Kapitel 70

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The Nights- Avicii
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So blind vor Wut merke ich gar nicht, wo ich hinlaufe. Ich kann aber noch in letzter Sekunde stoppen und schaue nun mit großen Augen nach vorne. Dann fange ich an zu schreien...
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Amelia

Ich schreie mir gefühlt die Kehle aus dem Hals und habe auch nicht vor in nächster Zeit aufzuhören. Zu groß ist der Schock, dass ich fast in das schwarze Tier reingerannt wäre. Geschätzte dreißig Zentimeter Abstand sind noch zwischen der behaarten, riesengroßen Spinne vor mir und meinem Gesicht. Die Vorstellung, dass ich ,wenn ich nicht rechtzeitig eine Vollbremsung eingelegt hätte mit dem Gesicht in das Spinnennetz inklusive der Spinne gerannt wäre lässt mich erschaudern. Mit größter Vorsicht und der Angst tief bis in den Knochen beobachte ich jede kleinste Bewegung des achtbeinigen Ding vor mir. Ich habe eine panische Angst vor Spinnen und bin deswegen auch schon ab und zu wenn ich eine gesehen habe, umgekippt. Die Angst habe ich aber erst vor ziemlich genau vier Jahren entwickelt.

Als ich sechs Jahre alt war hatte ich ein unschönes Erlebnis mit einer. Es war Hochsommer weswegen wir beschlossen hatten einen Tag am Pool zu verbringen. Ich hatte den Spaß meines Lebens. Zusammen mit meiner kompletten Familie inklusive meiner Tanten, Onkel und Cousins einen Tag zu verbringen ohne, dass sie arbeiten mussten habe ich wirklich genossen. Aber nicht nur ich. Die anderen hatten das Lächeln den ganzen Tag auf den Lippen und es wurde durchgehend gelacht. Die Stimmung war sehr entspannt und wir haben wirklich das beste aus dem Tag gemacht. Wir haben ihn gelebt, als wäre er unser letzter. Meiner war es auch fast am Ende des Tages, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht. Zusammen mit meinen Cousins und allen meinen Brüdern waren wir im Pool und haben Volleyball gespielt, während die älteren aus unserer Runde auf der Terrasse am Tisch saßen und sich Geschichten von früher erzählt haben. Die Idee zu haben Volleyball im Wasser zu spielen war genauso eine bescheuerte Idee wie Beachvolleyball zu spielen. Egal wie hoch ich gesprungen bin ich kam und komme auch immer noch nicht mit meinen Händen annähernd in die Höhe des Netzes ,selbst wenn es auf die niedrigste Höhe eingestellt ist. Das hatte mich zu diesem Zeitpunkt ziemlich frustriert, denn wirklich gefährlich für Angriffe oder zum Blocken war ich dementsprechend so nie. Die anderen hatten sich über mein Problem lustig gemacht und so war meine Laune schnell auf dem absoluten Tiefpunkt. Blake hatte aber irgendwann Mitleid mit mir, weshalb er mich nach kurzer Zeit auf seine Schultern gehoben hat. Sofort wurde meine Laune besser und es hatte sich wirklich zu einem spannenden Spiel entwickelt. Den entscheiden Punkt hatte ich dann auch schlussendlich machen können was mich so gefreut hatte, dass ich einen Gewinnertanz aufgeführte. Zu meinen Pech ist Leonardo aber ein ziemlich schlechter Verlierer, weshalb er plötzlich auf mich zukam, um meinen Tanz zu beenden. Das wollte ich selbstverständlich nicht, weshalb es sich zu einer Verfolgungsjagd entwickelt hatte. Diese ging sage und schreibe fünf Minuten, bis ich vor Erschöpfung ins Gebüsch gefallen bin. Lachend hat mich mein jüngster Bruder aus diesem gefischt um mich anschließend an den Tisch auf der Terrasse zu den anderen zu tragen. Natürlich waren diese dort nicht so entspannt, weil ich voller Erde war, welche durch das Wasser an meinem Körper besonders gut klebte. Hauptsächlich waren sie aber beunruhigt, weil mir meine Erschöpfung durch die letzten Aktivitäten deutlich ins Gesicht geschrieben war, weshalb ich sofort auf einen Stuhl verfrachtet wurde und ein Marmeladenbrot den Weg in meine Hand gefunden hatte. Ein leichter Hunger hatte sich in meiner Bauchgegend schon bemerkbar gemacht, weshalb ich ohne Diskussion das Brot gegessen hatte. Dabei hatte ich den spannenden Geschichten gelauscht und musste ziemlich oft lachen. Ich hätte nie gedacht, dass mein Onkel mal fast mit vier Jahren an einem Stück Pizza erstickt wäre. Meine Konzentration war vollkommen an meine Familie gerichtet, während das Stück Brot in meiner Hand immer kleiner wurde. Bei ungefähr der Hälfte merkte ich plötzlich etwas auf meiner Hand. Mit dem Wissen, dass es die Marmelade war, welche runter getropft ist schüttelte ich meine Hand unterm Tisch um diese abzubekommen. Allerdings hatte sich der Klecks als ziemlich hartnäckig herausgestellt. Immer stärker schüttelte ich meine Hand, allerdings blieb das Gefühl. Da ich immer aggressiver wurde, beschloss ich die Marmelade wieder mit meinem Brot aufzuwischen. Das funktionierte tatsächlich, weshalb ich zufrieden mein Brot wieder inklusive dem runtergefallen bisschen Marmelade zu meinem Mund führte. Meine Blick war weiterhin auf mein Onkel gerichtet, welcher weiter seine Geschichten erzählte. Dann fiel ihm jedoch seine Gabel runter, weshalb er seine Geschichte unterbrach und stattdessen die Gabel aufhob. Mein Blick folgte ihm nach unten, blieb aber am meinem Marmeladen Brot hängen. Ein schriller Schrei kam aus mir heraus und ich warf das den Rest meines verblieben Brötchens im hohen Bogen von mir weg. Alle der am Tisch befindenden Gesichter drehten sich zu mir und anschließend zu meinem noch immer fliegenden Brot. Auch mein Blick folgte ihnen. Lautlos platschte das Brot in die Mitte des Gesichtes meines Onkels. Sofort brachen alle in Gelächter, selbst mein Onkel. Ich bleib aber Still, denn der Schock saß zu tief. Es war gar keine Marmelade, welche vom Brot heruntergefallen ist, sondern eine riesige Spinne. Anscheinend hatte ich sie nach meinen Fall ins Gebüsch ungewollt mitgenommen. Freiwillig auf jeden Fall ganz bestimmt nicht. Es hat dann damit geendet, dass ich nie wieder Marmelade gegessen habe- bis heute. Das Trauma, dass ich fast eine Spinne gegessen habe, welche sich im Nachhinein als eine Vogelspinne herausgestellt hat ist immer noch tief verankert.

