Fiftysix

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„Rick..."
Es war mitten in der Nacht, als Cedric meinte, Geräusche wahrzunehmen. Augenblicklich schreckte er hoch. „Allan?", wisperte er aufgeregt, sein Herz raste. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es mitten in der Nacht war. Er hatte erst zwei Stunden geschlafen, dennoch war er hellwach, als ein Krächzen erklang. „Al!"
„Ricky?"
Allans Stimme war kaum zu vernehmen, und es war dunkel, sodass Cedric kaum etwas erkennen konnte. Blind tastete er nach seiner Hand, mit der anderen suchte er den Schalter der Nachttischlampe. „Achtung, es wird hell."
Der sanfte Schein der Leuchte gab den Blick auf Allans blasses Gesicht frei, und braune Augen blinzelten ihn erschöpft an. Doch ein Lächeln lag auf den Lippen des Mannes.
„Allan." Hastig zog Cedric seinen Stuhl näher ans Bett und legte eine Hand auf Allans Brust. „Du bist wach. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?"
„Ich..." Allan atmete tief, zittrig. „Das hier ist schlimmer, als der Tag, an dem ich angeschossen wurde."
Cedrics Herz stolperte schmerzhaft. „Es tut mir so leid, mein Schatz", hauchte er schuldbewusst. Sanft strich er Allan über die Wange. „Ich hätte es verhindern müssen..."
„Hör auf", bat Allan zerknirscht. „Das hier ist nicht deine Schuld." Er hustete und stöhnte vor Schmerz.
„Alles in Ordnung?", fragte Cedric besorgt und streichelte ihn vorsichtig.
Seufzend schmiegte Allan die Wange an seine Hand, sobald sich sein Atem beruhigt hatte. „Mach dir keine Sorgen. Es wird schon wieder."
Alarmiert schob Cedric zwei Finger an Allans Hauptschlagader, um seinen Puls zu fühlen. „Cedric", stöhnte Allan und packte seine Hand, um sie zurück an ihren Platz auf seiner Wange zu legen, „lass den Quatsch. Es ist alles gut, versprochen. Mir geht's gut."
„Du wärst fast gestorben", wisperte Cedric tränenerstickt. Er konnte nicht verhindern, dass ihm ein Schluchzen entkam. Schnell presste er die Lippen zusammen, doch natürlich merkte Allan es.
Er drückte seine Hand. „Komm her, neben mich."
Zitternd folgte Cedric Allans Aufforderung. Obwohl er eigentlich derjenige war, der Trost spenden müsste, war es nun Allan, der dies tat. Cedric wusste, dass er in Ausnahmesituationen stets einen kühlen Kopf bewahrte und gerade dann seine Fassung behielt. Doch fand er einmal die Ruhe nach dem Sturm, brach der Damm auch über Allan.
Allan rutschte ein wenig zur Seite, während Cedric umständlich zu ihm ins Bett kletterte. Die beiden fanden eine halbwegs bequeme, aber vor allem schonende Position für den Patienten, und Cedric legte jenem eine Hand aufs Herz, während Allan den Kopf in seine Halsbeuge schmiegte. Langsam wich die Anspannung aus beiden, doch sie verdrängten noch immer den Schrecken, der sie in den letzten Tagen heimgesucht hatte.
Müde schloss Cedric die Augen. Er war schon viel zu lange wach, und nun, wo er seinen Allan wieder in den Armen halten konnte, wollte er nichts lieber tun als schlafen und all die Sorgen und Ängste vergessen.

