Kapitel 60

1.1K 44 4
                                    

This Is The Life- Amy MacDonald
-
Ein paar Sekunden herrscht Stille und man könnte eine Stecknadel fallen lassen so leise ist es. Alle Beteiligten haben einen kalten Gesichtsausdruck aufgesetzt, weshalb man keine Emotionen mehr in ihren Gesichtern erkennen Kannen. In allen bis auf meinem, denn da erkennt man ein Gefühl ganz deutlich: Angst. „Nun, dann sag deiner Schwester mal Lebewohl!", spricht Glatzkopf und ein Schuss ertönt...
-
Amelia

So schnell kann ein Leben vorbeigehen. Ich hatte ein wirklich schönes Leben, auch wenn es sehr kurz war. Viele schöne aber auch nicht so schöne Momente haben mein Leben geprägt und mich zu dem gemacht, was ich heute bin oder zumindest bis heute war. Ich konnte mein Leben zwar nicht verlängern aber dafür vertiefen. Nicht die Jahre haben mein Leben ausgemacht, sondern das Leben in den Jahren. Auch konnte ich mein Ziel: Selbstständiger zu werden nicht erreichen, allerdings hat der Weg den ich gegangen bin mich mit vielen Erfahrungen bereichert. Durch einen kräftigen Ruck werde ich nach hinten gezogen. Vermutlich wird die Kugel gerade irgendwo in meinen Körper eingedrungen sein und die Geschwindigkeit mit der die Kugel auf mich trifft, stößt mich nach hinten. Mehrere Sekunden warte ich auf die dazugehörigen Schmerzen, welche bei einer Schusswunde aufkommen, allerdings spüre ich keine. Ich sehe nur schwarz. Fühlt es sich etwa so an tot zu sein? Fühlt es sich so an alles zu verlieren? Wird sich jemand an mich erinnern oder werde ich durch die Vergessenheit ‚richtig' sterben? „Maus, hörst du mich?", dringt eine Stimme zu mir. Diese kann ich zu meinem Bruder Matteo zuordnen. Ist er etwa auch tot? Bin ich durch meinen leichtsinnigen Rettungsversuch Schuld daran, dass er jetzt auch tot ist? Bin ich dafür verantwortlich, dass das Leben meines Bruders auch beendet wurde? Gibt es im Himmel einen Richter, der mich dafür verklagen wird, weil ich schuld bin, dass ein anderer durch mich sein Leben verloren hat? Eine positive Sache hat es wenigstens, dass mein Bruder auch tot ist: nun bin ich zumindest nicht alleine als Geist unterwegs, sondern kann mit ihm zusammen andere erschrecken. Sowohl andere Geister, als auch Menschen. Trotzdem wäre ich lieber quicklebendig bei meiner Familie und würde mir dafür auch mehrere Stunden die Predigt anhören, die ich nach so einer Aktion meinerseits verdient hätte. Wie lange bin ich eigentlich schon tot? Minuten, Stunden oder sogar schon Tage? Wahrscheinlich ist meine Familie momentan von Trauer bestürzt und ich kann sie nicht in den Arm nehmen und sagen, dass alles gut ist und ich wieder zurückkommen werde. Aber das werde ich nun einmal nicht! Ich werde nie wieder mit meinen beiden Freundinnen irgendwelche peinlichen Sachen unternehmen. Ich werde aber hier im Himmel auf sie warten und dann werden wir die Zeit, die viel zu früh geendet ist, nachholen.