„Amelia! Amelia! Hörst du mich?", dringt langsam die Stimme von Valentino zu mir. Immer mehr nehme ich nach und nach wieder wahr. Viele Hände befinden sich an meinem Körper und ziehen mich vorsichtig zurück. Der Abstand zwischen mir und dem achtbeinigen Tieres wird immer mehr. „Amelia! Hallo! Hörst du mich?", fragt Blake mich lautstark, während Leonardo eine Hand vor meinen Augen hin und her schwenkt. Sobald wir ungefähr zehn Meter von der Spinne entfernt sind, was ich gerade so als genug befinde, löse ich mich aus meiner Starre. Leicht schüttle ich meinen Kopf und ich erkenne dann alle meine Familienmitglieder um mich herum. Der Schock muss mir ziemlich deutlich ins Gesicht geschrieben sein, denn die anderen sind sichtbar besorgt.

„Amelia! Es ist alles gut! Es war nur eine Spinne!", versucht mich Luciano zu beruhigen. Das Wort ‚Spinne' in den Mund zu nehmen war aber keine gute Idee, denn sofort kommen wieder die Bilder von der Spinne nur wenige Zentimeter von mir entfernt ins Gedächtnis. Mein Atem beschleunigt sich und ich verfalle immer mehr in eine Panik. Schwarze Punkte erscheinen in meinem Sichtfeld und nehmen es auch nach kurzer Zeit vollständig ein. Ich verliere das Bewusstsein und nehme nur noch mehrere Arme wahr, die meinen Körper auffangen...

Nur der Wille zähltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt