Twentyeighth

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Am Waldesrand warteten bereits zwei weitere Polizisten und ein Rettungswagen auf die kleine Truppe. Cedric hielt noch immer Clark in den Armen, welcher, je näher sie kamen, immer nervöser wurde. Immer wieder verrenkte er sich den Hals im Versuch, irgendwelche unbekannte Gefahren mit den Augen auszumachen.
Neben ihnen lief Allan gedankenverloren her und schielte dabei immer wieder flüchtig zu Clark herüber, als fürchtete er, andererseits könne er ohne Vorwarnung verschwinden.
Cedric wusste nicht recht, um wen er sich mehr Sorgen machen musste; Clark, weil er das Opfer einer Gewalttat war und vielleicht von seinem Vater aufgespürt werden könnte, oder um Allan, weil dieser alles dafür tun würde, Clark zu beschützen?
Er tat einen tiefen Atemzug und beschwor sich, ruhig zu bleiben und die Sorgen vorerst zu verdrängen. Er musste sich schließlich an allererster Stelle um Clarks Sicherheit kümmern, wie auch alle anderen.
Zwei weitere Sanitäter aus dem Rettungswagen kamen ihnen mitsamt einer Trage entgegen, und Cedric konnte Clark dort absetzen. Er wurde in den Rettungswagen geschoben, und Cedric und Allan gesellten sich zu ihm an die Trage, sobald die Sanitäter den Wagen für sie freigaben.
„Danke, Jungs", sagte Cedric dann an die Sanitäter gewandt. Schließlich blickte er Clark an. „Wir rufen deine Mutter gleich her und dann–"
„Nein!", unterbrach Clark ihn entgeistert. „Bitte, Sie dürfen meine Mutter nicht zu mir lassen."
Cedric blickte erst ihn, dann Allan neben sich verwirrt an, welcher allerdings misstrauisch die Stirn kraus zog.
„Clark, warum möchtest du deine Mutter nicht sehen?", fragte Cedric schließlich leise.
Der Junge zögerte und rieb sich unbehaglich die Arme. „Ich will es einfach nicht", nuschelte er abweisend.
Cedric öffnete den Mund, doch Allan war schneller.
„Clark, darf ich kurz alleine mit dir reden?"
Clark hob erstaunt den Kopf, nickte dann aber langsam.
Cedric blickte Allan neugierig an, doch dieser lächelte bloß milde und nickte Richtung Hintertür.
„Sagt Bescheid, wenn ihr fertig seid", bat Cedric. Er warf Clark ein aufmunterndes Lächeln zu und drückte kurz Allans Schulter, bevor er den Rettungswagen verließ und nachdenklich auf die Kollegen zusteuerte.
Er wusste, dass Allan einen Draht zu dem Jungen finden und ihn beruhigen konnte. Was ihn allerdings sorgte, war die Tatsache, dass Allan sich wahrscheinlich verantwortlich für Clark fühlte und die Sorgen dann möglicherweise nicht mehr aus seinem Kopf verbannen konnte.

Die Kollegen machten sich gerade noch Notizen zu dem Fall und diskutierten währenddessen aufgeregt miteinander. Als sie aber Cedric erblickten, verstummten sie für einen Augenblick.
Cedric zog fragend eine Braue hoch. Was sollte das denn jetzt?
Doch dann merkte er, dass sie gar nicht ihn, sondern an ihm vorbei blickten und automatisch die Hände an ihre Waffen gelegt hatten. Innerlich seufzte er auf, doch dann drehte er sich langsam um, die Hand am Waffenholster, den Rücken durchgestreckt.
Mitten auf der Straße stand schwankend ein Kerl Mitte vierzig, sehr korpulent, in der Rechten eine Bierflasche, in der Linken ein Baseballschläger.
Cedric trat routiniert einige Schritte in seine Richtung. Die Kollegen folgten ihm. „Hey!", rief er. „Lassen Sie die Waffe fallen!"
„Halt's Maul", lallte der Mann genervt. Er streckte den Arm aus und zeigte mit der Spitze des Schlägers auf die Beamten. „Wo ist mein Sohn? Ich will meinen Sohn sehen, und zwar sofort!"
Cedrics Blick huschte für den Bruchteil einer Sekunde zu dem Rettungswagen, welcher viel zu weit von ihm entfernt war. Dafür war ihm der Mann allerdings näher.
„Sind Sie Mr. Spencer?", fragte Cedric routiniert, während er weiter auf ihn zuging.
„Jap, das bin ich", antwortete Mr. Spencer vor Trunkenheit lispelnd. „Edward Sp-spencer und ich will jetzt meinen Sohn sehen! Dieser Lümmel hat immer noch eine Rechnung offen!"
„Das können Sie vergessen, Mr. Spencer", erwiderte Cedric. „Bevor Sie jetzt irgendetwas anderes tun, werden Sie die Waffe fallen lassen und sich ergeben."
„Einen Scheiß werd ich!", grölte Mr. Spencer. „Eure Spielzeugwaffen machen mir auch keine Angst. Gebt mir jetzt meinen Bengel her, sonst werd ich noch aggressiv!"
„Mr. Spencer, lassen Sie sofort die Waffe fallen und heben Sie die Hände über den Kopf", rief Cedric abermals wütend.
„Ed!", gellte plötzlich eine hohe Frauenstimme über die Straßen, und Cedric wandte nur kurz den Kopf nach hinten, nur um Mrs. Spencer wie ein aufgescheuchtes Huhn über die Straße jagen zu sehen.
„Zwei kümmern sich um die Frau, der Rest kommt mit zu dem Ehemann", befahl er schnell. Die Gruppe teilte sich auf, zwei Polizisten hielten Mrs. Spencer zurück, und Cedric eilte den anderen voraus auf Mr. Spencer zu.
Doch dieser schien ganz andere Pläne zu haben, als sich zu ergeben. Er ließ die Bierflasche fallen, sodass sie auf dem Kopfsteinpflaster zerschellte, und zückte eine Kleinkaliber aus dem hinteren Hosenbund. „Keinen Schritt näher!", schrie er. „Ich will jetzt sofort meinen Sohn haben!"
Cedric legte alarmiert seinen Finger an den Abzug. Gottverdammt, was sollte denn heute noch alles passieren?
„Waffe fallen lassen", gab er bloß zurück. „Mr. Spencer, Sie sind verhaftet wegen häuslicher Gewalt, Beamtenbeleidigung und Drohung."
„Lass mich in Ruhe mit dem Scheiß", knurrte Mr. Spencer dennoch. Er trat einen Schritt vor, die Waffe im Anschlag, und legte den Finger um den Abzug.
Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, gefolgt von einem Schrei. Cedric schrak zusammen und starrte Mr. Spencer an, welcher die Waffe fallen ließ und sich den Arm hielt. Gleich darauf ging er auf die Knie.
„Wer war das?", fragte einer der Kollegen hinter ihm. „Sheriff?"
„Ganz und gar nicht", erwiderte Cedric verdattert.
Eine Gestalt in beigefarbener Uniform stieg aus dem Rettungswagen und marschierte unmissverständlich auf Mr. Spencer zu. „Mr. Spencer, Sie sind verhaftet" dröhnte Allans Stimme durch die Nacht. Cedric lief eine Gänsehaut über den Rücken, und er eilte hastig auf die beiden zu.
Allan legte dem Mann Handschellen an. „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuzuziehen. Wenn Sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird Ihnen einer gestellt. Verstehen Sie diese Rechte?"
„Halt's Maul", spie Mr. Spencer bloß aus.
Cedric schüttelte fassungslos den Kopf. Er wandte sich zu den Kollegen hinter ihm um. „Einen Sani und Verstärkung hierher!"
Nur Sekunden später wurden sie von drei Polizisten und einem Sanitäter abgelöst, und Cedric warf Allan einen Blick zu. Dieser stand wie bestellt und nicht abgeholt da und strich sich fahrig die Haare aus der Stirn.
Vorsichtig trat Cedric an ihn heran. „Allan?"
Allan zuckte zusammen und warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Mir geht's gut."
Cedric seufzte leise auf. Schnell beugte er sich vor und küsste Allan auf die Wange, bevor er sich wieder dem Chaos auf der Straße zuwandte. „Wie hast du das gemacht?"
„Der Schuss?", erwiderte Allan leise. Cedric nickte und schielte zu ihm.
Allan fuhr sich verlegen mit der Hand durch die Haare. Er zuckte die Schultern. „Übung macht den Meister, schätze ich."
Cedric lachte leise. „Großstadtcops eben, hab ich recht? Mit dir möchte ich mich nicht anlegen."
Allan lachte ebenfalls auf. „Glaub mir, das solltest du wirklich nicht."
„Wow." Cedric schüttelte schmunzelnd den Kopf und blickte ihn mit hochgezogener Braue an. „Ich möchte ja ungern zugeben, dass das ziemlich heiß ist, aber..."
Allan lief puterrot an. „Idiot", grummelte er, doch Cedric merkte, dass er sich ein Grinsen verkneifen musste.
Cedric drückte seinen Arm. „Komm schon, wir sind noch nicht durch."
Allan nickte ernst. „Ich gehe zu Clark. Kommst du mit oder kümmerst du dich um seinen Vater?"
„Das überlasse ich den Kollegen", antwortete Cedric grimmig. „Den Kerl möchte ich heute nicht mehr ansehen müssen."
Allan nickte zustimmend.
„Konntest du eigentlich herausfinden, was mit Clark ist?", fragte Cedric dann.
