Kapitel 95

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There' s Nothing Holdin' Me Back- Shawn Mendes
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Minute für Minute vergeht und wir haben immer noch keine Informationen über den aktuellen Zustand meiner kleinen Schwester erfahren. Ob es nun positiv oder negativ ist kann ich nicht sagen, allerdings hoffe ich natürlich auf das erste. Das vibrieren meines Handys lässt mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Auch die Aufmerksamkeit der anderen habe ich nun. Verwirrt hole ich es aus meiner Hosentasche. Eigentlich erwarte ich keine Nachrichten. Sobald der Speerbildschirm aufleuchtet kriege ich den zweiten Schreck am heutigen Tage. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Nachricht.
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Santiago

„Scheiße!",fluche ich leise vor mich hin. Mit dieser Person habe ich wirklich gar nicht gerechnet und nun ist auch wirklich ein sehr ungünstiger Zeitpunkt mir zu schreiben. Meine Gedanken drehen sich nämlich ganz allein um meine Schwester und um nichts anderes. „Was ist los?", fragt mein älterer Bruder irritiert. Durch seine nicht sonderlich leise gestellte Frage habe ich jetzt auch die Aufmerksamkeit von allen hier im Wartezimmer. „Lange Geschichte!", seufze ich. „Also ich habe Zeit! Mehr als warten und beten können wir momentan sowieso nicht machen!",bringt mein jüngster Bruder ein. Mit einen genervten Blick schaue ich zu ihm rüber, weswegen er nur abwehrend seine Hände hochhält. „Also mich würde es auch interessieren!",unterstützt Luciano seinen Bruder. „Also gut! Ich erzähle sie euch aber in einer Kurzfassung!", gebe ich nach. Gerade als ich beginnen will geht jedoch die Tür des Wartezimmers auf. Voller Hoffnung starren wir auf diese, werden aber direkt wieder enttäuscht. Es ist kein Arzt oder Pfleger der uns Bericht erstatten will, sondern unser Vater. „Ihr braucht gar nicht so hoffnungsvoll zu gucken! Ich weiß absolut gar nicht wie es jetzt gerade um sie steht. Ich musste nur noch einmal das ganze Geschehen schildern, weswegen ich so lange weg war!", erklärt er während er sich neben mich hinsetzt. „Okay...", murmelt Valentino enttäuscht. „Nun erzähl aber mal!",bittet mich nun Matteo. Seine Neugierde ist echt unerlässlich! „Worum geht es?", fragt unser Vater verwirrt. Verständlicherweise weiß er überhaupt nicht worum es geht. Er war schließlich die ganze Zeit draußen und hat nichts mitbekommen. „Santiago hat eine Nachricht bekommen, welche wohl sehr ungewöhnlich ist. Zumindest seiner Reaktion zufolge. „Jetzt bin ich aber auch gespannt!", grinst er mich an. Seufzend stütze ich meine Ellbogen auf meinen Knien ab und lege meine Kopf auf meine Hände. Dann lege ich los.

