Sixtyone

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Cedric machte die Nacht durch und begleitete Kommissar Sperling zurück aufs Police Departement. Aber nicht ohne Begleitung; sie gabelten Wheatley auf, denn Cedric hatte erwähnt, dass Green ihn erpressen wollte.
Der junge Polizist lief auf Krücken und trug eine fette Schiene am Bein und einen Gürtel, der seine Hüfte gerade hielt, aber er schien erleichtert, die zwei zu sehen und endlich aus seinem Zimmer herauszukommen.
Sie fuhren mit Cedrics Dienstwagen, Wheatley neben ihm im Beifahrersitz, der Kommissar saß hinten.
„Wie geht es Allan?", wollte Wheatley wissen, als sie sich angeschnallt hatten.
Cedric startete den Motor. „Gerade noch schlecht, aber Leicester meint, er wird wieder." Kurz schilderte er, was geschehen war, doch der Polizist schien recht unbeeindruckt. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie etwas tut, was Ihnen oder Ihren Liebsten schadet", sagte er trocken.
Sperling räusperte sich von hinten, und Cedric spannte sich kaum merklich an. Er wusste, was jetzt kam.
„Sheriff, darf ich Sie etwas fragen?"
Cedric seufzte. „Mein Kollege und ich?"
Im Rückspiegel beobachtete er, wie Sperling zögerlich nickte.
„Wir sind ein Paar." Cedric blieb ruhig und schaute weiter stur auf die Straße.
Der Kommissar nickte bedächtig. Er schien kein Problem damit zu haben, was schon mal erleichternd war. „Haben Sie denn noch mehr von der Gerüchteküche gehört? Die brodelt nämlich."
Wheatley drehte mit neugierigem Blick den Kopf zur Seite und schielte nach hinten, weiter konnte er sich nicht bewegen. „Wir waren schon gespannt, was sich die Leutchen ausgedacht haben."
„Interessieren Sie sich für Klatsch und Tratscht?", brummte Cedric halb missmutig, halb belustigt.
„Nur, wenn es um uns geht", erwiderte Wheatley grinsend.
Der Kommissar grunzte und rieb seinen Schnauzbart. „Eins sag ich Ihnen, witzig ist es nicht. Wussten Sie, dass Jolly ein Auge auf Sie geworfen hatte, Lahey?"
Abrupt trat Cedric die Bremse bis zum Anschlag, sodass der Wagen quietschend zum stehen kam und die drei kräftig durchschüttelte. Wheatley jaulte erschrocken auf, während Cedric heftig herumfuhr.
„Jolly, Lucas? Mein ehemaliger Hilfssheriff? Was reden Sie da?"
„Ruhig Blut, Brauner", brummte der Kommissar missmutig. Er schien nicht sonderlich begeistert von dem waghalsigen Manöver mitten auf der dunklen Landstraße, aber Cedric hatte gerade einen ziemlich hohen Puls bei der Nachricht bekommen.
Sperling seufzte bei Cedrics unverändert schockiertem Blick auf und fuhr sich übers Gesicht. „Lahey, Sie sind vielleicht blind. Der Junge stand ziemlich auf Sie und erzählte es sogar herum, weil er von Ihnen nicht genug Aufmerksamkeit bekam. Wissen Sie, warum er gegangen ist?"
Verdattert schüttelte Cedric den Kopf. Jolly hatte Hals über Kopf Josephina Hill verlassen, seinen Job gekündigt und alles nötige mitgenommen. Eine Erklärung hatte er Cedric nicht geben können, allerdings war ihm anzusehen gewesen, dass ihn etwas schwer mitnahm. Er hatte es kein einziges Mal mehr gewagt, ihm in die Augen zu sehen.
Plötzlich klickte etwas bei Cedric und er erstarrte. „Moment. Hat etwa Nolan etwas damit zu tun?"
„Endlich fällt bei Ihnen der Groschen", sagte Sperling. „Natürlich hat sie das. Sie hat Jolly irgendetwas erzählt, was Sie gegen ihn schlecht dastehen ließ, und soweit ich weiß, bedrohte sie ihn, weshalb der arme Kerl eine Anzeige erstattete. Ich weiß das jedoch nur, weil ich den Fall bearbeitet habe, aber es ging alles so schnell, dass das Verfahren nicht richtig abgeschlossen wurde und daher alles etwas schwammig aussieht."
Cedric starrte ihn an und öffnete und schloss den Mund immer wieder, wie ein Fisch, doch kein Wort verließ ihn. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Lucas war in ihn verschossen gewesen? Er hatte es nie bemerkt, dabei hatten sie lange Zeit zusammen gearbeitet. Lag es daran, dass er tief im Herzen immer wieder gehofft hatte, Allan wiederzufinden? Nein, Lucas hatte sich ihm gegenüber immer normal verhalten, bis kurz vor seiner Kündigung. Oder?
