Nineteenth

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„Ach, ich bin auch schwul. Also kein Grund zur Sorge."
Cedric stützte seufzend die Hände auf den Rand des Waschbeckens und betrachtete sein beschlagenes Spiegelbild. Er konnte sich einfach nicht von Allans gestrigen Worten in seinem Kopf losreißen. Wenn Allan meinte, was er sich erhoffte zu hören, dann war er doch auf dem besten Wege, ihn schon bald Mein nennen zu können, oder nicht? Er wollte nichts mehr als das, koste es, was es wolle.
Er wandte sich ab und verließ nur mit einem um die Hüfte gewickeltem Handtuch das Bad. Zurück in seinem Zimmer, schlüpfte Cedric in frische Klamotten. Er trug also eine schwarze Jeanshose und ein frisches, dunkelblaues Shirt, welches mit seinen tiefblauen Augen harmonierte, und zog dann schwarze Turnschuhe und eine dünne schwarze Jacke über. Kurz betrachtete er sich noch im Spiegel und hoffte, dass er so normal rüberkam. Sein Herz klopfte beschleunigt in seinem Brustkorb, und er atmete tief ein und aus.
Dann verließ er sein Zimmer.
Er hatte nicht genug Zeit, um sich weiter vorzubereiten oder nachzudenken, und so fand er sich nach zwei Metern vor Allans Zimmertür vor und klopfte zaghaft an.
„Ja?", kam es laut von drinnen. Cedric nahm all seinen Mut zusammen, setzte ein leichtes Lächeln auf und öffnete die Tür.
Allan saß gemütlich auf seinem Bett und hielt ein dickes Buch in den Händen. Cedric schmolz beinahe dahin bei seinem Anblick; Allan trug ein weites schwarzes Sweatshirt, dessen Ärmel ein paar Zentimeter zu lang waren, und eine grau-blaue Hose. Sein fragender Blick und die leichte Röte auf seinen Wangen waren einfach zu süß.
„Hast du Lust, noch 'ne Runde spazieren zu gehen?", fragte Cedric verlegen und merkte im selben Moment, wie albern das klang. Er errötete und rieb sich den Nacken.
Allan lachte überraschenderweise laut auf. „Meinst du etwa ein Date?"
Cedrics Herz setzte einen Schlag aus, doch er konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Es war erstaunlich, wie viel Selbstvertrauen Allan im Gegensatz zu früher hatte. Er zwinkerte ihm leicht zu. „Wenn du es so nennen willst, gern. Ich warte unten."
Allan nickte dümmlich grinsend, und Cedric lächelte ihm noch einmal zu, bevor er die Tür wieder hinter sich zuzog und grinsend wie ein Honigkuchenpferd ins Erdgeschoss lief.

~

Nervös strich sich Allan durch die dunklen Haare und lief langsam die Treppenstufen ins Erdgeschoss hinunter. Hatte er es eben tatsächlich gewagt zu fragen, ob sie jetzt ein Date hatten? Er fühlte sich wie ein Teenager, der seiner ersten großen Liebe entgegenstand. Und das war nicht einmal so weit hergeholt, denn so ähnlich war es damals auch passiert. Und seine erste große Liebe war Cedric auch noch.