Allan schnaubte. „Konnte ich. Clark hat mitbekommen, dass sein Vater seine Mutter betrügt. Außerdem hat er den Verdacht, dass er etwas Illegales im Schilde führt. Als er ihn konfrontierte, wurde er handgreiflich."
„Mein Gott", brummte Cedric fassungslos. „Wie verrückt soll diese Sache denn noch werden?"
„Du weißt nicht, wie krank manch andere Menschen sein können", entgegnete Allan trocken. Dann wandte er sich um. „Komm schon."
Gemeinsam machten sie sich auf zum Rettungswagen, in dem Clark nervös wartete. Als er Allan und Cedric erblickte, atmete er erleichtert auf. „Ist er weg?", fragte er sofort.
„Genau das ist er. Du musst dir keine Sorgen machen, Clark", antwortete Cedric und lächelte aufmunternd.
Clark nickte zögerlich.
Einer der Sanitäter, die neben der Trage standen, blickte die Sheriffs fragend an und ergriff das Wort. „Können wir dann jetzt ins Krankenhaus fahren?"
Cedric wandte sich an Clark. „Möchtest du deine Mutter immer noch nicht sehen?"
Der Junge nickte zögerlich. „Ich muss noch darüber nachdenken, was ich ihr sagen soll..."
„Schaffst du es denn alleine ins Krankenhaus?", wollte Allan wissen. „Du bist schließlich schon 17 und kannst solche Entscheidungen alleine treffen. Mit den Ärzten kannst du ebenfalls reden, die stehen unter Schweigepflicht."
Clark überlegte einen Augenblick, doch dann holte er tief Luft und nickte entschlossen. „Ich kann das. Danke, Sheriffs."
„Nichts zu danken", winkte Allan ab. Er drückte lächelnd Clarks Schulter. „Du hast das großartig gemacht."
Clark lächelte schwach zurück.
„Also gut, dann gute Besserung, Junge", sagte Cedric und lächelte ebenfalls.
„Danke", murmelte Clark.
Cedric wandte sich an die Sanitäter. „Sie können fahren."
Die Sanitäter nickten und machten den Wagen fertig. Cedric legte Allan die Hand auf die Schulter und verließ mit ihm den Rettungswagen. An der Tür winkten sie noch kurz Clark zu, bevor sie geschlossen wurde.
Mittlerweile waren die Kollegen mit Mr. Spencer bereits auf dem Weg zur Wache, und als der Rettungswagen abfuhr, standen die Sheriffs alleine auf der Straße. Kurz noch blickten sie dem blauen Licht hinterher.

„Das war 'ne lange Nacht", sagte Cedric schließlich leise.
Allan nickte nachdenklich. „Dann sollten wir bald etwas Schlaf abbekommen, denn wir müssen morgen früh aufstehen."
Cedric nickte. Er hielt ihm lächelnd die Hand an, und nachdem Allan diese verwirrt angeblickt hatte, legte er mit roten Wangen die Hand in die seine.
„Allerdings wirst du morgen nicht arbeiten, sondern dich ausruhen", verkündete Cedric dann im Gehen.
„Was? Aber–"
„Keine Widerrede", unterbrach ihn Cedric und blickte ihn ernst an. Er drückte seine Hand. „Das war heute genug Aufregung für alle, aber besonders für dich. Bevor dein Herz morgen wieder nachgibt, ruhst du dich lieber aus, verstanden?"
Allan grunzte. „Mir geht's gut, Cedric. Ich brauche keinen freien Tag."
„Das wird auch keiner sein", erwiderte Cedric trocken. „Als dein Vorgesetzter beurlaube ich dich nämlich für einen Tag, da ich weiß, dass du nicht nachgeben wirst. Ich will bloß, dass es dir gutgeht", fügte er dann sanft hinzu.
Allan seufzte auf, gab sich allerdings geschlagen. „Von mir aus."
Cedric lächelte leicht. „Danke."
Mittlerweile waren sie am Sheriffshaus angekommen, und Cedric zog Allan zur Haustür hinauf, doch anstatt diese aufzuschließen, tat er lieber das, was er den ganzen Abend schon hatte tun wollen; er legte die Hände auf Allans Wangen, beugte sich zu ihm und küsste ihn zärtlich. Allan blinzelte perplex, doch dann schmiegte er sich dicht an ihn und erwiderte den Kuss. Cedrics Herz hüpfte freudig, und nach einer Weile löste er sich lächelnd von Allan. Liebevoll strich er ihm eine kleine Haarsträhne aus der Stirn. „Manchmal ist es schon von Vorteil, einen Großstadtcop zu daten."
„Du Idiot", schnaubte Allan, doch dann grinste er und schüttelte den Kopf. „Bitte mach nun die Tür auf, ich bin todmüde."
Cedric drehte sich grinsend zur Tür und kramte seinen Schlüssel hervor. Ach, wie sehr er Allan doch bloß liebte.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now