~

Es schmerzte unheimlich, als er den Kopf bewegte und versuchte, einen Arm zu heben. Sein gesamte Körper fühlte sich an wie von einem LKW überfahren, dabei musste es ihn doch gar nicht so schwer zugerichtet haben, oder etwa doch?
Verwirrt blinzelte Allan gegen das Licht, das hinter den Vorgängen des weißen Zimmers in seine Augen drang. Kurz kroch die Angst in ihm hoch, bis er sich daran erinnerte, dass er im Krankenhaus war.
Dann fiel ihm auf, dass er dicht angekuschelt an Cedric lag und ihre Hände im Schlaf wohl zueinander gefunden hatten, denn er erinnerte sich nicht daran, sie genommen zu haben, als er gemerkt hatte, dass Cedric eingeschlafen war.
Jener schlummerte noch immer. Mit einem leisen Lächeln streichelte er seine Hand. Cedric hatte sicherlich die ganze Zeit nach ihm gesucht. Zumindest sah er aus, als habe er eine Nacht nach der anderen durchgemacht.
Er hatte ihn aus der Hölle gerettet.
So, wie er es ihm immer versprochen hatte, hatte Cedric Allan beschützt und dabei alles dafür gegeben.
Tränen stiegen ihm bei diesen Gedanken in die Augen, Tränen der Dankbarkeit. Tief, zittrig atmend schloss er sie wieder, er wollte Cedric nicht mit seinem Schluchzen aufwecken.
Aber es war ohnehin schon zu spät. Unter ihm regte sich Cedric, er gähnte, drückte ihm einen Kuss aufs Haar. „Allan?", murmelte er verschlafen.
„Hmh", machte jener leise. Obwohl er kein Wort sprach, merkte Cedric ihm die Traurigkeit an. Er drehte sich auf die Seite, zu ihm, ohne ihn jedoch loszulassen. Schützend legte er beide Arme um ihn, bot ihm Wärme und Geborgenheit. Verzweifelt klammerte Allan sich an ihn und vergrub das Gesicht an seinem Hals. Die Mauern brachen, während all die Angst der letzten Tage ihn wieder überkamen.
„Schh", machte Cedric beruhigend, strich ihm zärtlich übers Haar. „Alles ist gut, mein Herz. Du bist nicht allein. Du bist in Sicherheit. Es ist vorüber."
Erstickt schluchzte Allan auf. Sein ganzer Körper zitterte, das Piepen des Herzmonitors beschleunigte sich ein wenig. Er musste sich beruhigen, bevor irgendein ein Arzt vor Sorge über seinen ansteigenden Puls hereinstürzte, doch das war leichter gesagt als getan. Zerknirscht blickte er hoch in Cedrics Gesicht.
„Al." Cedric legte ihm eine Hand auf die Wange, blickte ihn intensiv an. „Ich bin jetzt bei dir. Du brauchst keine Angst mehr zu haben, das verspreche ich dir."
Allan wimmerte leicht, nickte aber. Er schmiegte sich wieder fest in Cedrics Umarmung und ignorierte die Schmerzen in seinem Oberkörper. „Wie viel Zeit ist vergangen?"
Cedrics Antwort brauchte ein paar Sekunden. „Fünf Tage." Dann erläuterte er, wie Green Allans Hinweis auf die Entführung ignoriert hatte, wie Cedric, Tony und der Polizist Wheatley sich auf die Suche nach ihm gemacht, und sie ihn schließlich und endlich in der Burgruine gefunden hatten. Allan war erstaunt über diesen Teil der Geschichte. Er kannte die alte Burg nicht und hatte sich während seinem Aufenthalt dort natürlich nicht mit Details der Ruine befasst. Es war erstaunlich, aber auch erschreckend, dass der alte Spencer ihn ausgerechnet dorthin verschleppt hatte.
„Was war sein Motiv?", fragte er schließlich leise. Er tippte nämlich nicht auf Rache. Spencer hatte ihn entführt, um Cedric zu verletzen — natürlich auch, weil er Allan eins auswischen wollte, aber seine Taten ließen nicht auf Mordlust schließen.
„Macht", antwortete Cedric, „Kontrolle, Manipulation. Er hat dich nicht umgebracht, lediglich dem Schicksal überlassen. Aber er wollte, dass wir dich finden, zumindest sieht es so aus. Ich glaube, er hat einfach Spaß daran, Menschen zu quälen."
Allan verzog das Gesicht, unterdrückte einen Würgereiz. Damit traf er genau ins Schwarze. „Er ist ein verfluchter Sadist."
Cedric bedachte ihn mit einem besorgten Blick, wagte es wohl aber nicht, genauer nachzufragen.
Allan seufzte. „Ich denke du liegst richtig. Er hat es nicht getan, weil er Vergeltung wollte, sondern weil es ihm Spaß gemacht hat, uns leiden zu sehen."
„Aber er ist noch nicht fertig."
„Natürlich nicht."
„Er will mehr." Unwillkürlich umarmten sich die beiden fester. „Aber ich weiß noch nicht, was. Und er wird nicht aufhören, bis er alles vollkommen zerstört hat."

Nur du zählst...Where stories live. Discover now