Fourtysix

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„Grams?"
Cedric zog den Schlüssel aus dem Schloss und zog die Tür hinter sich zu. Ein wohl bekannter, deftiger Geruch stieg ihm in die Nase, und er bekam die Antwort zugerufen, die er schon erwartet hatte.
„Ich bin in der Küche, Liebling!"
Mit leichtem Lächeln auf den Lippen marschierte Cedric durch die altmodische Wohnung, bis er Grams schließlich in einem hübschen Hellrosa Blümchenkleid an ihrem Herd stehen und zu ihm rüberstrahlen sah. Gleich hob sich seine Laune ein wenig, und er legte ihr von hinten die Hände auf die Schultern, um sie mit einem Wangenkuss zu begrüßen und den Duft von Lachs und Zitronen-Pfeffersauce zu inhalieren.
„Das riecht herrlich, Grams", murmelte er fasziniert. Lächelnd langte Grams nach ihrem Kochlöffel, um die Sauce umzurühren. „Wie gut, dass ich genug gekocht habe. Da kannst du gleich mitessen und mir erzählen, wie es dir geht, mein Schatz."
Cedric fand keine Worte, um etwas zu erwidern. Stattdessen überkam ihn eine plötzliche Müdigkeit, und mit einem leisen Seufzen stützte er das Kinn auf Grams Schulter ab, wohl noch darauf bedacht, nicht zu viel Gewicht auf sie zu legen.
Grams schien zu merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Fürsorglich streichelte sie seine Wange, und Cedric nahm sich einen Moment, die Augen zu schließen. „Was ist los mein Lieber? Ist etwas passiert?"
Ein weiteres Seufzen. „Möchtest du das wirklich wissen?"
„Wenn du so ausgelaugt scheinst, in jedem Fall", sagte Grams schon fast streng. Sanft hob sie Cedrics Kinn an, um sich richtig ums Essen kümmern zu können. Cedric ließ sie ein Nicken sehen, dann bewegte er sich zu Grams hübsch gedeckten Esstisch, um ihr stumm zuzuschauen. Sie drehte die Hitze für die Sauce runter, goss die Bandnudeln daneben ab und häufte das Gericht schließlich großzügig auf filigrane Prozellanteller, um diese dann mit bereits vorbereiteten frischen Petersilienblättern und Zitronenscheiben zu verzieren. Grinsend drehte sie sich zu ihrem Enkel herum und servierte die zwei Portionen.
Cedric hätte ihr gerne geholfen, doch er wusste, wie versessen sie darauf war, in der Küche immer alleine zu arbeiten. Wer ihr seine Hilfe aufdrängen wollte, musste mit dem Nudelholz rechnen, nicht bloß einem Klaps auf die Finger. Cedric hatte es auf die harte Weise gelernt.
Zuletzt füllte Grams ein Glas mit Weißwein, und beäugte ihn dann nachdenklich. „Bist du schon weit genug, dass ich dich abfüllen muss oder möchtest du noch mit klarem Kopf arbeiten?"
Ihre Worte entlockten ihm ein leichtes Lachen. „Letzteres", antwortete er kurz angebunden.
„Guter Junge", lobt Grams ihn und brachte ihm eine Limonade aus dem Kühlschrank. Als sie endlich neben ihm saß und sie angestoßen hatten, drehte Cedric mit der Gabel aus dem letzten Jahrhundert seine Nudeln mit Pfeffersauce auf.
Grams verteilte großzügig mehr Zitronensaft auf ihrem Teller und biss genüsslich in ein hearted Stück Lachs. „Also, mein Lieber", sagte sie dann mit vollem Mund. „Möchtest du jetzt erzählen?"
Abgelenkt von seinem eigenen Lachs seufzte Cedric auf. „Allan ist verschwunden", sagte er geradeheraus.
„Was?", rief Grams schon fast während sie ihre Gabel sinken ließ, und Cedric zog besorgt die Brauen zusammen. Musste er sich jetzt auf einen Tadel vorbereiten?
Mit düsterem Blick griff Rosa nach ihrer Serviette und tupfte sich den Mund ab. Nachdem sie einen Schluck Wein genommen hatte, funkelte sie ihren Enkel mit zusammengekniffenen Augen an. „Cedric Lahey, du rückst jetzt sofort ganz mit der Sprache heraus oder ich vergesse mich!"
Nun war es an ihm, verunsichert den Kopf einzuziehen. „Allan ist heute Morgen verschwunden und ich gehe davon aus, dass ihm etwas zugestoßen ist", murmelte er kleinlaut vor sich hin. Verkniffen wandte er den Blick ab und stocherte in seinen Nudeln herum. „Ich war vorhin im Police Departement, aber Green, dieser faule—" Er räusperte sich und wagte es nicht, vor seiner Großmutter zu fluchen, „Green hat mich vor versammelter Mannschaft ausgelacht, als ich um Hilfe gebeten habe und verweigert die gemeinsamen Ermittlungen für den Fall. Er hat es mitten im Büro auf blöde Machtspielchen ausgelegt." Schnaubend zerstückelte er seinen Lachs.
Beschwichtigend legte Grams ihm eine Hand auf den Arm. „Ich verstehe deinen Frust, Liebling, aber das musst du doch nicht an meinem Essen auslassen", bat sie. Cedrics Mundwinkel zuckte, und er schob sich die Lachsfitzel mit ein paar Nudeln zwischen die Zähne. Sie hatte schon recht, ihr Essen konnte nichts dafür. Und es war perfekt für seine Nerven.
Grams griff wieder nach ihrer Gabel, ein gutes Zeichen. „Was tust du hier, anstatt nach deinem Freund zu suchen? Ihr seid doch mittlerweile hoffentlich ein Paar, richtig?"
Verdammt, Cedric hatte vollkommen vergessen, ihr das zu erzählen. Er hatte nicht einmal angerufen, seitdem er das letzte mal hier gewesen war. Mit hochrotem Kopf nickte er und schnappte sich schnell seine Limo. Er ignorierte Grams spitzbübisches Grinsen und antwortete: „Ich wollte dich um Rat bitten. Ich weiß nicht, was ich tun soll."
Grams schien zu wissen, worauf er hinaus wollte. „Allan ist ein erwachsener Mann, der weiß, was er tut und will und er kann sich im Notfall verteidigen", sprach sie genau seine Gedanken aus. Dann musterte sie ihn. „Aber so, wie es klingt, scheint da ein Grund zu sein, warum du denkst, dass er nicht einfach einen Spaziergang gemacht hat, ohne sich zu verabschieden."
Cedric konnte sich nicht mehr länger zurückhalten. „Ich bin heute Morgen alleine aufgewacht, die Terrassentür stand offen, es war offensichtlich, dass er noch gearbeitet hatte und auch die Haustür war nicht ganz zu. Er hat auch meine Unterlagen besehen. Sein Auto steht noch am Dorfrand. Sein Telefon, seine Schlüssel und den Waffengürtel hat er im Haus gelassen, dafür aber immerhin seine Dienstmarke und das Funkgerät dabei. Ich kriege aber keinen Kanal rein und ich habe einen Zettel für ihn liegen gelassen, der allerdings vorhin auch unberührt war. Eigentlich ist es offensichtlich, dass er nicht einfach spazieren oder auf Patrouille gegangen ist."
Grams Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Du hättest dich sofort auf die Suche machen müssen, Cedric."
Abgelenkt nickte Cedric. Dann schüttelte er den Kopf. „Du hast recht. Aber ich habe einen Plan und dafür musste ich erst mit dir reden."
„Wo soll deine uralte Großmutter dir denn bei einem Verbrechen helfen?", hakte Grams perplex nach.
Cedric musste ein triumphierendes Grinsen unterdrücken und schob sich eine Gabel Nudeln in den Mund. „Möchtest du mir dabei helfen, Kendrick Green aus dem Police Departement zu verscheuchen?"
Das Blitzen in Grams Augen sagte schon alles aus. Cedric wusste, wie sehr auch sie ihn verabscheute, und sie ahnte wohl, was genau er von ihr wollte. Wie gut traf es sich doch, wenn die eigene Großmutter sich darauf verstand, Menschen mit Essen zu erpressen.
„Ich werde mit Paulus sprechen."
Paulus Mercier war der Bürgermeister Josephina Hill's und ein sehr guter alter Bekannter von Rosa. Und sein beachtlicher Leib und die Leidenschaft für kleine Törtchen machten ihn zu einem perfekten Opfer Rosa's Kochkünste.
„Aber das wird ja wohl nicht dein einziger Schritt sein", sagte sie schließlich.
„Natürlich nicht", erwiderte Cedric schnell. „Für den Rest meines Plans werde ich wohl oder übel Tony miteinbeziehen müssen. Außerdem hat sich ein junger Polizist aus dem Departement angeboten, mir bei Bedarf auszuhelfen, wenn ich mich bei ihm melde. So wird es einfacher sein, die Spuren zu verfolgen."
„Bitte sei vernünftig und bringe Tony nicht in unnötige Gefahrensituationen", sagte Grams daraufhin besorgt.
Beruhigend legte Cedric ihr die Hand auf den Arm und drückte ihn leicht. „Nie im Leben", versprach er ernst. „Da kommt allerdings meine nächste Bitte dazu."
„Die wäre?"
„Könntest du seine Kinder babysitten, falls wir längere Zeit mit den Ermittlungen verbringen?", fragte er und setzte seinen besten Hundeblick auf.
Grams ließ einen Seufzer hören. „Ich werde Tiramisu machen...", murmelte sie bloß.
Cedric beugte sich über den Tisch und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Danke, Grams. Das hilft mir wirklich ungemein."
„Ich möchte nur die Hochzeit meines Enkels nicht verpassen", erwiderte Grams mehr ernst als scherzend. „Du bist mir einiges schuldig hiernach."
„Ich werde alles für dich tun, was du willst", versprach Cedric schmeichelnd.
„Heb' dir deinen Charme für den Mann deines Herzens auf, mein Schatz", entgegnete Grams streng. Schließlich erhob sie sich von ihrem Stuhl und machte hetzende Handbewegungen. „Was wartest du noch so lang? Auf mit dir, geh zu Tony und sucht nach Allan! Du musst ihn mir noch vorstellen und ich will ihn nicht in einer Leichenhalle kennenlernen! Also beweg deine vier Buchstaben!"
Cedric wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, aber er gehorchte seiner Großmutter und schickte sich an, ihre Küche zu verlassen. Am Türrahmen drehte er sich allerdings nochmal um. „Ach ja, Grams?"
Grams stemmte die Hände in die Hüften. „Was denn noch?"
„Bitte pass auf dich auf", wisperte Cedric besorgt. „Ich weiß nicht, wie persönlich dieser Fall ist, aber ich habe diesbezüglich ein ungutes Gefühl."
„Pass du auf dich auf", entgegnete Rosa und reckte das faltige Kinn. „Deine liebe Granny verschreckt so einfach nichts. Außer dir oder deinen Freunden passiert etwas, dann kannst du mit einem sofortigen Herzinfarkt rechnen." Tadelnd hob sie den Zeigefinger. „Und jetzt ab mir dir, Cedric."
Ein wackliges Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Ich hab dich lieb, Grams."
Sie schnaubte und bedachte ihn mit einem Blick der Marke sag das nicht als würdest du dich für immer verabschieden. „Ich dich auch, Liebling."
„Ich melde mich", sagte Cedric, dann marschierte er schnellen Schrittes durch den Flur zurück zur Wohnungstür.
„Zum Glück habe ich noch meine alte Armbrust", hörte er Grams noch murmeln, bevor er, sich ein Grinsen nicht verkneifend, aus ihrer Wohnung trat.
Auf zur Suche nach Verbrechern.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now