„Bevor ich mit Amelia zum Freizeitpark gefahren bin, haben wir noch einen Zwischenstopp bei einem Café gemacht. Dort haben wir uns dann etwas länger mit einer Kellnerin unterhalten.Sie wirkte sehr nett und freundlich! Nach einigen Tagen waren wir erneut da und haben sie wieder gesehen und mit ihr gesprochen. Als wir dann draußen waren haben wir Schreie gehört. Sie wurde von Männern angefasst. Wir haben dann schnell gehandelt und sie gerettet. Da sie aber so unter Schock stand haben wir ihr vorgeschlagen sie noch nach Hause zufahren. Ziemlich merkwürdig und leicht ängstlich hat sie auf die Worte ‚nach Hause' reagiert, was Amelia und mir direkt aufgefallen ist. Nach einer kurzen Diskussion haben wir sie dann schlussendlich überzeugen können sie nach Hause zu fahren. Einfach damit sie keinen Unfall baut und wir wissen, dass sie ohne weitere Zwischenfälle zuhause ist. Ihr merkwürdiges Verhalten wurde mit Minute zu Minute stärker. Als wir ankamen sahen wir ein ziemlich heruntergekommenes Haus. Es sah wirklich nicht sonderlich einladend aus. Deshalb habe ich Chayana das ist übrigens ihr Name meine Handynummer gegeben. Nur für den Notfall. Ehrlich gesagt hatte ich es schon wieder vergessen, weil sie sich nie gemeldet hat, bis gerade. Eben gerade hat sie mir eine Nachricht geschickt, dass sie meine Hilfe braucht. Irgendwas ist passiert! Ich weiß, dass sie mir nur im absoluten Notfall schreiben würde!", erkläre ich und werde zum Ende hin immer besorgter. „Das klingt wirklich nicht gut! Wenn du willst fahr ruhig zu ihr und überprüfe, ob mit ihr alles in Ordnung ist! Mir tut sie jetzt schon unheimlich leid bei dem was du bis jetzt erzählt hast! So eine Reaktion auf die Worte ‚nach Hause' ist absolut nicht normal! Ich will nicht, dass ihr nochmal irgendwas schlimmes zustößt. Alleine durch deine Erzählung ist sie mir schon ans Herz gewachsen! Also los ,mach dich auf dem Weg und hilf ihr! Sie zählt auf dich! Wir passen hier solange auf und rufen dich natürlich an, sollte es irgendwelche Veränderungen bei deiner kleinen Schwester geben!",spricht meine Mutter mir leicht lächelnd zu. Auch die anderen nicken zustimmend. „Okay, aber ihr informiert mich wirklich bei jeder kleinsten Nachricht verstanden?",frage ich noch einmal prüfend nach, während ich mit meinem Zeigefinger noch einmal auf jeden zeige. „Ja, machen wir! Und jetzt sei der Prinz, der seine Prinzessin rettet!", fordert Alejandro mich schmunzelnd auf. Auch ich muss leicht grinsen, eile aber trotzdem zur Tür und reiße sie förmlich auf. Sobald sie auf ist ,sehe ich ich in mehrere verwirrte Gesichter. „Santiago, alles in Ordnung? Wie geht es deiner Schwester? Als wir gehört haben was passiert ist, sind wir sofort umgedreht, haben schnell Autos getauscht und sind hier hin gefahren!", bombardiert mich Luisa mit Fragen. „Zu ihrem Zustand wissen wir noch nicht sehr viel, allerdings habe ich jetzt gerade ein weiteres Problem! Dürfte ich mir eins von euren Autos ausleihen? die anderen können euch alles genauestens erklären!", rede ich mich heraus. Kurz werden alle Gesichtsausdrücke noch verwirrter, bis sich Linas Bruder Rául am schnellsten wieder fängt. „Klar! Pass aber auf dich auf!",pflichtet er mir bei, während er mir seine Autoschlüssel zuwirft. „Du kennst mich doch!", entgegne ich schmunzelnd und fange sie mit Leichtigkeit auf. „Deswegen sage ich es ja!", lacht er. „Danke für die Schlüssel!"; rufe ich ihm zu, während ich nach draußen jogge. Jetzt darf ich wirklich keine Zeit mehr verlieren!

In einem Rekordtempo brettere ich durch die Straßen und überfahre sogar rote Ampeln um irgendwie die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Zu meinem Glück haben Raúl und ich den selben Wagen, weshalb ich mich nicht wirklich umstellen muss. Mit quietschenden Reifen komme ich schlussendlich vor Chayanas Haus zum stehen. Ohne zu zögern löse ich meinen Anschnallgurt und lasse ihn mit einem lauten Geräusch zurückfliegen. Die Tür öffne ich auch nicht gerade leise, aber das ist mir in dem Moment absolut egal. Mit hervorgezogener Waffe, welche ich zum Glück im Handschuhfach gefunden habe ,gehe ich mit zügigen Schritten Richtung Tür. Schon meterweit entfernt hört man laute Schreie und Kampf Geräusche. Mit einem geübten Tritt breche ich die Tür ein und trete mit der Waffe in der Hand ein. Dort halte ich inne. Ein Mann um die fünfzig hält Chayana an die Wand gepresst und erwürgt sie beinahe mit seinen Händen. „Santiago!", röchelt sie, während ihr vereinzelt Tränen über die Wangen laufen. „Wer ist das?", schreit der mir unbekannte Mann in meine Richtung. Sein Griff verstärkt er durch seine aufkommende Wut deutlich, was sich direkt negativ auf Chayanas Luftzufuhr auswirkt. Ihr Gesicht verliert immer mehr an Farbe und die Tränen nehmen zu. „Finger weg von ihr!", drohe ich und betone jedes Wort bedrohlich. Sie lassen eindeutig keinen Raum für einen Widerspruch was auch der Mann sofort merkt. Stark schluckend starrt er zuerst auf die Waffe und anschließend auf mich. Dann wieder auf die Waffe und anschließend seine Hand, welche um ihren Hals liegt. Zögerlich lockert er seinen Griff und Chayana gleitet stark nach Luft röchelnd an der Wand zu Boden. Der Mann schenkt ihr aber keine Aufmerksamkeit. Diese liegt voll und ganz bei mir, was ich aber auch als sehr gut befinde. So kann ich ihn förmlich mit meinen Blicken erdolchen. „Hängst du an ihm?", frage ich sie emotionslos. „Nein, nicht wirklich! wir sind weder miteinander verwandt, noch sonst irgendwas. Er ist ein Kumpel von meinem Vater! Er-", erklärt sie schluchzend wird aber von einem lauten Knall unterbrochen. Diese Worte haben mir Gericht, um ihn mit einem einzigen Schuss zu töten. So ein handgreifliches Schwein verdient es nicht zu leben! Langsam lasse ich meine Waffe sinken und eile stattdessen zur der noch immer an der Wand kauernde Chayana. „Danke!", flüstert sie. „Danke, dass du gekommen bist! Danke, dass du mich gerettet hast! Wieder einmal!", spricht sie und muss am Ende leicht schmunzeln. „Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe! Was hat er denn hier gemacht?", frage ich während ich mit einem Kopfnicken zur Leiche deute. Stark schluckend sieht sie zuerst die Leiche an und anschließend mich. „Mein Vater ist oft betrunken und dementsprechend auch des öfteren aggressiv mir gegenüber. Es ist nicht das erste mal, dass jemand droht mir was anzutun. Es ist allerdings das erste mal, dass es jemand anderes ist als mein Vater!",erklärt sie mit zitternder Stimme. Tränen fangen erneut an ihr schönes Gesicht herunterzufließen, werden jedoch von meinem Daumen behutsam weggewischt! „Wo ist dein Vater!", knurre ich aggressiv. Wie kann man sowas seiner Tochter nur ankommen. „Er ist...weg!", flüstert sie. „Wie weg?", frage ich und meine Wut verschwindet allmählich wieder. Es beruhigt und beunruhigt mich zugleich nicht zu wissen, wo er sich befindet. Die Tatsache aber, dass er momentan nicht in ihrer Nähe ist lässt mich jedoch ein wenig entspannen. „Er ist eines Abends in eine Bar gegangen und seitdem nie wieder aufgetaucht!", erklärt sie. Verstehend nicke ich. „Hast du irgendwelche Verletzungen? Haben sie dir irgendwas antun können?", frage ich sie ,während mein Blick prüfend über ihren Körper gleitet. Äußere Verletzungen kann ich zum Glück nicht feststellen. Auch sie verneint meine Frage.

„Ich möchte dich ungern hier alleine lassen! Dein Vater könnte jede Sekunde wiederkommen und sonst was mit die anstellen! Möchtest du mit zu uns kommen? Wir könnten für deine Sicherheit sorgen und du hättest endlich mal ein richtiges Dach über dem Kopf!", frage ich sie während ich den letzten Teil mit dem Blick an die Decke nur noch murmle.

Nur der Wille zähltWhere stories live. Discover now