Fourtyeight

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„Das ist nicht dein Ernst."
„Das ist mein voller Ernst."
Langsam ließ Cedric sich auf der Kante der Veranda im Hinterhof sinken und überblickte die Weide, welche sich vor ihm erstreckte. Der Himmel wurde zunehmend dunkler, wie auch seine Miene, und er hatte das Gefühl, dass nicht nur über ihm sich der Regen ankündigte, doch auch in ihm drin. Als bauten sich dicke, schwere Gewitterwolken in seiner Brust auf, welche ihm das Atmen erschwerten.
„Das kann nicht dein Ernst sein."
Tonys Stimme sank lastend durch die Luft, leise, fast drohend. Sein Schatten schob sich über Cedric, sodass jener fast im Dunkeln dasaß. Lahm schüttelte er den Kopf. „Ich wünschte, es wäre so", murmelte er tonlos.
Er hatte Tony alles erzählt. Von der letzten Nacht bis hin zu Allans Verschwinden diesen Morgen, seiner kleinen Auseinandersetzung mit Chief Green und der Begegnung mit Wheatley, dem Gespräch mit Grams und letztlich dieser verdammten Nolan.
Neben ihm nahm Tony stumm Platz, faltete die Hände zusammen und starrte einfach vor sich hin. Cedric musterte sein Profil.
„Also", begann Tony schließlich, ohne seinen Blick zu erwidern, „was ist der Plan?"
Innerlich musste Cedric schmunzeln. Tony war schon immer ein liebenswerter Mensch gewesen, der keiner Fliege was zu leide tun würde, doch wenn es um Menschen ging, die er ins Herz geschlossen hatte, kannte er keine Gnade. In dem Sinne glich er Allan sehr.
Cedric atmete einmal tief durch, bevor er begann zu sprechen. „Wir werden alleine die Spurensuche aufnehmen und nach Allan fahnden."
„Natürlich tun wir das, Mann", erwiderte Tony rasch und hob missbilligend eine Braue. „Aber wie genau stellen wir das an? Ich glaube nicht, dass du gänzlich im legalen Bereich einer Vermisstensuche bleibst, gell?"
Seufzend zupfte Cedric am Ärmel seiner Uniformjacke. „Du hast recht", murmelte er, zuckte die Schultern. „Aber was bleibt uns anderes übrig? Green wird uns nicht helfen, sondern eher behindern. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese ganze Sache hinterhältiger ablaufen wird als wir es uns vorstellen können."
„Green kann mich mal kreuzweise", knurrte Tony abfällig. „War da nicht eh dieser komische Typ von der Wache, der uns helfen würde?"
Bestätigend nickte Cedric. „Von dem erhoffe ich auch wichtige Unterstützung in Sachen polizeiliche Akten einsehen. Denn ich möchte mehr über den Spencer herausfinden." Und noch ein paar andere Personen, doch das würde er Tony nicht sagen.
Und das würde er zu anderen Zeiten erledigen.
„Lass mich raten, der Schlawiner ist unser erster Verdächtige, was?", knurrte Tony mit einem Unterton, der leicht darauf schließen ließ, dass er noch immer eine Rechnung mit ihm offen hatte.
Leicht besorgt, aber knapp nickte Cedric. „Exakt. Wir finden als allererstes heraus, wo sich der Typ aufhält oder wo er öfter war. Vielleicht können wir Wheatley hinzuziehen, um ihn auf Ermittlungen zu schicken, ohne dass wir mit dem Fall in Verbindung gebracht werden können. Ich möchte nämlich nicht wissen, ob Chief Green mich beobachtet." Dunkel verzog er das Gesicht. „Obwohl es eigentlich klar ist, dass er das tut."
Im Versuch, ihn damit aufzumuntern, boxte Tony ihm gegen die Schulter. „Lass dich von dem Ochsen nicht aufhalten, Ricky. Wir ziehen den schon nach Strich und Faden durch den Kakao, da bin ich mir sicher. Und Allan finden wir auch schon. Mach dir darum keine Sorgen, kapiert?"
Cedric rümpfte die Nase, gab ihm dann aber recht. Es würde schon alles gut werden, glaubte er zumindest. Dennoch hatte er kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache, um ehrlich zu sein, spürte er sogar, dass sie in echt verdammt grossen Schwierigkeiten steckten.
Und Allan am tiefsten.
Links klopfte Tony sich auf die Knie, stand ächzend auf und drückte Cedric dabei die Schulter. „Hör mal, ich schau mal nach meinen Kleinen. Kannst gerne hier bleiben, wenn du willst. Ich weiß ja, dass du einen harten Tag hattest. Ruh dich was aus und denk dir morgen einen Plan aus. Allan ist hart im nehmen, dem wird bis dahin schon nichts weltveränderndes passieren."
Skeptisch presste Cedric die Lippen zusammen. „Hoffe ich doch", knurrte er, „sonst gebe ich dir die Schuld dafür."
Tony schmollte ihn bloß provokant an, dann huschte er wieder ins Haus und rief nach Matthew.
Eine Weile noch blieb Cedric an Ort und stelle sitzen und beobachtete die Landschaft, doch als eine kühle Brise aufzog und er schon schaudern musste, stand auch er auf und begab sich ins Esszimmer. Von oben hörte er das Lachen der Kinder und Tonys Stimme, die irgendetwas erzählte. Ratlos blieb Cedric stehen. Sein Blick wanderte zum Kühlschrank, und dann fiel ihm ein, dass er heute bis auf Grams Essen überhaupt nichts zu sich genommen hatte. Auch gestern hatte er nicht viel gegessen. Nun knurrte ihm der Magen, und er beschloss, sich an Tonys Kühlschrank zu bedienen.
Schließlich hatte Cedric sich zwei dicke Sandwiches gemacht, ein großes Glas mit Milch aufgefüllt und sich einen Pfirsich geschnappt, und mampfte großen Hungers sein Abendmahl an der Kücheninsel. Sein Magen dankte ihm dafür.
„Hättest du nur ein Wort gesagt, hätte ich was gekocht."
Cedric blickte auf und sah Tony im Türrahmen stehen, in seinen Armen lag Stella, sie war unruhig, weinte leise vor sich hin.
„Ich komme klar", erwiderte Cedric. Er nickte zu dem Mädchen hin. „Kümmere dich lieber um die Kleine."
Tony seufzte auf und bewegte sich zum Kühlschrank, um ein Milchfläschen heraus zu holen. „Sie vermisst ihre Mutter", sagte er leise. Er setzte sich Cedric gegenüber an die Kücheninsel und gab Stella verzweifelt das Fläschchen, doch die Kleine dachte nicht daran, sich zu beruhigen.
„Das ist verständlich", erwiderte Cedric genauso leise und beobachtete die Kleine. Er wusste noch, wie Grams ihm immer davon erzählt hatte, dass er als Kleinkind genauso um seine Eltern geweint hatte, nachdem sie verstorben waren, und kaum etwas ihn wieder zur Ruhe bringen konnte. Sie hatte ihn dann immer fest an die Brust drücken, vor sich her summen  und mit ihm auf der Hollywoodschaukel im Garten sitzen müssen, um sein Weinen zu stoppen.
Dann kam ihm eine Idee. Er stopfte sich das letzte Stück Pfirsich in den Mund und kam zu Tony um den Tisch herum. „Lass mich sie mal nehmen", bat er ihn.
„Bitte mach es ihr erträglicher", meinte Tony nur traurig und legte sie Cedric in die Arme. Cedric drückte seinen Arm, dann Stella fest an die Brust und streichelte sanft über ihren kleinen Rücken. Er schlich leise aus dem Essbereich rüber ins Wohnzimmer und begann, leise Melodien vor sich hin zu summen. Stellas Weinen verstummte ein wenig, und er spürte, dass sie ihm zuhörte. Das Vibrieren seiner Stimme musste sie an seiner Brust fühlen, und ihre kleinen Fingerchen entkrampften sich und legten sich auf seine Schultern.
Am Sofa angekommen, schälte er sich umständlich, möglichst ohne Stella wegbewegen zu müssen und seinen Singsang zu unterbrechen, aus seiner Uniformjacke und legte sich dann mit dem Kind im Arm auf das Möbelstück. Fest hielt er sie, streichelte ihr übers Haar und den Rücken und summte weiter vor sich hin, bis sie immer ruhiger wurde und er schließlich merkte, dass sie eingeschlafen war.
Irgendwann wurde er selbst müde. Leise seufzend legte er die Arme um Stella und verstummte langsam.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Tony das Licht löschte und dann leise auf die beiden zukam. Er kniete sich vors Sofa, und Cedric wandte sich ihm vorsichtig zu.
„Danke, Kumpel", flüsterte Tony.
„Nicht dafür", erwiderte Cedric und gähnte. „Schlaf ein wenig", sagte Tony. „Ich hole euch eine Decke und wecke dich morgen früh auf."
Cedric war zu erschöpft, um zu protestieren, und war dankbar dafür, dass Tony ihm die schweren Arbeitsschuhe auszog und dann eine weiche Decke über Stella und ihn ausbreitete. In solchen Momenten erkannte er wieder, wie lange die beiden schon befreundet waren, und wie gut sie miteinander auskamen. Tony gehörte für ihn zur Familie, und er liebte ihn wie einen Bruder.
Jener verabschiedete sich schließlich mit einem Kuss für seine Tochter und einem leichten Schulterklopfen für Cedric. Dann begab auch er sich wieder nach oben.
Cedric lag noch einige Zeit mit geschlossenen Augen da, ohne einschlafen zu können, und dachte sehnsüchtig an Allan. Er machte sich solche Sorgen, vor allem wegen seinen Herzkrankheiten. Die Kleine schien das zu spüren, denn in der Nacht wachte sie noch zwei Mal auf und schlug ihn mit ihren kleinen Fäusten, bis er schließlich seufzend seine dunklen Gedanken beiseite schob und endlich versuchte, zu schlafen.


