Sixty

320 26 6
                                    

Wie in Trance starrte Cedric aus dem Fenster. Regentropfen schlugen dagegen, der Motor seines Autos brummte leise vor sich hin.
Tony saß neben ihm am Steuer. Er hatte darauf bestanden, ihn zu fahren, als er sagte, er wolle auf der Stelle zurück zu Allan ins Krankenhaus.

Rosa beruhigten sie so lange mit Kamillentee und leisen Worten, bis sie schließlich erschöpft auf Tonys Sofa einschlief. Tony hatte die Nachbarin informiert, damit seine Kinder und die alte Dame nicht alleine blieben.
In Cedrics Kopf schwirrten dunkle Gedanken. Immer wieder musste er hart darum kämpfen, die Tränen zurückzuhalten und all die Horrorszenarien, die durch seinen Verstand geisterten, auszublenden.

„Es wird schon wieder, Kumpel", sagte Tony leise und drückte flüchtig seine Schulter. Aber auch er schien besorgt durch die letzten Erkenntnisse.
Sobald die beiden den Krankenhausparkplatz erreichten, schnallte Cedric sich ab und öffnete die Tür, um hinauszuspringen. Tony parkte schief, scherte sich aber nicht darum, denn er folgte Cedric genauso schnell.
Bevor die Dame an der Rezeption die beiden aufhalten konnte, zeigte Cedric seine Dienstmarke und rannte dann weiter, nur um sie völlig überfordert links liegen zu lassen.

Der Flur auf der Intensivstation war nur spärlich beleuchtet, doch Cedric merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Unter der Tür von Allans Zimmer drang ein schmaler, zitternder Lichtstreifen, der sich bewegte. Ohne zu zögern zückte er seine Waffe und stieß die Tür auf.
„Was zum Teufel machen Sie hier?"

Ein hoher Schrei ertönte, Cedric donnerte die Faust auf den Lichtschalter, und dann war die Gestalt in schwarz und Kapuze von hinten erkennbar. Sie ließ die Taschenlampe und eine kleine Packung von Medikamenten sinken und hob stattdessen die Hände.
„identifizieren Sie sich", befahl Cedric.
Die Person lachte mit heller, Bekannter Frauenstimme. Cedric rutschte das Herz in die Hose.
Er knurrte und fletschte die Zähne. „Dorothee Nolan. Dass ich nicht lache."
„Bitte sagen Sie meinen Namen nochmal, Mr. Lahey", erwiderte die Frau schnurrend und drehte sich nun zu ihm um. Vor dem Mund trug sie ein dunkles Tuch, das sie nun herunterzog, um ihn provozierend anzulächeln.
„Was haben Sie hier getan?" Cedric ignorierte ihre Aussage geflissentlich.

„Wer weiß, wer weiß", lächelnd zuckte Nolan mit den Schultern. „Vielleicht finden Sie es ja selbst heraus, Sie schnüffeln doch so gerne in Angelegenheiten anderer herum."
Hinter Cedric ertönten Schritte im Flur, und dann stand Tony neben ihm und zwei Securitymitarbeiter drängten sich ins Zimmer, um Nolan zu packen. Diese fauchte und versuchte vergeblich, sich aus den schraubzwingenartigen Griffen der Typen zu befreien.
„Die Polizei hat Ihnen ein hübsches Plätzchen im Auto reserviert", meinte einer von ihnen, was Cedric schadenfroh schmunzeln ließ.
Nolan schürzte die Lippen, wie zu einem Kuss. „Auf Wiedersehen, Sheriff."
„Hinter schwedischen Gardinen, hoffe ich", brummte Cedric zurück. Dann schleppten die Männer sie endlich hinaus.
Sofort rauschte Cedric auf das Bett seines Freundes zu. Da der Herzmonitor die ganze Zeit konstant weiter gepiept hatte, hatte er sich auf die Unversehrtheit Allans verlassen.
Dieser schlief tatsächlich noch, wenn er auch ziemlich blass war, doch nachdem Cedric kurz seinen Körper gecheckt hatte, war er sicher, dass Nolan ihn zumindest nicht verletzt hatte.
Erschöpft ließ er sich auf die Bettkante nieder und griff nach Allans Hand.

„Das war ja übel", brummte Tony. Cedric sah zu ihm auf und nickte. Er hätte niemals gedacht, dass Nolan so ein Mensch war, oder gar, dass ihre Eifersucht tatsächlich so groß war, dass sie versuchte, Allan zu schaden.
„Kannst du jemanden bitten, Dr. Leicester zu holen? Wir müssen wissen, was sie vorhatte", sagte Cedric leise.
Tony nickte und verschwand auf dem Flur.
Cedric fühlte sich schlecht bei dem Gedanken, Allan nun zu dieser Stunde zu wecken, doch er musste nun mit ihm sprechen. Sanft rüttelte er ihn und sagte leise seinen Namen, bis Allan endlich die Augen aufschlug und ihn verwirrt anblickte. Seine Augen waren glasig und gerötet, sofort beschleunigte sich auch sein Herzschlag etwas.
„Hallo Allan." Vorsichtig strich Cedric ihm über die kalte Wange. „Wie geht es dir, Süßer?"
„Schlecht", krächzte Allan schwach. Das beruhigte Cedric überhaupt nicht, was ihm wohl auch anzusehen war.
„Was ist los? Ist etwas passiert?"
Cedric schluckte. „Nolan war hier, die Horrorbraut, die sich schon ewig an mich ranschmeißen will." Kurz und knapp erzählte er, was noch vor wenigen Minuten geschehen war.
Allan starrte ihn entsetzt an. „Das kann doch nicht wahr sein. Und ich habe seelenruhig geschlafen!"
Cedric ergriff seine Hand, um ihn zu beruhigen. „Es ist ja nichts passiert", flüsterte er, „Dr. Leicester kommt ebenfalls gleich, für einen Routinecheck."
Schwach nickte Allan und schloss wieder die Augen. Er wirkte deutlich geschwächter als noch vor zwei Tagen, und Cedric hoffte inständig, dass tatsächlich nichts passiert war.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now