Eleventh

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Schlaflos lag Allan in seinem Bett und starrte an die Decke. Seine Finger zupften geistesabwesend an einer Haarsträhne, die ihm in die Stirn gefallen war, und seine dunklen Augen huschten rastlos in der Düsternis durch die Gegend. Sein ruhiger, stetiger Atem war das einzige, was diese Stille zerbrach.
Wie wild kreisten seine Gedanken um Cedric. Er fragte sich, ob er sich nicht doch an ihn erinnerte. Zumindest nachdem er gesagt hatte, dass er es süß fand, wenn er rot anlief. Und das passierte nun auch nicht gerade selten. Doch genau das hatte er ihm früher auch schon immer gesagt.
Er seufzte leise. Er wusste nicht, wie lange er es noch leugnen sollte; seine alten Gefühle waren noch immer präsent, und Cedric schien es zu merken. Oder er erlaubte sich bloß einen Spaß mit ihm...
Das muss es sein. Du bildest es dir alles nur ein. Er liebt dich nicht. Du machst dir bloß dumme Hoffnungen.
Allan ächzte auf und vergrub verzweifelt das Gesicht in den Händen. Was sollte er denn nun glauben? Seine Zweifel trieben ihn genauso in den Wahnsinn wie seine Sehnsucht. Und er sehnte sich so sehr nach Cedric, dass er gewillt war, all die Zweifel zu ignorieren und Cedric seine Gefühle zu zeigen.
Sei nicht albern. Du wirst es ohnehin nicht schaffen.
Er konnte es nicht verhindern, Tränen schossen in seine Augen. Er schaffte es doch schon kaum, Cedric in die Augen zu schauen, also wie sollte er es schon schaffen, ihm zu zeigen, was er fühlte?
Vielleicht deutete er die Zeichen auch falsch und Cedric war bloß nett zu ihm.
Traurig schloss er die Augen. Ja, das musste es wohl sein.

Ein lautes Klingeln ließ ihn aufschrecken. Verdammt, warum hatte er sein Telefon denn so laut gestellt? Er schoss hoch, unterdrückte einen leichten Schwindel und fischte sein Telefon aus dem Durcheinander auf seinem Nachtschränkchen. Ilia, stand auf dem Display. Er runzelte die Stirn. Ilia war sein Patenkind, die Tochter zweier guten Freunde. Nachdenklich nahm er den Anruf an.
„Hallo?", sagte er leise.
„Hallo Al", rief Ilia mit der quietschenden Stimme einer zwölfjährigen. „Wie geht es dir?"
Ein leises Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Mir geht's gut", log er, „Aber sag mal, Schätzchen, musst du nicht schon längst im Bett sein? Es ist doch schon spät."
„Sie darf heute etwas länger wach bleiben", rief eine Stimme im Hintergrund. Sie gehörte Lisa, ihrer Mutter. Er musste wohl auf Lautsprecher gestellt sein.
„Ist Ronnie schon wieder länger weg?", hakte er nach. Ronnie war ein guter Freund von ihm, ehemaliger Kollege und Ilias Vater.
„Ja, Dad jagt noch Verbrecher", erzählte Ilia stolz. „Er hat gesagt, er freut sich schon, endlich heim zu uns zu kommen."
„Das kann ich dir glauben", lachte Allan. „Grüß ihn von mir, wenn er wieder da ist."
„Mach ich!", rief Ilia aufgeregt. „Dad wird sich bestimmt noch mehr freuen!"
„Na, hoffentlich", erwiderte Allan schmunzelnd.
„Al, Mom will mit dir sprechen", sagte Ilia daraufhin.
„Dann gib sie mir", antwortete er leise. „Mh-hm", machte Ilia zustimmend. Geraschel tönte aus dem Lautsprecher, dann hörte er Lisas Stimme.
„Hey, Al", sagte sie. „Geht's dir gut dahinten? Wie ist es auf dem Land?"
Allan seufzte. Sein Blick huschte ratlos durchs Zimmer, bis er bei seinem Ebenbild im Spiegel hängenblieb. „Es ist... schwierig", erwiderte er zögernd.
„Warum? Was ist los?", fragte Lisa erstaunt.
„Erinnerst du dich an Cedric Lahey, von dem ich dir erzählt habe?", wisperte Allan. In seinen Augen sammelten sich abermals Tränen, und er senkte bedrückt den Blick.
„Lahey?", wiederholte Lisa. „Meinst du den, von dem du immer geschwärmt hast?"
„Ich habe nicht–" Allan stockte. „Okay, vielleicht habe ich doch von ihm geschwärmt." Nervös fuhr er sich durch die Haare.
Lisa lachte leise. „Was ist mit ihm?"
„Ich bin sein Hilfssheriff", antwortete Allan tonlos.
„Oh, wow", sagte Lisa überrascht. „Ist das nicht gut?"
„Ich weiß nicht", nuschelte Allan und biss sich auf die Lippe. „Ich glaube, ich mag ihn immer noch, aber es scheint fast, als könne er sich nicht mehr an mich erinnern."
„Oh, das tut mir leid", sagte Lisa zerknirscht.
„Aber sag, war er nicht auch schwul?"
Allan hob die Brauen. „Ja, aber was zählt das schon?"
„Na, dann verliebt er sich vielleicht wieder in dich", lachte Lisa. „Du bist doch süß, Al. Wie könnte er dir schon widerstehen?"
„Hm." Allan strich sich unschlüssig durch die dunklen Haare. „Ich weiß nicht, Lisa..."
„Oh, Allan, sei nicht so pessimistisch", sagte sie. „Wenn ihr wirklich solch ein starkes Band hattet, wie du erzählt hast, dann kann es nicht sein, dass er dich einfach vergisst."
„Das ist siebzehn Jahre her", entgegnete Allan. „Und ich habe ihm das Herz gebrochen."
„Das war nicht deine Schuld, Al", meinte Lisa mit einem mitleidigen Seufzer. „Du konntest nichts dafür, dass du solche Angst hattest. Euch wurde Unrecht angetan und du wolltest bloß nicht, dass wieder etwas passierte. Wenn er dich wirklich geliebt hat, dann wird er das verstanden haben, glaub mir."
„Aber es war ein Fehler, ohne ein Wort abzuhauen und nicht wiederzukommen", erwiderte Allan verzweifelt. Tränen bahnten sich einen Weg über seine Wangen und er vergrub das Gesicht in der freien Hand. „Und nur, weil ich solche Angst hatte, haben wir uns auf den Augen verloren."
„Al, das stimmt nicht", behauptete Lisa sanft. „Ich kenne dich nun schon lange genug und wir wissen beide, dass es nicht deine Schuld war. Du warst jung, verliebt und standest unter dem schlechten Einfluss deiner Eltern und Mobber. Deren Schuld ist es, dass du glaubtest, deine Gefühle seien falsch. Aber das stimmt nicht. Du und Cedric, ihr hättet glücklich sein können, wenn deine Vergangenheit etwas besser verlaufen wäre, und glaube mir, du hast nichts falsch gemacht. Cedric weiß das mit Sicherheit."

