Fiftyone

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Lebensgefahr.
Cedric mochte sich nicht ausmalen, wie es Allan wohl gerade ging. Falls Spencer ihn tatsächlich in seinen Fängen hatte, würde er ihn einfach nur stark verletzen wollen, ihn foltern oder einfach direkt umbringen? Würde er sich Allans Herzschwäche zum Vorteil machen, ihn körperlich leiden zu lassen? Oder würde er ihn psychisch leiden lassen?
Während er sich so den Kopf zermarterte, starrte er wie paralysiert Löcher in die Luft und bemerkte dabei nicht, wie jemand an ihm vorbei in Richtung Büro ging. Als er jedoch das klicken des Türschlosses und Schritte hörte, schreckte er auf und lehnte sich mit seinem Stuhl gefährlich nach hinten, um aus der Küchentür nach vorne zu blicken. Jetzt sah er, dass Tony zur Tür gegangen war, um Wheatley ins Haus zu lassen.
Tony hatte sich am Morgen wieder bei ihm eingenistet, während Wheatley allerdings recht schnell verschwunden war, nachdem die drei miteinander gesprochen hatten.
Nun allerdings sprach Wheatley bloss eine knappe Begrüßung an Tony aus, während er schnurstracks an ihm vorbei marschierte und zu Cedric in die Küche kam. „Fangen Sie", sagte er laut, und ehe Cedric es sich versah, flog ihm ein klimpernder, glänzender Gegenstand entgegen.
„Hey!" Nur knapp gelang es Cedric, seinen Kopf zur Seite zu ziehen und den Gegenstand mit beiden Händen zu erwischen. „Was zum Teufel sollte das?"
Wheatley schloss für einen Sekundenbruchteil die Augen, offensichtlich angenervt. „Sie werden mir danken", entgegnete er bloß.
Obwohl Cedric den jungen Polizisten kaum kannte, wusste er mittlerweile, dass Wheatley stets seinen Anteil in Konversationen stark auf das Wichtigste reduzierte, also blickte er gespannt auf seine Hände hinab. Erstaunt starrte er auf einen kleinen Schlüsselbund mit einem Kleeblattanhänger und diversen bunten Schnüren, was irgendwie an einen kindlichen Besitzer erinnerte. „Ein Schlüssel?", fragte er mit hochgezogenen Brauen.
Auch Tony, der mittlerweile still im Türrahmen stand, schaute verblüfft. „Von wem ist der?"
Wheatley gelang es nicht, sich ein Grinsen zu verkneifen. „Clark Spencer, meine Herren."
„Clark?", wiederholte Cedric verblüfft, zeitgleich sagte Tony „Was?", und die beiden tauschten einen verdatterten Blick.
„Ich habe Clark in der Schule besucht und ihm erklärt, dass wir seinen Vater suchen", erzählte Wheatley, „er sagte, dass er heute Nachmittag noch einige Stunden mit seiner Mutter unterwegs sei, deshalb überließ er mir seinen Schlüssel, damit wir das Haus der Spencers auf mögliche Hinweise zum Verbleib seines Vaters absuchen können."
„Ist das gesetzlich erlaubt?", fragte Tony skeptisch.
„Nun ja." Wheatley zuckte leichtherzig mit den Schultern. „Es ist keine offizielle Durchsuchung. Aber wir brechen nicht ein."
Schwungvoll stand Cedric auf und klatschte einmal in die Hände. Plötzlich war sein Körper vollkommen energiegeladen, und er wollte sofort losgehen. „Sieh, Tony, wir verstoßen keineswegs gegen das Gesetz. Also lasst uns nicht bis auf Weihnachten warten und unsere Hintern hier raus schwingen!"

~

„Seid ihr euch wirklich sicher, dass das hier eine gute Idee ist?"
Noch immer schwach überzeugt von der Idee der beiden Beamten, schielte Tony aus dem Fenster an der Beifahrerseite Cedric's Autos.
„Aber klar doch", erwiderte Cedric sofort, wirkte allerdings leicht abgelenkt. Er hielt schon die ganze Zeit über Clarks Schlüssel in der Hand umklammert, als hätte er Angst, er könne sich plötzlich in Luft auflösen, wenn er ihn bloß nicht fest genug hielt. Er war aufgeregt, ob positiv oder negativ, konnte er nicht benennen.
Aber er hoffte so sehr auf einen Anhaltspunkt.
Hinter sich hörten die beiden ein Klicken, dann ging die Hintertür auf, und sie drehten sich herum, nur um Wheatley ohne ein Wort aussteigen zu sehen. Der Polizist marschierte mit festen Schritten auf das Haus in der Park Lane 31 zu, und wartete nicht einmal auf seine Begleiter.
Auf seinem Sitz drehte sich Tony zu Cedric, einen Arm auf der Rückenlehne. „Ricky, Schatz, ich möchte diesem Typen ja nichts unterstellen, aber findest du nicht auch, dass er ein wenig seltsam ist?"
Er betonte jedes Wort seines letzten Satzteils so klar und deutlich, als würde er mit jemandem sprechen, der die Sprache nicht kannte. Cedric runzelte die Stirn und musterte seinen besten Freund, bevor er vor sich hin murmelte: „Bei deiner Wortwahl weiß ich manchmal wirklich nicht, ob du der ich der Schwule ist."
„Cedric", knurrte Tony entnervt und boxte seinem Freund gegen den Arm. Cedric versuchte, sich den aufkommenden Schmerz nicht anmerken zu lassen, und grinste ihn schief an. „Entschuldige Tony, Schatz." Tonys wütendes Funkeln ließ ihn beschwichtigend die Hand zwischen ihnen senken, und er kam wieder zurück auf das eigentliche, wichtigere Thema. „Ich denke, er hat einfach so seine Marotten wie jeder andere", erwiderte er und schaute an Tony vorbei nach draußen, wo Wheatley vor dem Haus der Spencers ungeduldig auf und ab tigerte. Tonys Blick folgte seinem automatisch. „Ich verstehe noch immer nicht, warum wir ihm vertrauen sollten", brummte er missmutig.
Cedric wusste, dass Tony schon irgendwo recht hatte, doch er hatte nicht das Gefühl, dass Wheatley sie in die Irre führen wollte, im Gegenteil. Er schien genau zu wissen, welche Schritte sie gehen mussten, um ihr Ziel zu erreichen, im Gegenteil zu ihnen selbst. Und deshalb baute Cedric auf dem jungen, seltsamen Mann.
„Dann vertrau mir eben", sagte Cedric dann, und öffnete kurzerhand die Fahrertür.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now