Sixtythree

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Der Aufprall mit der Betonwand hatte es in sich. Stöhnend schlug Cedric die Augen auf und blinzelte gegen die aufkommende Schwärze an. Alles drehte sich und verschwamm, er musste sich angestrengt wieder sammeln, bevor er es schaffte, die nächste Ohnmachtswelle anzukämpfen.
Wut ballte sich in ihm auf und er keuchte, während er sich in die Senkrechte kämpfte. Wenn er diesen verflixten Sperling erwi—
Blut rann in sein Sichtfeld, doch er erkennte den Kommissar, welcher außer Gefecht gesetzt nur ein Stückchen entfernt am Boden lag, mit großer Kopfplatzwunde in den grau werdenden Haaren. Cedric lief es eiskalt den Rücken herunter. Sperling hatte ihn nicht hintergangen, aber wer war es dann gewesen? Wheatley? Mit dem kaputten Bein?
„Cedric Lahey."
Erschöpft schaute Cedric auf und wischte sich das Blut aus dem Auge. Die Stimme kannte er. „Dorothee fucking Nolan."
„Heben wir das fucking doch für andere Gespräche auf, Sheriff", schnurrte die Stimme zurück. Ihre Besitzerin trat aus dem Dunkel einer Zelle auf den Flur und schwang einen Schlagstock. In der anderen Hand hielt sie schwarze High Heels, die sie nun über ihre nackten Füße streifte. Deshalb hatten sie sie nicht gehört. Hätte Wheatley nicht sein absolutes Gehör ausleihen können?
„Nur über meine Leiche", spie Cedric aus. Er schaffte es, sich hinzuknien und tastete nach seiner Waffe. Doch ein Blick nach unten offenbarte, dass die Frau ihm wohl seinen gesamten Waffengürtel abgenommen hatte. Er fluchte leise.
„Wehrlos, mein Lieber?" Nolan's Stimme war zuckersüß. Ihre Stöckel knallten auf den Boden, als sie weiter auf ihn zuging. Ein gewinnerisches Lächeln stand auf ihren blutroten, aufgespritzten Lippen.
„Gegen Sie, mit dem Stöckchen? Solange Sie nicht aus dem Hinterhalt kommen, keineswegs."
„Das haben Sie ja bereits sehr gut bewiesen", gluckste Nolan.
Cedric ging nicht darauf ein. Er zog sich an einem der Zellengitter hoch und schüttelte den Schwindel ab, der durch seinen pochenden Kopf schoss. „Was haben Sie davon, dass Sie auf Greens und Spencers Seite stehen, Nolan? Sie wissen, dass Sie nicht einfach so davonkommen werden. Also was gibt Ihnen all das?"
Trocken lachte Nolan auf. „Ein kleines bisschen Rache, ein kleines bisschen Spaß. Wenn ich dich schon nicht haben kann, soll dich keiner haben."
Angewidert verzog Cedric das Gesicht. Irgendwie war es doch klar gewesen, dass Nolan aus purer Eifersucht handelte und blind dadurch geworden war, ihre Rachegelüste auszuleben. Dennoch konnte er nicht verstehen, warum sie so weit ging.
„Was hat Green Ihnen dafür gegeben, mitzumachen? Wo ist dieser verdammte Bastard?"
Nolan lachte laut auf. „Dieser verdammte Bastard hat mir zum Glück gar nichts gegeben. Aber Spencer?" Sie schnurrte. „Alles, was du mir nicht gibst, Ricky."
Schlagartig wurde Cedric klar, dass Nolan wohl auch noch eine von Spencers Affären war und würgte hörbar, um ihr seinen Ekel zu verdeutlichen.
„Das reicht jetzt, Dorothee."
Kein anderer als Edward Ken Spencer trat aus der ihr gegenüberliegenden Zelle und stellte sich dazu. Cedric fiel buchstäblich die Kinnlade herunter. Der Mann sah gepflegt aus, die Hände noch immer aufgequollen von der Alkoholsucht und die Augen leicht glasig, doch er musste wohl irgendwo untergekommen sein, um weiterhin so aufgefrischt zu wirken.
Im nächsten Moment erschien noch ein Schatten; Kendrick Green. Seine Uniform hatte er abgelegt und gegen Jeans, ein Hemd und schlecht zurück gegelte Haare getauscht. Unter seinen Augen zeichneten sich tiefschwarze Ringe ab, und er wirkte nicht allzu begeistert von der Gesamtsituation, im Gegensatz zu den anderen zweien.
Cedric starrte das kriminelle Trio mit weit aufgerissenen Augen an. Würden sie ihn nun umbringen, ohne dass er sich von Allan verabschieden könnte? Was war mit Wheatley, würde er ihn hören wenn er zu schreien begann? Aber dann würden sie sicherlich kurzen Prozess mit ihm machen. Verdammte Axt, was konnte er nur tun? Er musste Zeit schinden, dringend.
