Fourtyfive

462 36 3
                                    

„Wollen Sie mich verarschen, Lahey? Das nennen Sie einen Hinweis auf ein Verbrechen? Dass ich nicht lache." Der Polizeichef Josephina Hills tippte sich missbilligend an die Stirn und lehnte sich grinsend zurück. Um ihn herum lachten die Kollegen laut auf.
Wütend ballte Cedric die Hände zu Fäusten und räusperte sich, im Versuch, Chief Kendrick Green nicht gleich an die Gurgel zu springen. Das würde sich auf der Wache wahrscheinlich nicht so gut machen.
Beherrscht nickte er und funkelte Green leicht an. Wie lange kannten sie sich schon, und wie lange hassten sie sich bereits? Wahrscheinlich hatten sie sich schon gehasst, bevor sie sich überhaupt kennengelernt hatten. Green war ein überheblicher, dümmlicher Faulpelz, der seine Angestellten bloß herumschubste und selbst keinen Finger rührte. Er nahm viele ernste Probleme nicht ernst, und weil der Bürgermeister ihn früher praktisch gewickelt hatte, durfte Green seinen Job behalten. Und das war theoretisch der einzige Grund, warum irgendwann Sheriffs in Josephina Hill eingestellt wurden.
Und der einzige Grund, warum er überhaupt hier war, war der, dass er sich nicht im Alleingang um das plötzliche Verschwinden seines heimlichen Freundes kümmern konnte. Vom Gesetz her war er ohnehin dazu verpflichtet, das seinen Kollegen zu melden. Obgleich Allan bereits erwachsen war und die Polizei in solchen Fällen ohnehin mindestens 24 Stunden auf die selbstständige Rückkehr der Vermissten wartete und für frühere Maßnahmen sichere Beweise für ein Verbrechen benötigten.
Welche Cedric allerdings nicht hatte.
Er konnte nicht umhin, herausfordernd das Kinn zu recken. „Ganz genau, Green. Im Gegensatz zu dir erkenne ich versteckte Hinweise mit Leichtigkeit."
Green schien allein von dem Du schon die Fassung zu verlieren. Doch er bekam noch die Kurve und blickte Cedric bloß vernichtend an. „Nun... Lahey." Er betonte Cedrics Nachnamen besonders abfällig, doch damit konnte er ihn nicht aus der Ruhe bringen. Abwartend hob er die Braue.
„Den Wisch können Sie getrost wieder mitnehmen." Demonstrativ klatschte Green auf die Unterlagen, die Cedric ihm mitgebracht hatte. „Ihr lieber Hilfssheriff wird mit Sicherheit heute Abend wieder auftauchen. Er wollte bestimmt nur mal frische Luft schnappen und etwas Abstand von Ihrer Wenigkeit." Sein letzter Satz erntete allgemeines Lachen unter den umstehenden Kollegen, was Green mit einem unprofessionell dreckigen Grinsen quittierte. In Cedric stieg die Wut über sein Verhalten auf, doch er nahm sich zusammen und wartete ab, was Green noch zu sagen hatte.
„Ich kann mir zumindest gut vorstellen, dass es nicht so einfach ist, mit Ihnen über längere Zeit unter einem Dach wohnen zu müssen. Fragen wir nur einmal Lucas", lenkte Green die Sprache auf seinen alten Hilfssheriff und grinste vielsagend. Er beugte sich vor, nur um ihm zuzuraunen— was er allerdings beabsichtigt nicht leise tat —„Wir wissen, warum Lucas wirklich gegangen ist. Und ich glaube..." Er legte eine Kunstpause ein, in der Cedric sich fragen konnte, was zum Teufel dieser Dreckskerl wohl meinen konnte. „Ich glaube, das mit Ihrem Mr. Dearing wird ähnlich verlaufen. Und lassen Sie sich eines sagen, Lahey. Ich könnte Dearing perfekt verstehen, wenn er wie Lucas vor Ihnen abhaut."
Damit lehnte Green sich wieder zurück und schmunzelte diabolisch, ließ Cedric mit Fragen stehen, die er schon allein wegen seines Stolzes nicht stellen würde. Außerdem war es mit Sicherheit keine gute Idee, Green am Kragen gegen die nächste Wand zu drücken und ihn wie eine Zitrone darüber auszuquetschen, was er wusste. Aber so, wie es sich anhörte, wusste er womöglich von Cedrics und Allans Beziehung.
