Kapitel 12

2.3K 69 7
                                    

Papaoutai- Stromae
-
Plötzlich gibt der Dirigent ein Zeichen und alle beginnen (das oben verlinkte Lied) zu spielen. Amelia als Hauptvioline. Es hört sich unglaublich an.
-
Amelia

Ich muss zugeben, dass ich alles während des Liedes ausblende. Die Blicke, der Druck und auch die anderen Instrumente nehme ich nicht wahr. Ich fokussiere mich vollends auf meine Finger an der Geige. Auf meine einzelnen Handgriffe und die Musik.

Dafür, dass es das erste Mal ist, dass ich dieses Instrument spiele, funktioniert es wie erwartet super und macht zugegebenermaßen wirklich Spaß.

Das Lied vergeht wie im Flug und erst als ich den letzten Ton spiele, blicke ich auf. Ich richte meinen Blick auf das Publikum, wo meine Augen direkt die von meiner Familie treffen.

Meine Brüder, Cousins, Onkel und mein Vater ähneln einem Geist, während meine Mutter, Tanten und Freundinnen die Tränen übers Gesicht laufen. Ein stolzes und glückliches Lächeln liegt auf ihren Lippen, welches ich überglücklich erwidere. Ich erkenne keinen Funken Zorn oder Enttäuschung in ihren Blicken, was mir eine riesige Last vom Herzen nimmt.

Schließlich hätten sie jeden Grund dazu und wenn ich an ihrer Stelle wäre, dann wäre innerlich ziemlich verletzt und enttäuscht. Enttäuscht und verletzt, dass man mich angelogen hat.

Schweren Herzens löse ich mich nach kurzer Zeit von ihren Blicken und wende mich stattdessen dem Orchester zu. Die meisten davon sehen stolz und unfassbar dankbar aus. Manche haben sogar Tränen in den Augen. Unter ihnen befinden sich auch die drei, die die Diskussion geführt haben.

»Danke für euer Vertrauen! Es hat mir viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass wir das eines Tages wiederholen können, aber dann unter besseren Umständen!«, lache ich zum Ende hin. »Hier ist die Geige! Ich würde dann man zu meiner Familie gehen, denn denen bin ich noch eine Entschuldigung schuldig!«

»Vielen Dank für deinen Einsatz! Du hast uns wirklich das Leben gerettet! Ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass wir dich gerne wiedersehen würden! Du bist immer herzlich willkommen! Wenn du willst, kannst du auch dauerhaft spielen!«, schlägt die ältere Dame, wessen Name ich immer noch nicht kenne, vor.

»Würde ich sehr gerne, aber ich glaube, bei diesem Thema stellt mein Vater sich quer und auf einen Streit bin ich im Moment nicht wirklich scharf!«, lehne ich dankend ab.

»Das verstehen wir natürlich! Wenn du deine Meinung oder eher dein Vater seine Meinung ändert, dann kannst du dich gerne melden, denn das Angebot gilt nicht nur heute!«, mischt sich der Mann ein.

»Danke! Wenn ich darf, dann melde ich mich auf jeden Fall!«, verspreche ich, ehe ich einem von ihnen, die Geige in die Hand drücke und dann vorsichtig von der Bühne gehe.

Auf dem Weg zu meiner Familie schwirren mir wieder viele Gedanken herum, einer davon sehr präsent. Hoffentlich wird Luciano nicht zu wütend auf mich sein, dass ich ihn angelogen habe ...

So in Gedanken versunken nehme ich meine Umwelt gar nicht mehr wahr und werde erst zurückgeholt, als ich in die Arme meiner Mutter geschlossen werde.

»Du warst unglaublich, Amelia!«, flüstert sie mir mit bebender Stimme ins Ohr. Lächelnd löst sie und wischt sich die Tränen aus den Augen.

Aus dem Nichts schlingen sich plötzlich zwei Arme um meine Taille und ehe ich mich versehe, lande ich schon in der nächsten Umarmung. Alejandro schlingt seine Arme so fest um mich, dass ich das Gefühl habe, nachher wie ein platt gefahrener Pfannkuchen auszusehen.

»Alejandro, ich glaube, du erdrückst sie!«, weist Sophie meinen Bruder lachend darauf hin.

Sofort löst sich sein starker Griff und ich werfe Sophie einen dankbaren Blick zu, welchen sie nur lächelnd abwinkt.

Unzählige Umarmungen und liebe Worte später stehe ich vor meinem Bruder Luciano. Seinen Blick kann ich absolut nicht deuten. Er ist emotionslos und verrät mir nicht einen seiner Gedanken momentan, was mich innerlich verrückt macht. Eine Achterbahn von Gefühlen erlebe ich innerhalb von Millisekunden.

»Es tut mir leid ... es war nun mal so langweilig!«, versuche ich mich zu erklären, als Luciano nicht die Anstalten macht auch nur ein Wort zu sagen und somit die unangenehme Stille zwischen uns zu brechen.

Nur der Wille zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt