Thirtythird

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Allan konnte nicht anders. Er versuchte, Cedric größtenteils aus dem Weg zu gehen; sein Gefühlsausbruch von vorgestern hatte nicht gerade dazu beigetragen, dass er sich würdig fühlte, Cedrics Versuche, ihm zu helfen, zuzulassen. Natürlich wusste er, dass er es verstand. Aber er wäre geschockt, wenn er wüsste, wie viel wirklich hinter diesen Ausbrüchen stand.
Seitdem hatte er auch nicht mehr viel geschlafen. Genauer gesagt, er hatte gar nicht geschlafen. Die letzte Nacht hatte er im Garten verbracht und trostlos in den Himmel gestarrt. Cedric war noch aufgetaucht und hatte versucht, mit ihm zu reden, doch Allan hatte kein Wort rausbringen können. Er hatte ihn nicht einmal ansehen können. Als die Sonne langsam aufgegangen war, wäre er endlich beinahe eingeschlafen, doch dann krähte der Hahn und so war er todmüde in die Küche gestakst, um sich einen großen Kaffee zu holen.
Gerade saß er am Schreibtisch, das Kinn auf die Hand gestützt, und starrte die Dokumente vor ihm an. Immer wieder verschwammen sie vor seinen Augen, der Sinn all dieser Worte und Urteile war ihm unklar, und produktiv war er schon seit fast zwei Stunden nicht mehr gewesen.
Das einzige, worauf er sich konzentrieren konnte, war nicht am Tisch einzuschlafen.

Aus dem Augenwinkel sah er eine beigefarbene Gestalt ins Büro rauschen. Er beugte sich tiefer übers Papier, einerseits, weil er sich nicht traute, Cedric anzusehen, andererseits, weil er definitiv puterrot angelaufen war.
„Hey..." Allein diese Stimme jagte ihm eine Gänsehaut über die Arme.
Vorsichtig sah er auf, in diese besorgten blauen Augen und lächelte für den Bruchteil einer Sekunde, bevor ebendieses Lächeln ihm von den Lippen rutschte.
„Ich geh raus zur Patrouille", sagte Cedric ruhig, obgleich seine angespannte Haltung nicht von Ruhe zeugte. Allans Blick schweifte ab, und er nickte leicht.
„Allan...", seufzte Cedric kaum hörbar. Er kam zaghaft auf ihn zu und blieb vor seinem Schreibtisch stehen. Allan spürte die Röte in seinen Wangen glühen und starrte noch angestrengter auf die Dokumente. Eine Hand schob sich in sein Sichtfeld, griff behutsam nach seinem Kinn und hob es an. Cedric beugte sich vor und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich", murmelte er, „wir sehen uns gleich."
Allan blickte ihn hinterher, wie er mit einem letzten wackligen Lächeln das Haus verließ. Dann warf er seinen Stift auf den Tisch, schob die Papiere weg und vergrub das Gesicht in den Armen, um diese verdammten Tränen endlich rauszulassen.

~

Die Leute wichen ihm aus, als sie merkten, dass der Sheriff wohl nicht gut gelaunt war. Er lief mit recht grimmiger Miene durch die Straßen, wohlgemerkt, um die Trauer dahinter zu verbergen. Es tat ihm nicht gut, dass er Allan die ganze Zeit so leiden sah. Es war für ihn kein großes Problem gewesen, seinen Gefühlsausbruch auszuhalten, obgleich Allan genau davon ausging. Eher litt er darunter, dass Allan nicht mehr mit ihm sprach, nicht schlief, kaum aß und literweise Kaffee in sich hinein kippte, garniert mit einigen vielen Herztabletten. Er wusste einfach nicht mehr, was er tun sollte.
Missmutig bog er in die Straße, die er am meisten hasste; jene, in der diese Furie wohnte, die noch immer Hals über Kopf in ihn verschossen war. Dorothee Nolan. Gestern hatte Wilson ihm schon wieder einen überaus hässlichen Strauß von ihr überbracht, und er hatte es gerade so geschafft, ihn an Allan vorbei aus dem Haus und zu seiner Großmutter zu schmuggeln. Genauer gesagt, war er mit sehr grimmigem Gesichtsausdruck durch den Regen gestapft und hatte die Blumen vor ihrer Tür abgelegt. Er hatte keine Lust gehabt, jemandem zu begegnen, der vielleicht plauderte und irgendwelche Gerüchte über ihn in die Welt setzte. Das hätte er gerade noch nötig gehabt.

Schnellen Schrittes marschierte er an dem hellroten Haus vorbei, auf dessen Tür in Schnörkeln Nolan stand. Doch es war bereits zu spät.
„Sheriff!"
Er zog den Hut tiefer in die Stirn und beschleunigte seinen Schritt. Hinter ihm spürte er jemanden kommen, und dann eine Hand an seiner Schulter. „Cedric! Warten Sie doch!"
Er drehte sich auf dem Absatz um und schob vorsichtig, aber bestimmt Nolans Hand weg. „Für Sie immer noch Lahey oder Sheriff", knurrte er genervt.
„Oh Sheriff, warum denn immer so abweisend?", fragte Nolan unschuldig. Sie klimperte auffällig mit den falschen Wimpern, welche gefährlich wackelten, und drehte eine pechschwarze Haarsträhne auf einen Finger. Cedric verzog das Gesicht. „Weil ich kein Interesse daran habe, mit Ihnen zu plaudern, aber das sollten Sie mittlerweile wirklich wissen."
„Was ist denn so schlimm daran?", wollte Nolan mit weit aufgerissenen Augen wissen. „Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Sie ein wirklich toller Zuhörer wären!"
Cedric schnaubte. Diese Frau würde noch auf ihrer eigenen Schleimspur ausrutschen. „Danke, aber nein danke", erwiderte er und versuchte vergeblich, die Verachtung in seiner Stimme zu verbergen. Er wandte sich zur Hälfte ab und wollte gehen, doch Nolan griff abermals nach ihm, dieses Mal lag ihre Hand an seiner Seite. „Cedric, bitte! Bleiben Sie–"
Abrupt fuhr Cedric herum, packte ihr Handgelenk und drückte sie von sich. „Behalten Sie Ihre Hände bei Ihnen", zischte er, „sonst schreibe ich eine Anzeige wegen Stalking und Belästigung. Und nun lassen Sie endlich diesen Unsinn. Ich habe kein Interesse an Ihnen oder Ihren Kaffeekränzchen, ich möchte keine Blumen haben und ich will nicht von Ihnen auf der Straße verfolgt werden. Haben Sie das endlich verstanden?"
Nolan schmollte und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie reckte trotzig das Kinn und blickte ihn kühn an. „Mich werden Sie nicht mehr los", entgegnete sie beleidigt.
Cedric nickte in Richtung ihres Hauses. „Gehen Sie."
„Pfff." Nolan drehte sich auf dem Absatz um und stöckelte auf ihr Haus zu. Sie schloss die Tür auf, trat ein, knallte sie wieder zu, und einen Augenblick später wurden die Küchenvorhänge zugezogen, als sei Cedric derjenige gewesen, der sie belästigt hätte.

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