„Können wir die jetzt endlich umlegen?", brummte Spencer missgelaunt und verschränkte die Arme.
„Nein, das wäre zu einfach", erwiderte Green.
„Lass ihn leiden", säuselte Nolan und lächelte lasziv. „Ich wäre ja dafür, dass wir ihn am Leben und seinen kleinen Freund dafür zuerst abkratzen lassen."
„Nachdem du beim ersten Mal schon so erfolgreich warst?", lachte Green und schüttelte den Kopf. Dann betrachtete er Cedric nachdenklich, während Spencer immer wieder ungeduldig die Fäuste ballte und wieder öffnete und Nolan beleidigt schmollte.
Cedric hatte ihnen einfach nur zugehört. Wenn die weiter so machten, ließen sie ihm selbst genug Zeit, bis er einen Plan hatte, hier wieder rauszukommen.
Schwer atmend ging Cedric auf die drei zu und hielt sich dabei an den Zellengittern fest. „Eine Sache hätte ich noch", sagte er und fixierte Spencer mit zusammengekniffenen Augen. „Marilyn und Chuck Lahey. Kommen dir die Namen bekannt vor?"
Das dreckige Grinsen in Spencers Gesicht verriet ihn sofort, doch er tat unschuldig. „Familienmitglieder von dir? Ich weiß nicht, noch nie gehört."
Am liebsten wäre Cedric ihm an die Gurgel gesprungen. Er knurrte gefährlich. „Du weißt genau, wovon ich spreche."
Lässig stützte Spencer den Arm auf Nolan's Schulter ab. „Ach ja? Sind die zwei nicht in einem Feuer umgekommen? Irgendeine Leitung ist durchgebrannt und überraschte sie im Schlaf."
Spencer schien gar nicht zu merken, wie Nolan verdattert zu ihm aufsah. Er plapperte einfach fröhlich weiter, als würde er sich übers Wetter unterhalten. „Was eine Schande, dass nicht die ganze Familie dabei war. Oder, Kendrick?"
Green schnaufte, griff über Nolan hinweg und schubste Spencer. „Hör auf zu reden, du verrätst dich selbst, Vollidiot!"
Schockiert folgte Cedric dem Geschehen. Die Geschichte stimmte. Dass Spencer der Täter war, schien außer Frage, doch Greens Verhalten war seltsam.
„Sie waren dabei und haben ihn abgelenkt", Cedric blieb kurz vor ihnen an Ort und Stelle stehen, „Sie haben ihm die ganze Zeit geholfen. Warum?"
Das warum warf er allgemein in den Raum. Was war das Motiv der Männer?
„Wie viele Menschen habt ihr schon umgebracht?", schaltete sich nun auch Nolan ein. Sie wirkte nun nicht mehr ganz so überzeugt von ihrer Mittäterschaft und warf Cedric einen sehnsüchtigen Blick zu.
Spencer kicherte, doch bevor er antworten konnte, sprang Green dazwischen, presste ihn an die Wand und hielt ihm den Mund zu. „Halt dein Maul, halt endlich dein Maul! Du hast schon zu viel geredet!"
Nolan stolperte aus der Gefahrenzone auf ihn zu, und Cedric nutzte die Gunst der Stunde, um ihr den Knüppel zu entreißen und kräftig auszuholen. Spencer schubste Green, der genau in seine Schusslinie geriet und den Schlag abbekam. Verdammt. Spencer ist gefährlicher als Green.
Ächzend ging Green zu Boden und rollte die Augen. Cedric stolperte, doch Nolan fing ihn überraschenderweise ab. Dafür zückte Spencer einen Revolver aus seinem Hosenbund und zielte.
Und dann. Plötzlich ging das Licht aus— die Notbeleuchtung flackerte und versetzte den Zellentrakt in vollkommene Dunkelheit. Ein Schuss fiel.
Und noch einer.
Cedric erstarrte und packte blind nach Nolan's Arm. Ein Ächzen war zu hören, doch es war nicht Nolan, die zu Boden ging, und auch er war unversehrt.
„Was zum—"
Eine Waffe fiel klappernd zu Boden, dann ein Körper. War Sperling aufgewacht und hatte sie gerettet? Doch er hatte ebenfalls keine Waffen mehr besessen...
„Sheriff?"
Cedric zuckte zusammen. Dann erkannte er die Stimme. „W-Wheatley?!"
Auf einmal war Getrampel zu hören, als würden mehrere Menschen die Treppe hinunterstürzen. Mit Nolan im Klammergriff stolperte er blindlings zurück, bis mehrere Lichtkegel den Flur fluteten.
Es war eine Einsatztruppe der Josephina Hill Polizeimannschaft, die den Zellentrakt stürmten. Ein Lichtstrahl blendete Cedric, und dann erkannte er, dass es Spencer war, der Gefallen war.
Ein glatter Kopfschuss.
Er war tot.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now