Kapitel 94

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Grenade- Bruno Mars
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Ein paar kurze Sätze werden noch ausgetauscht, bis sich mein Vater mit mir in den Armen erneut in Bewegung setzt. dadurch erbreche ich erneut und fühle mich noch elendiger als davor. „Ich... will... nicht... sterben!", flüstere ich. „Nein Amelia, du stirbst nicht! Das verbiete ich dir! Wenn du stirbst, dann kriegen wir beide richtig Ärger!",spricht mein Vater mir zu. Plötzlich spüre ich eine Art Matte unter meinem Rücken und anschließend etwas spitzes an meinem Arm. Kurze Zeit später versinke ich in der tiefen schwarzen Welt.
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Santiago

Stillschweigend beobachte ich den Abtransport von meiner kleinen Schwester und behalte alles genau im Blick. Jede kleinste Veränderung würde mir nun sofort auffallen und das ist auch das Ziel. So fallen mir vielleicht Sachen auf, die den von Martin geschickten Ärzten nicht auffallen. Es ist zwar eher unwahrscheinlich, weil ich weder eine medizinische Ausbildung noch irgendwelche Erfahrungen in diesem Bereich habe, jedoch beruhigt es mein Inneres enorm einen strengen Blick auf die ganze Situation zu werfen. Es macht mich beinahe verrückt einfach nur daneben stehen zu dürfen und nichts machen zu können. Keine Möglichkeit zu haben irgendwie helfen zu können, sondern einfach nur vollstes Vertrauen in die einem unbekannten Ärzte zu stecken. Ein absolut schreckliches Gefühl. Ein kurzer Seitenblick zu meinen anderen Brüdern und meiner Mutter verrät mir aber, dass es mich nicht als einziger so mitnimmt. Gut, dass habe ich aber auch nicht erwartet, denn alle hängen mindestens genauso stark an Amelia wie ich. Zwischen all den besorgten Gesichtern stechen aber zwei besonders niedergeschlagene Gesichtsausdrücke heraus. Diese gehören meiner Mutter und Valentino. Schweigend laufe ich zuerst zu Valentino. Er steht mit verschränkten Armen wenige Meter vom Helikopter entfernt und überblickt stillschweigend die Situation. Voller brüderlicher Liebe lege ich meinen Arm um seine Schultern. Kurz zuckt er zusammen, fängt sich allerdings schnell wieder. Trotz das unsere Blicke star auf die Flugkreatur vor uns gerichtet sind, kann ich Tränen in den Augen meines jüngeren Bruders erkennen. „Sie wird wieder!",spreche ich und versuche ihn damit ein wenig aufzumuntern. Funktionen tut es allerdings wenig. „Es ist alles meine Schuld! Wäre ich nicht weggegangen, dann hättet ihr mich nicht suchen müssen und dann hätten wir auch nicht genau an dieser Stelle Holz gesucht. Nur wegen mir geht es ihr so schlecht!", erklärt er emotional. „Bei sich die Schuld zu suchen ist so ein Ding, was immer nur die tun, die es nicht müssten und nie die, die es dringend sollten. Selbst wenn du hier bei uns geblieben wärst, würde es nicht direkt heißen, dass Amelia nicht von einer Schlange gebissen worden wäre. Es ist passiert, als ihr Holzstämme für das Lagerfeuer gesucht habt. Du hast ihr weder diesen Auftrag gegeben, noch sie genau diesen Baumstamm aufheben lassen. Man weiß nie, vor welchen größeren Unglück einen das Pech bewahrt hat. Es sollte so kommen! Unsere kleine Schwester ist eine Kämpferin und sie wird dieser Schlange zeigen, dass kein Gift bewirken kann, dass ihr Herz aufhören aufhört zu schlagen!",erkläre ich ihm. „Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viel Schuld und Schmerz in einen winzigen Moment passen. In einen Moment, den du weder vorhersehen noch rückgängig machen kannst!",antwortet er mir. Währenddessen wendet er seinen Blick von Amelia und schenkt ihn dafür mir. „Die Hand voller Asse, doch das Leben spielt Schach!", flüstere ich sprachlos. Unser Gespräch hat mich tatsächlich sprachlos gemacht und das passiert selten. Ich habe einfach angefangen zu reden und beginne erst jetzt zu realisieren, was ich oder eher wir gesagt haben. Es stimmt, man weiß nie was passiert, aber alles passiert aus einem Grund. Ob wir diesen Grund einmal finden werden ist ungewiss, allerdings sollen wir es als eine Chance nehmen, die Tatsache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Mit dieser Erkenntnis löse ich meinen Arm von Valentinos Schultern und gehe stattdessen unserer Mutter. Liebevoll ziehe ich sie in eine Umarmung. „Es ist alles meine Schuld! Hätte ich ihnen nicht gesagt, dass sie Holzstämme mitbringen sollen, dann wäre das alles gar nicht passiert!", flüstert sie. Irgendwo habe ich diesen Satz schon einmal gehört. „Es ist nicht deine Schuld. Aus deinem Blickwinkel betrachtet vielleicht, allerdings nichts aus anderen. Vielleicht sollte es einfach so sein. Möglicherweise wäre sonst noch etwas schlimmeres passiert. Wir wissen es nicht, aber ich weiß, dass Amelia es schaffen wird! Wir wissen das!". „Natürlich wird sie es schaffen! Immerhin ist sie meine Tochter!", stimmt meine Mutter mir zu und muss währenddessen leicht lachen. Vorsichtig löst sie sich aus meiner Umarmung und guckt mich mit leicht verweinten Augen an. „Wisch dir deine Tränen am besten weg! Sie stehen dir nicht! Du hast keinen Grund traurig zu sein, aber einen um stolz zu sein. Du kannst stolz sein, dass du so eine starke Tochter hast, welche immer kämpft und nicht so schnell aufgibt. Sie will es schaffen!", rate ich ihr lächelnd. „Tränen kann man wegwischen, Gefühle nicht!". „Das stimmt, aber Tränen verraten diese!",kontere ich gekonnt. Leise lachend wischt meine Mutter ihr Tränen mithilfe ihres Handrückens weg. „Danke!", flüstert sie. „Sehr gerne!"