Hi Leute!
Ein großes Dankeschön für die superschnellen plötzlichen 9K Reads!🤩🥳❤️
Auch, wenn mein letztes Update ganze zwei Monate her war, ihr habt fleißig weiter gelesen und ich danke euch sehr dafür! Jetzt versuche ich wieder, am Ball zu bleiben, doch ich kann nichts versprechen. Wer mir folgt, wird meine Info auf meinem Account vielleicht gelesen haben, aber nochmal als Erklärung: Zurzeit habe ich wirklich stark mit meinen verschiedenen Erkrankungen und Behinderungen zu kämpfen, weswegen ich oftmals keine Kraft mehr habe, mich zum Schreiben hinzusetzen. Dazu kommen private Probleme und mein kürzliches Outing als pansexuell-orientiert aromantisch/aseuxuell😅 weswegen ich momentan wenig daran interessiert bin, mich allzu sehr mit Liebesschnulzen zu beschäftigen. Aber für euch natürlich geht Nur du zählst... definitiv weiter, auch wenn unregelmäßig, verzeiht, schließlich bedeutet mir die Story auch was.
Also, genug geschwafelt, ich sag dann mal bis zum nächsten Kapitel!👋
Grüße, euer knighttdreamer🦕💙🤘

Nur du zählst...Where stories live. Discover now