Allan hatte ihren Worten voller Hoffnung zugehört, doch er wusste noch immer nicht, ob er ihr Glauben schenken sollte. Was, wenn sie falsch lag und Cedric sich verändert hatte? Was, wenn Cedric noch immer wütend auf ihn war?
Doch würde er sich dann so nett verhalten? Würde er sagen, dass er süß aussah? Würde er ihn so lange mit diesen hellblauen Augen anschauen, bis Allan sich in ihnen verlieren konnte?
„Al? Bist du noch dran?"
„Ja, natürlich", sagte er hastig. Nervös fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. „Tut mir leid. Ich mache mir immer noch Sorgen. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll."
„Oh, Al", seufzte Lisa liebevoll. „Zerbrich dir nicht allzu sehr den Kopf darüber. Ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er dir wieder verfällt."
Allan lachte bitter. „Und wenn nicht?"
„Dann sorgst du eben dafür", meinte sie. „Zeig ihm, dass du ihn magst. Mach's wie die Teenies. Schreib Liebesbriefe oder schick ihm heimlich Rosen."
„Das meinst du hoffentlich nicht ernst", lachte Allan und lächelte leise in sich hinein.
„Nun, wer weiß", erwiderte Lisa schelmisch. „Al, was ich sagen will ist, tu einfach das, was dein Herz dir sagt. Zweifel zählen in der Liebe um Längen weniger als Gefühle. Selbst kleine Gesten können genug sein, um mehr Klarheit zu geben."
„Und was, bitte, soll ich denn machen?", fragte Al und runzelte zweifelnd die Stirn. „Abgesehen von Rosen und Liebesbriefen schicken."
Lisa lachte. „Lächle ihn an. Mach ihm Komplimente. Frag ihn, wie es ihm geht. Drück seinen Arm, bevor du gehst. Schenk ihm Vertrauen."
„Das ist genau das, was er ebenfalls macht", murmelte Allan geistesabwesend, bevor er merkte, dass er es tatsächlich laut ausgesprochen hatte. Seine Wangen begangen zu glühen.
„Dann mag er dich mit Sicherheit", behauptete Lisa, und er konnte ihr sanftes Lächeln förmlich hören.
Seufzend zupfte an einer Haarsträhne. „Gut, ich werde es versuchen", sagte er leise.
„Sehr schön", meinte Lisa sanft. „Du, Ilia will noch gute Nacht sagen, ja?"
„Natürlich", erwiderte Allan lächelnd.
„Hallo Al", hörte er kurz darauf Ilias helle Stimme. „Sag mal, bist du verliebt?"
„Oh... Ja", erwiderte Allan peinlich berührt und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
„Ich auch", meinte Ilia fröhlich. „Er heißt Ethan. Er ist total nett. In wen bist du verliebt?"
„Ach, ähm..." Ratlos blickte Allan zu Boden.
„Al, sag's ihr einfach", hörte er Lisas Stimme im Hintergrund. „Die Kleine versteht das."
Allan lachte leise. „Gut, Ilia. Es ist ein Mann und er heißt Cedric. Wir kennen uns schon sehr lange."
„Oh, wie toll", sagte Ilia aufgeregt. „Mag er dich auch?"
Allan bewunderte ihre ungehinderte Akzeptanz der Dinge und lächelte breit. Kinder waren einfach Goldstücke. „Ich denke, schon."
„Hoffentlich seid ihr auch bald ein Pärchen", rief Ilia. „Dann musst du ihn herbringen damit wir uns vorstellen können!"
„In Ordnung", lachte Allan. „Aber jetzt musst du wirklich mal ins Bett, Schätzchen."
„Ich muss noch nicht ins Bett, Dad ist noch nicht da", erwiderte Ilia frech.
„Gut, dann muss ich eben ins Bett", sagte Allan schmunzelnd. „Ich muss früh aufstehen."
Ilia kicherte. „Okay, gute Nacht Al. Lieb dich!"
Allan lächelte. „Gute Nacht, Ilia. Lieb dich auch."
Die beiden legten auf, und das Lächeln lag Allan noch immer auf den Lippen, als er beschloss, sich wieder hinzulegen und endlich ein wenig zu schlafen.