Sein Herz machte nicht mehr viel mit. Er kämpfte gegen den Schwindel an, atmete tief ein und aus und stopfte dann seine Hände in die große Tasche seines Hoodies, in der Hoffnung, so irgendwie ruhig zu bleiben.
Cedric wartete an seinem Schreibtisch gelehnt im Büro und sah auf, als er merkte, dass Allan reinkam. Er grinste ihn breit an. Allan spürte die Röte in seinem Gesicht aufsteigen und lächelte schüchtern. Sein Herz protestierte rasend gegen das Gefühlschaos in ihm, doch er ignorierte es geflissentlich.
„Du siehst gut aus, Al", sagte Cedric mit tiefer, leiser Stimme. Er lächelte charmant und jagte ihm somit einen Schauer über den Rücken.
„Danke..." Allan fuhr sich verlegen durch die Haare. Nun war er wohl so rot wie eine Tomate, so viel war sicher.
Cedric löste sich aus seiner Position am Schreibtisch und nickte ihm mit dem Kopf Richtung Tür zu. „Kommst du?"
Allan stopfte rasch die Hände zurück in seine Hoodietasche und nickte eifrig. „Klar", erwiderte er möglichst gelassen. Cedric hielt ihm grinsend die Haustür auf und drückte seine Schulter, als er an ihm vorbei nach draußen trat. Allan biss sich auf die Lippe.
Warum kannst du die Hand nicht da behalten?!
„Komm, wir gehen hier entlang." Cedrics Hand legte sich federleicht in sein Kreuz, und Allan atmete tief durch, um sich nicht zu verkrampfen. Stattdessen brachte er ein wackliges Lächeln zustande.
„Und, wohin führst du mich?", fragte er schließlich leise. Sein Blick war fest auf den Boden gerichtet, doch aus dem Augenwinkel beobachtete er Cedric vorsichtig.
„Lass dich überraschen", erwiderte Cedric bloß und blickte ihn schmunzelnd an. Wie zufällig streifte er dabei seinen Arm.
Allans Augen huschten zu seiner Hand. Er lachte leise und hob eine Braue. „Da bin ich aber gespannt."
„Ach, das wird dir gefallen", erwiderte Cedric selbstsicher. „Hier entlang."
Cedric führte ihn in Richtung der Felder im hinteren Teil des Dorfes, doch dieses Mal liefen sie an der Seite eines schmalen Flusses vorbei, hinter ihnen die Sonne und vor ihnen ihre lang gezogenen Schatten auf dem Feldweg.
Allan lächelte leicht und blickte Cedric dabei an. „Hier ist es wirklich schön", gab er leise zu.
„Ach, das ist noch gar nicht das Schönste", lachte Cedric. Er legte ihm den Arm um die Schultern, zog ihn zu sich, sodass sie dicht nebeneinander liefen. Allan zuckte verwirrt zusammen, seine Muskeln spannten sich an.
Zu viele Berührungen...
„Hey, ich tu dir schon nichts, Allan", wisperte Cedric. Er blickte ihn besorgt an.
Allan nickte bloß und wandte den Blick ab. Das wusste er, doch seine Angst sagte ihm andere Dinge, solche, die er glaubte, obwohl er genau wusste, dass sie irrational waren. Cedric würde ihn niemals verletzen.
Und doch hatte er Angst.
Nicht nur, ihn zu verlieren, sondern auch, dass er nicht gut genug für ihn war. Dass er bloß eine Last war, die er irgendwann nicht mehr brauchen würde. Dass er ihn bloß ausnutzen würde wie ein jeder zuvor.
Reiß dich doch endlich mal zusammen.
Allan ließ den Blick über die Landschaft vor ihnen schweifen. Ein leiser Seufzer entwich seinen Lippen, doch er schien nicht leise genug, denn Cedric blickte ihn nur noch besorgt an. „Was ist los?", wisperte er.
„Es ist nichts", murmelte Allan zögerlich.
„Allan." Cedric blieb direkt vor ihm stehen, und seine Hand glitt behutsam in seinen Nacken, streichelte beruhigend mit dem Daumen über die weiche Haut dort. Allan unterdrückte ein Schaudern und lief puterrot an. Schnell richtete er den Blick gen Boden.
„Al, sieh mich an."
Zögernd hob Allan den Blick zu Cedric, der so dicht vor ihm stand, dass er seinen warmen Atem auf seiner Wange spüren konnte. Cedric legte den Kopf schief. „Bitte sag es mir, wenn du dich irgendwie unwohl fühlst."
„Was?" Allan blinzelte ihn verwirrt an.
„Allan, Ich merke es doch, wenn du zusammenzuckst", seufzte Cedric. „Oder wenn du dich anspannst, dir nervös durch die Haare streichst oder zu Boden schaust. Ich will bloß, dass es dir gut geht."
„Ich weiß", murmelte Allan. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, doch er zwang sich, endlich in Cedrics eisblaue Augen zu sehen. „I-Ich... ich hatte bloß eine miese Kindheit."
„Ich weiß", murmelte Cedric leise und musterte ihn traurig.
Allan starrte ihn verwirrt an. Das Herz schlug ihm bis zum Halse. „Was?"
Cedric riss erschrocken die Augen auf, als er realisierte, was er gesagt hatte. Seine hellblauen, wundervollen Augen musterten ihn hektisch, Angst vermischt mit dem Drang, irgendetwas zu sagen. Allan hatte schon vor langer Zeit gelernt, in diesen blauen Augen zu lesen, die er so gerne ansah, so sehr liebte, sich so gerne darin verlor. Doch er hatte nicht den Mut, laut zu lesen.
Cedrics Blick wurde weich, beinahe gebrochen. Er presste die Lippen zu einem Strich zusammen, lehnte die Stirn an die Allans und schloss die Augen. Allan starrte ihn verdattert an. Sein Herz raste wie wahnsinnig. „Cedric, was–"
„Ach verdammt, scheiß drauf." Cedric packte Allan mit der anderen Hand an der Taille, zog ihn rasch an sich und drückte die Lippen auf die seine, küsste ihn zärtlich. Allan war einem Herzinfarkt nahe, doch er sank sehnsüchtig in Cedrics Berührungen, in ihren Kuss, in diese Gefühle, die der schönste Mann, den er je gesehen hatte, in ihm auslöste und erwiderte dessen Kuss so liebevoll er konnte, denn das war alles, was er in diesem Augenblick wollte.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now