht zusammenzuzucken, und setzte sich hastig auf. Das war allerdings keine besonders gute Idee, denn sofort wurde seine Sicht in eine dicke Schwärze getaucht.
„Langsam, Süßer", ertönte Cedrics Stimme. „Vielleicht solltest du liegen bleiben und dich weiter ausruhen."
„Nein, es geht schon", winkte Allan schwach ab und blinzelte heftig. Er gab es ungern zu, doch Cedrics Nähe brachte ihn gerade noch mehr aus der Bahn. Es half ihm überhaupt nicht, dass Cedric an seinem Bett saß, die Uniformjacke auf dem Schoß, mit diesem besorgtem Blick im Antlitz, während er selbst mit seinem Herz zu kämpfen hatte und noch kein Oberteil trug.
Ihm ging es nicht gut, das wussten sie beide, doch Allan war nicht gewillt, darüber zu reden, geschweige denn, sich bemuttern zu lassen.

Er hatte ein schlechtes Gewissen. Er wollte Cedric nicht wegstoßen, doch er fühlte sich nicht in der Lage, ihn gerade an sich ranzulassen. Er wich seinem Blick aus, schwang seine Beine auf der anderen Seite aus dem Bett und wischte sich müde übers Gesicht.
„Al..."
Er hörte Cedric übers Bett klettern, bis er neben ihm saß. Sürte seinen Blick auf sich liegen, doch er starrte mit mahlendem Kiefer zu Boden.
Zaghaft legte sich Cedrics Hand auf seinen Oberschenkel. Erschrocken sog Allan einen Schwall Luft ein, pechschwarze Erinnerungen schossen durch seinen Kopf, und ohne darüber nachzudenken schob er Cedrics Hand weg und sprang auf. Ohne ein weiteres Wort marschierte er aus seinem Zimmer, direkt zum Bad. Er schmiss die Tür hinter sich zu. Sein Atem rasselte, das Herz schlug ihm schmerzhaft bis zum Hals, und er griff sich verzweifelt an die Brust.
Verdammte Schmerzen.
Verdammte Vergangenheit.
Verdammte Liebe.

„Allan? Darf ich reinkommen? Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken."
Allan antwortete nicht. Schwer atmend trat er ans Waschbecken. Seine Hände zitterten, als er den Hahn bis zum Anschlag aufdrehte und brühend heißes Wasser herausschoss. Er fluchte. Wütend stellte er kaltes Wasser ein und klatschte sich welches davon ins Gesicht. Dann stützte er sich mit den Fäusten auf dem Waschbeckenrand ab, sodass sich seine Haut rötlich über seine Knöchel spannte. Sein bleiches, frustriertes Spiegelbild schnaubte ihm zu. Nasse Strähnen hingen ihm in die Stirn.
Wie er es hasste. All das.
Er schloss die Augen.
Am liebsten wäre er eingeschlafen und nie wieder aufgewacht.
Er hatte nicht gehört, wie die Tür aufgegangen war, doch er hörte die leisen Schritte von Cedrics Stiefeln auf den Fliesen. Cedric blieb direkt hinter ihm stehen, sein Atem streifte federleicht seinen nackten Rücken. Cedrics Finger legten sich zaghaft auf sein rechtes Schulterblatt, fuhren in kalten, zittrigen Linien über seine Haut und Narben. Allans Muskeln spannten sich an. Er öffnete die Augen, begegnete seinem Blick im Spiegel.
„Tu das nicht", hauchte er kalt.

~

Cedric kannte diese Zustände. Er wusste, dass Allan depressive Phasen hatte und jene schon einmal zu starkem Frust und Aggressionen führen konnten. Dennoch verletzten ihn diese Worte, diese Kälte in seiner Stimme, die Wut in seinen Augen, welche jene um ein Vielfaches dunkler erscheinen ließ.
Sie veränderten Allan. Machten einen anderen Menschen aus ihm. Es tat weh. Es tat weh, Jason in diesem Verhalten zu erkennen.
Dieser Mann hatte nichts in Allans Erscheinung zu suchen.

Cedric atmete tief durch. Er entschied sich, gleich aufs Ganze zu setzen. Er erwiderte Allans Blick ohne mit der Wimper zu zucken, und ließ die Hand auf seinem Rücken ruhen. Allan schloss die Augen und presste, um Beherrschung bemüht, die Lippen zusammen.
„Ich weiß, dass es dir nicht gut geht", begann Cedric sanft. „Al, vertrau mir bitte. Ich will dir nur helfen. Beruhige dich, lass mich dir helfen, dann wird es gleich besser."
Allan schnaubte bloß. „Du solltest wirklich loslassen."
„Ich will bloß, dass du weißt, dass ich hier bin, verstehst du?", erwiderte Cedric zerknirscht.
„Ich will allein sein", knurrte Allan.
„Ich lasse dich ganz sicher nicht in diesem Zustand alleine", entgegnete Cedric streng.
„Ich bin sicher, es gibt genug Arbeit unten", lachte Allan bitter.
„Allan", mahnte Cedric. „Ich meine das ernst. So kann ich dich nicht alleine lassen."
Ruckartig fuhr Allan herum und schlug seine Hand weg. „Und ich meine das auch ernst", fauchte er. Cedric starrte entsetzt in verzweifelten Jähzorn tief in Allans dunklen Augen.
„Lass mich einfach in Ruhe", flehte der Jüngere. Tränen strömten aus seinen Augen, und er wischte sie wütend fort. „Ich will allein sein. Bitte, Cedric."
Cedric schüttelte fassungslos den Kopf. Er war nicht gewillt, einfach zu gehen, als interessiere es ihn nicht, was Allan noch alles anstellen konnte, solange er alleine in diesem Chaos war. „Kommt nicht in die Tüte." Er trat wieder an Allan heran, legte sanft die Hand an seine Wange. Allan wich ihm aus.
„Al, du solltest dich wieder ins Bett legen", sagte Cedric leise. „Ruhe wird dir guttun. Vielleicht täten dir auch deine Medikamente ganz gut. Ich will bloß, dass es dir gut geht."
„Einen Scheiß werde ich tun", knurrte Allan trotzig.
„Dann beurlaube ich dich eben für einen weiteren Tag", entgegnete Cedric trocken.
Allan schoss ihm sofort einen wütenden Blick zu, und in diesem Moment merkte er, dass er übertrieben hatte. Besorgt zog er die Stirn kraus. „Al... ich will nur das beste für–"
Weiter kam er nicht. Allan packte ihn grob am Kragen, und er stolperte erschrocken zurück, bis er gegen die Badezimmertür knallte. Allans Körper drückte sich gegen den seinen, und im nächsten Moment presste er nicht gerade zärtlich die Lippen auf die Cedrics, was ihm für einen Augenblick den Atem raubte. Seine Hände lagen auf Allans glühender Haut, unter ihnen dessen angespannte Bauchmuskeln, die sich heftig beim Atmen bewegten. Der Geschmack von Tränen mischte sich in ihren Kuss, Allans heißer Atem zischte über Cedrics Haut, der Griff an seinem Kragen ließ nicht locker.
Cedric versuchte, den Kuss zu erwidern, doch es fühlte sich nicht richtig an. Das war nicht die Art von Küssen, die er von Allan gewöhnt war, nach denen er sich sonst so sehnte. Bestimmt schob er Allan an der Schulter von sich und schnappte nach Luft. Allan keuchte. Die beiden starrten sich mit wenigen Zentimetern Abstand gleich sprachlos an.
Unwillkürlich huschte Cedrics Blick über Allans Körper. Schweiß glänzte auf seiner leicht vernarbten Brust, welche sich schwer und kantig hob, im verzweifelten Versuch, genug Luft zu bekommen und gleichzeitig nicht zu hyperventilieren. Cedric schüttelte lahm den Kopf. „Du bist unmöglich, Dearing."
„Bitte..." Allans Stimme brach. Ein Tränenschwall löste sich aus seinen dunklen Augen. „Mach, dass es aufhört. Ich halte das nicht aus!"
„Ach, Allan...", hauchte Cedric zerknirscht. Er legte behutsam die Hände an seine Hüften. Allan knurrte, ließ jedoch entkräftet den Kopf sinken und die Hände von Cedrics Kragen in dessen Nacken gleiten. Cedric erschauerte. Er zog Allan dichter an sich, sodass er seinen Kopf auf seine Schulter legen konnte, und strich ihm zärtlich durchs Haar. „Alles wird gut", säuselte er beruhigend, „ich bin da. Du bist nicht alleine. Was auch immer passiert ist, es ist Vergangenheit. Du bist stärker als damals. Du bist besser als diese Arschlöcher, die dich gebrochen haben."
Allan schluchzte an seiner Schulter, vergrub das Gesicht tief darin. Sein gesamter Körper zitterte und schüttelte sich unter seinem heftigen Schluchzen. Beruhigend strich Cedric über seinen Rücken. „Ganz ruhig, Allan. Nicht doch... bitte hyperverntiliere nicht. Alles wird gut."
Allan schnappte unkontrolliert nach Luft. Er klammerte sich verzweifelt an Cedric, seine Knie waren schwach, und allmählich fragte sich Cedric, wie zum Teufel dieser Mann noch aufrecht stehen konnte. „Alles wird gut, Al..."
„Ich liebe dich", hauchte Allan kraftlos.
„Ich liebe dich auch, Allan", murmelte Cedric leise. Er drückte ihm mehrere Küsse aufs Haar, umklammerte ihn so fest es ging in seinen Armen. Er schloss die Augen, aus Angst, gleich selbst noch zu weinen. „Ich liebe dich auch..."

Nur du zählst...Where stories live. Discover now