Verunsichern ließ er sich davon allerdings nicht. Ursprünglich hatte er es nicht auf einen Machtkampf abgesehen, doch nun, da er sich ohnehin schon mittendrin befand, ließ er sich keine komplette Niederlage geben. Kalt trat er bis an den Schreibtisch heran, beugte sich zu Green hinab und blickte ihm ernst in die Augen, während er langsam nach seiner Mappe griff. Die Ruhe, welche er ausströmte, schien im Gegenzug Green zu verunsichern, er konnte es in seinen Augen sehen, auch wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
„Der Bürgermeister wird mit Sicherheit nicht davon begeistert sein, wenn er davon erfährt, dass du einen vermeintlich in Gefahr schwebenden Kollegen nicht suchen lässt", wisperte Cedric so leise, dass er sich selbst kaum hörte, doch er wusste genau, dass Green ihn noch verstehen konnte. „Ich zähle schonmal die Tage bis zu deiner Entlassung,
Kendrick. Oder sollte ich lieber Kenny sagen?" Cedric verkniff sich ein Schmunzeln, als er sah, wie Green vor Wut puterrot anlief. Ja, auch er hatte so seine Kontakte. Schließlich ließ er all seine Abscheu und Verachten in seinen Blick fließen, dass er in Kendricks dunklen Augen vor sich selbst erschrak. „Lass dir gesagt sein, Kendrick Green: Wenn meinem Hilfssheriff etwas passiert, weil du die Ermittlungen zu seinem Verschwinden verweigerst, sorge ich dafür, dass du sofort deinen Job verlierst und auch keinen mehr hier in Josephina Hills finden wirst. Ich habe keine Ahnung, was mit Lucas war. Aber ich weiß, was du weißt und du solltest nun gemerkt haben, dass nicht nur du deine Mittel und Wege zu Informationen hast. Also pass gefälligst auf, was du tust, bis ich Dearing gefunden habe."
Damit schnappte er sich seine Mappe und trat so zackig zurück, dass Green zusammenzuckte. Um sie herum war es längst mucksmäuschenstill geworden, und Cedric nahm sich die Zeit, den Umstehenden einen tadelnden Blick zuzuwerfen.
„Ich werde mich dann wohl allein auf die Suche machen", verkündete er dann spitz und warf Green dabei einen vielsagenden Blick zu. „Einen guten Tag noch, Ladies and Gentlemen."
Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehte Cedric auf dem Absatz um und marschierte aus dem Großraumbüro hinaus auf den Flur. Er knirschte mit den Zähnen, doch er entwarf bereits einen Plan, wie er sich seine Hilfe besorgen könnte. Wenn sie auch möglicherweise leicht moralisch verwerflich war im Hinblick auf die etwaige Gefahr im Vollzug.
Hinter sich hörte er plötzlich zackige, leichte Schritte. Definitiv nicht Green.
„Sheriff?", rief ihm eine helle Stimme hinterher. „Mr. Lahey!"
„Was?", fragte Cedric gereizt und drehte sich herum. Vor ihm stand ein hellblonder, sehr junger Polizist mit einem Stapel Akten im Arm, der sehr gehetzt wirkte.
Er streckte Cedric die Hand hin, welche er allerdings nicht zu schütteln beabsichtigte. Stattdessen hob er bloß abwartend die Brauen.
„Hi. Ähm, ich habe ein wenig mitgehört, was Sie und Green besprochen haben", sagte der Polizist nervös und leckte sich die Lippen. Cedric fand zwar, dass besprochen wahrscheinlich nicht die richtige Bezeichnung war, doch er bedeutete ihm mit einer wedelnden Handbewegung, dass er weiterreden sollte.
„Also, um ehrlich zu sein, ich habe alles gehört", sagte der Mann schließlich und zog den Kopf dabei ein. „Auch das, was Sie Green zugeflüstert haben, und ich—"
„Wie das?", unterbrach Cedric ihn perplex.
Ein verunsichert stolzes Grinsen wuchs in dem Gesicht des Blonden. „Absolutes Gehör. Hab' ich mir schon früh angeeignet. Ich höre fast alles", erklärte er. Dann schüttelte er aber schnell den Kopf und bemühte sich wieder um ein ernstes Gesicht. „Aber das ist nichtig. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich glaube, Sie könnten Hilfe gebrauchen, und nun ja, ich Ihnen meine anbiete. Also, wenn Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es mich wissen." Er fingerte umständlich ein Kärtchen aus der Brusttasche seiner Uniform und hielt es Cedric hin, bemüht, dabei nicht den ganzen Papierkram fallen zu lassen. Skeptisch griff Cedric nach der Karte. Roland Wheatley, Police Departement of Josephina Hill.
Irgendwoher kam ihm der Name bekannt vor.
Langsam nickte Cedric und steckte sich das Kärtchen ein. Kurz noch musterte er Wheatley, bevor er sich zum Gehen wandte. „Gut. Danke, Mr. Wheatley. Ich melde mich."
„Ja." Eifrig nickte der junge Polizist. Auch er drehte sich bereits um, doch dann sagte er noch: „Passen Sie auf sich auf, Sheriff."
Gedankenverloren nickte Cedric und lief schnell weiter. „Werde ich", murmelte er noch und fragte sich, ob der Mann mit dem absoluten Gehör das wohl noch verstand.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now