Stumm drehte er sich wieder in seinem Sitz nach vorne und realisierte erst jetzt, dass er mitten auf der Landstraße eine Vollbremsung hingelegt hatte. Verdammte Axt. Das hätte in einem sehr schlimmen Unfall enden können, und das nur, weil er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Er nahm einen sehr tiefen Atemzug, um sich zu beruhigen, und fuhr langsam wieder an. „Okay", sagte er dann und versuchte, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. „Gut, dass ich das jetzt weiß. Nolan hat also Lucas bedroht und verjagt, weil er... Gefühle für mich hatte? Aber das schadet mir doch nicht, ich hatte ja nichts davon mitbekommen."
„Es schadet Ihnen wohl", schaltete Wheatley sich wieder ein, „Nolan hat Sie nicht nur gegen Lucas schlecht geredet, sondern sicherlich auch hinter vorgehaltener Hand anderen Unsinn erzählt. Und nun liegt auch Allan im Krankenhaus, Ihr neuer Hilfssheriff, mit dem Sie offensichtlich auch etwas am laufen haben. Sieht dies nicht seltsam aus, vor all den anderen?"
Entgeistert warf Cedric ihm einen kurzen Seitenblick zu. Dann knurrte er. „Ich habe nichts mit Allan am laufen. Wir sind ein Paar, und wir haben uns schon in Kindertagen geliebt. Und nicht ich bin daran schuld, dass er im Krankenhaus liegt, schließlich wurde er entführt!"
„Aber das wissen die Leute nicht." Sperling's Stimme klang rau. „Und noch weniger wissen sie, wer wirklich für Allans Entführung verantwortlich ist."
„Nolan lässt es so aussehen, als könnten Sie etwas mit diesen ganzen Vorfällen zu tun haben. Ihre Kollegen, denen Schaden zugefügt wurde. Green, der sich weigert mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Die Gerüchte, die Burgruine, die sonst nie einer finden konnte, Spencers Fall, die Entführung und der Leichenfund— und in alles sind Sie verwickelt, Sheriff, aber niemand weiß, was hier wirklich gespielt wird."
Das erste mal, seit er Wheatley kannte, hörte Cedric solche Besorgnis in dessen Stimme. Er schluckte, denn der junge Mann hatte recht. Wenn Green es schaffte, alle Beweise zu verwischen und es so aussehen zu lassen als sei Cedric der Schuldige, wäre er geliefert.
„Was ist mit Allan? Wenn er eine Zeugenaussage gegen Spencer tätigt, wird er doch bestätigen können, dass er ihn entführt hat."
Cedric konnte beinahe hören, wie der Kommissar die Schultern zuckte. „Ob ihm jemand glaubt, ist dann eine andere Sache. Wer weiß, ob Green die Richter besticht."
„Jetzt malen Sie nicht den Teufel an die Wand", grummelte Cedric.
Langsam erreichten sie Josephina Hill, es blieben nur noch wenige Minuten bis sie dort waren. Erneut atmete Cedric hörbar ein. „Also, was tun wir, wenn wir Green und Nolan auf dem Departement treffen? Ich bezweifle, dass Spencer dort sein wird, schließlich wird der noch immer polizeilich gesucht. Irgendwelche Ideen?"
„Improvisation?", riet Sperling, was die anderen beiden aufschnauben ließ. „Was denn? Ein Geständnis können wir ihnen nicht herauskitzeln, und ich bin kein sonderlich optimistischer Mensch."
Das hatte Cedric bereits gemerkt, doch er hielt den Mund. Stattdessen blickte er Wheatley an, welcher sich schmerzverzerrt eine Hand aufs Bein presste. „Wheatley?"
Der Polizist richtete seinen Gesichtsausdruck und streckte den Rücken durch, als sei er beim Militär. „Keine Sorge Sheriff, ich habe noch ein Ass im Ärmel. Ich setze auf Manipulation."
Cedric runzelte die Stirn. „Wenn das so ist. Aber halten Sie das durch?"
Wheatley verzog beleidigt das Gesicht. „Ich verwette Greens Arsch darauf, dass ich das durchhalte."
„Oh, wir glauben Ihnen auch so, keine Sorge", lachte Sperling von hinten.
Cedric war nicht zu lachen zumute. Er fuhr gerade durch das Dorftor und lenkte in Richtung Nordwest, wo das Departement lag.
Es würde kein Zuckerschlecken werden, Green und Nolan gegenüberzustehen.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now