~

Müde klatschte Cedric sich kaltes Wasser ins Gesicht und blickte hoch zu seinem Spiegelbild. Der Spiegel im Bad wurde umrahmt von weißen Kacheln, und das grelle Licht tat seinen erschöpften Augen nicht wirklich gut. Wasser tropfte von seinem Kinn, und er schnappte sich ein Handtuch, um es wegzuwischen. Sein Spiegelbild beobachtete ihn mit hellblauen Augen, musterte sich selbst, stellte sich infrage. Sinnierend stützte er die Hände auf dem Beckenrand und starrte sein Ebenbild an. Er würde sich am Morgen dringend wieder rasieren müssen. Er hasste Drei-Tage-Bärte. Abgesehen davon wollte er vor Allan nicht verwahrlost rüberkommen.
Er schnaubte und schüttelte schmunzelnd den Kopf. Was Liebe nicht alles mit einem anstellte.
Es stimmte schon irgendwie, Allan verdrehte ihm den Kopf und raubte ihm den Schlaf. Er fühlte sich wie so ein klischeehaftes Mädchen aus irgendeiner Liebesschnulze, das sich Hals über Kopf in einen gut aussehenden Typen verknallte und versuchte, irgendwie seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Ein Seufzer entfuhr ihm. Nun, wahrscheinlich traf das ziemlich gut auf ihn zu.
Nur, dass er selbst ein Kerl war.
Er biss sich auf die Lippe. Aber Allan war tatsächlich ziemlich gutaussehend.
Verdammt. Er musste dringend zurück ins Bett und schlafen, bevor er vollends durchdrehte.
Er trat zurück auf den Flur und tapste leise zurück zu seinem Zimmer. Aus Allans Zimmer drang dessen leise Stimme, und er hielt eine Sekunde inne. Nein, er wollte definitiv nicht lauschen, sondern bloß den schönen Klang von Allans Stimme hören.
„Gute Nacht, Ilia. Lieb dich auch."
Cedric zuckte zusammen. Ein scharfes Stechen durchfuhr ihn. Lieb dich? Ilia?
War das nicht ein Jungenname?
Hatte Allan einen Freund?
Cedric sog scharf einen Schwall Luft ein. Gottverdammt.
Er raufte sich die Haare. Tränen traten in seine Augen.
Er hatte sich wohl bloß zum Affen gemacht.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now