„Sweety, alles gut! Mach mal deine Äuglein auf! Wir haben dich und werden dich auch nicht mehr loslassen! Du und Santiago seid in Sicherheit! Wir waren hier bevor es zu spät war! Mach jetzt bitte deine Augen auf, bitte...", höre ich die bittende Stimme meines jüngsten Bruders wie durch Watte. Bin ich gar nicht tot? Aber wo bin ich dann, denn ich kann mich nicht bewegen? Bin ich wieder in diesem Zustand in dem ich war, als das mit Kathy passiert ist? Aber dann konnte ich doch mehr als nur schwarz sehen? Um herauszufinden, wo ich bin versuche ich das Schwarze irgendwie zur Seite zuschieben. Mithilfe eines großen Kraftaufwandes gelingt es mir und viele bunte Farben dringen auf mich ein. Es dauert einen Moment bis ich die Kontrolle über den Fokus von meiner Sicht habe, dann aber erkenne ich alles haargenau . „Boar bist du scharf!", murmle ich mehr als erstaunt an mich selber gerichtet, als ich Matteo über mich beugend ausfindig machen kann. „Dankeschön! Tut mir leid das sagen zu müssen, aber du sahst auch schonmal besser aus. Wunderschön bist du aber trotzdem", antwortet er mir mit einem Zwinkern. „Freut mich, dass du wieder bei uns bist kleine Schwester! Du warst zwar nie wirklich weg, allerdings habe ich deine süße Stimme vermisst! Trotzdem würde ich jetzt vorschlagen, dass ihr später weiter flirten könnt und wir uns jetzt lieber in das Auto setzten und von hier verschwinden! Die Sonne geht nämlich gleich unter und ich habe keinen Lust noch gegen irgendein ausgestelltes Auto zu laufen, weil ich nichts sehe!", erklärt Leonardo, während er seine Hände unter meinen Kniekehlen und an meinem Rücken platziert. Auf eine Antwort wartet er gar nicht mehr, denn er richtet sich auf und schon befinde ich über dem Boden anstatt fast unter dem zu liegen. Das ist mir doch um einiges lieber, anstatt mich in einem Sarg zu liegen. Mit mir in seinen Armen begibt er sich zu einem der Autos und blickt währenddessen immer mal wieder schmunzelnd auf mich herunter. Ich hatte aber eindeutig genug Aufregung für heute, weswegen ich mich ziemlich ausgelaugt fühle. Zum Einschlafen ist noch zu viel Adrenalin in meinem Körper, allerdings lehne ich meinen Kopf an seine Brust an und komme mal kurz zur Ruhe. Ich blende die Außenwelt um mich herum aus und nehme mir einen kurzen Augenblick nur für mich.

„Wir fahren jetzt nach Hause! Diese Nacht schläfst du bei mir! Morgen ist auch noch ein Tag und dann werden wir dir alle deine Fragen zu dem heutigen Erlebnis beantworten, aber heute ruhst du dich erstmal nur noch aus!", erklärt Matteo sanft. Vorsichtig streicht er mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr, ehe er sich von mir entfernt, um das Auto herumgeht und auf der Fahrerseite einsteigt. Während der Fahrt kuschle ich mich an meinen jüngsten von meinen älteren Brüdern und genieße einfach die angenehme Stille, welche herrscht. Einzig und allein das Radio läuft leise. Die Fahrt vergeht schnell und es dauert nicht lange, da fahren wir durch das Tor, welches uns geöffnet wird und anschließend in unserer Tiefgarage. Mit einer geschickten Handbewegung öffnet mein Bruder als das Auto zum stehen kommt seinen und meinen Anschnallgurt, weshalb ich meine Tür öffne und aussteige, während Leonardo auf der anderen Seite aussteigt. Auf meinen eigenen Beinen stehe ich aber nicht lange, denn mit nur einer schnellen Bewegung bringt Matteo meine Beine zum einknicken, fängt mich aber sofort im Brautsyle auf. Zusammen begeben wir uns drei ins innere unserer Villa. Diese ist erschreckender weise ziemlich still und leer, schließlich kümmern sich die anderen noch um unsere Verfolger! Ich bin wirklich gespannt, was sie mir morgen berichten werden!

„Du, Matteo? Wie geht es eigentlich Santiago? Ich habe ihn vorhin gar nicht mehr gesehen...", frage ich meinen Bruder während ich ihn beobachte, wie er sich in seinem Ankleidezimmer hin und her bewegt. „Santiago? Dem geht es gut! Ein bisschen wütend ist der, weil du anscheinend nicht ganz an seine Anweisungen gehalten hast. Wenn du jetzt aber seine Psyche meinst: Dieser geht es so wie immer! Ganz normal war sie ja noch nie, allerdings war es ja schließlich nicht seine erste Verfolgung! Den Rest klären wir aber morgen, denn jetzt schlafen wir erst einmal! Die anderen werden aber sicher auch in den nächsten paar Minuten hier ankommen!", erklärt er mir beruhigend, während er umgezogen aus seinem Ankleidezimmer heraustritt und sich zu mir ins Bett gesellt. Seine leichte Belustigung hört man aber trotzdem raus, auch wenn er sie versucht zu verstecken. Aneinander gekuschelt schlafe ich schnell mit einer Menge Fragen ein. Die Antworten bekomme ich leider erst morgen, aber auf diese bin ich schon sehr gespannt...

Nur der Wille zähltWhere stories live. Discover now