„Wir fliegen jetzt los! Ihr könnt uns sofort folgen, allerdings weiß ich nicht, ob ihr dann im Krankenhaus direkt zu ihr könnt! Wir werden jedoch unser bestes geben!", erklärt plötzlich eine Stimme aus dem Helikopter. Wenn ich mich nicht täusche, dann müsste sie Pablo gehören. Etwas erwidern können wir nicht, weil der Helikopter dann auch schon abhebt und los fliegt. Bereits nach kurzer Zeit ist er immer kleiner zu sehen ist, bis er schließlich komplett verschwindet. „Wollen wir losfahren? Ich kann fahren!", fragt Blake in die Runde . Zustimmend nicken wir alle und machen uns dann direkt auf den Weg ins Krankenhaus.

Der Weg dahin verläuft bisher zum Glück ziemlich unspektakulär. Die Stimmung ist verständlicherweise ziemlich bedrückt, weswegen die Fahrt stillschweigend und ohne Autounfall verläuft. Insgesamt sind wir nun seit bereits zwei Stunden unterwegs, da noch ordentlich Verkehr ist. Bei diesem ist es also auch kein Wunder, dass die anderen beiden Familien auf die wir noch warten noch nicht angekommen sind. „Wir müssen noch den anderen Bescheid geben, dass wir im Krankenhaus sind! Nicht, dass sie sich wundern wo wir abgeblieben sind!",erkläre ich. „Ich habe beiden Familien schon Bescheid gesagt! Sie drehen nun um und kommen anschließend mit anderen Autos hier hin. Sie richten sich aber je nachdem, wie der Zustand von Amelia ist!",teilt unsere Mutter uns mit. Anscheinend sind sie wirklich noch nicht weit gekommen mit ihrer Anfahrt zum Campingplatz, wenn sie noch umdrehen können. Das Krankenhaus befindet sich ganz in der Nähe unseres Anwesens. Es ist mit Abstand das größte und best qualifizierte hier in der Nähe und hat zu unserem Glück auch die höchste Anzahl an Gegengiften bei Schlangenbissen.

„Wir sind da!", meldet sich plötzlich mein älterer Bruder zu Wort. Sofort schellt mein Blick zum Fenster, wo ich erleichtert das große Krankenhaus erkennen kann. Zusammen begeben wir uns in dieses. Sobald man durch die Türschwelle tritt, kommt einem sofort der typische Krankenhaus Geruch entgegen. Überwiegend wegen des Desinfektionsmittels, welches überall steht. Ich war lang nicht mehr in einem und war da ehrlich gesagt auch nicht so traurig drum.

„Sind sie Familie Hernández?", fragt ein Pfleger uns plötzlich, weshalb unsre Blicke nun auf ihm liegen. Diesem ist die Situation und die Blicke sichtlich unangenehm. „Ja, das sind wir!", beantwortet meine Mutter seine Frage. „Wie geht es meiner Tochter!", fragt sie besorgt weiter. „Ihre Tochter befindet sich gerade in Behandlung, allerdings hat sich herausgestellt, dass die Schlange hochgiftig war. Wir müssen jetzt abwarten, wie das Gegengift anschlägt! Ich würde sie daher bitten hier einmal einen Moment lang im Wartezimmer platz zu nehmen. Wir geben ihnen sofort Bescheid, wenn sich irgendwas an ihrem Zustand verändert!". Mit einem Nicken zeigen wir unser Einverständnis, weswegen er uns zum Wartezimmer führt. Sobald wir angekommen sind, ist er auch sofort wieder weg. Seufzend verteilen wir uns auf die Sitze und starren in die Luft. Nun heißt es nur noch beten, dass sie es schafft und das Gegengift anschlägt, denn sonst drehe ich durch.

Minute für Minute vergeht und wir haben immer noch keine Informationen über den aktuellen Zustand meiner kleinen Schwester erfahren. Ob es nun positiv oder negativ ist kann ich nicht sagen, allerdings hoffe ich natürlich auf das erste. Das vibrieren meines Handys lässt mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Auch die Aufmerksamkeit der anderen habe ich nun. Verwirrt hole ich es aus meiner Hosentasche. Eigentlich erwarte ich keine Nachrichten. Sobald der Speerbildschirm aufleuchtet kriege ich den zweiten Schreck am heutigen Tage. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Nachricht.

Nur der Wille zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt