Unsicher blicke ich ihn an. »Jetzt sag doch bitte was!«, fordere ich ihn flüsternd und mit Tränen in den Augen auf. Er aber verzieht keine Miene.

Sein Mund öffnet sich, aber kein Wort kommt heraus. »Es tut mir leid! Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe, dass ich dich enttäuscht habe! Aber bitte sag etwas! Schrei mich meinetwegen an. Sag, wie enttäuscht du von mir bist. Wie verletzt du bist! Von mir aus auch, dass du mich hasst! Nur mach etwas!«, schreie ich ihn an. Während meine Worte über meine Lippen kommen, verlassen die Tränen meine Augen.

Ich weiß es selbst nicht, warum es mich so mitnimmt, aber ihn so sprachlos und gleichzeitig auch emotionslos zusehen bricht mein Herz. Es ist so, als würde es ihn alles nicht interessieren. Es will ihn nicht interessieren.

Nun bewegt er sich endlich. Es bewegen sich zwar nicht seine Lippen, allerdings seine Arme. Diese ziehen mich ganz nah an ihn dran und halten mich fest bei ihm.

»Ich bin nicht enttäuscht, wütend und ganz und gar nicht hasse ich dich! Ich bin verdammt stolz auf dich! Das, was du da soeben gemacht hat, ist wirklich erstaunlich und hat mir noch einmal gezeigt, was ein unglaublicher Mensch du bist. Meine kleine Schwester!«, raunt er mir in mein Ohr.

»Du bist nicht sauer auf mich?«, frage ich erstaunt nach, während ich mich mit meinen Armen gegen seinen Griff stemme, um ihm mehr oder weniger ins Gesicht blicken zu können.

»Nein, wieso auch? Ich habe keinen Grund dazu. Jeder hat immer einen Grund irgendwas zu tun, das ist nun einmal so. Auch du wirst deine Gründe haben. Warum sollte ich sie also infrage stellen?«

Glücklich schaue ich ihn an. »Du bist der beste Bruder!«, nuschle ich in der Hoffnung, dass nur er es gehört hat, was er definitiv hat. Ein lautes Lachen ertönt aus seiner Kehle und schelmisches Grinsen bildet sich auf seinen Lippen.

»Sag das noch einmal laut!«, fordert er.

»Nie im Leben oder willst du das ich sterbe?«

»Das wirst du nicht schon nicht, das verspreche ich dir. Ich werde dich vor deinen bösen Brüdern beschützen!«

»Man müsste sie eher vor die verstecken! Schließlich hast du sie eben fast zum Weinen gebracht. Nicht wir!«, schaltet sich Valentino empört ein.

»Man müsste mich vor euch allen verstecken!«, erkläre ich, was mir einen fassungslosen Blick von all meinen Brüdern einhandelt.

»Das ist gemein!«

»Nein!«, widerspreche ich. "Es ist die Wahrheit!«

»Es tut mir leid eure kleine Auseinandersetzung unterbrechen zu müssen, allerdings brennt mir eine Frage auf der Zunge, die ich dich unbedingt fragen will!«, ertönt plötzlich die Stimme von Sophies Mutter neben mir. »Seit wann kannst du denn Geige spielen, Amelia? Das war wirklich atemberaubend!«

»Seit ungefähr 15 Minuten schätze ich mal! Ich habe es gerade das erste Mal eine Geige in der Hand gehabt und sie nur einmal kurz hinter der Bühne ausprobiert. ich wusste also nicht, was ich auf der Bühne tue und habe das Risiko angenommen. Das Risiko, zu versagen und allen den Abend zu versauen. Aber man sagt ja nicht umsonst: no risk no fun!«, erkläre ich und muss lachen, als ich die Gesichter der anderen sehe.

»Krass«, kommentiert Sophie, »richtig krass!«

»Ist aber jetzt auch egal, denn darüber können wir auch morgen noch sprechen!«, beende ich das Gespräch, da es mir durch das viele Lob langsam wirklich unangenehm wird. Es geht zwar runter wie Butter, allerdings sind wir nicht die einzigen in diesem Raum. Die anderen bekommen alles mit und das muss nun nicht unbedingt sein.

Zu meinem Glück ändern wir tatsächlich das Thema und bei diesem können selbst wir Kinder mitreden. Anscheinend sind alle Geschäfte ausgehandelt. Dabei sitze ich auf Lucianos Schoß, da dieser noch ein leichtes Schuldgefühl hat, was meine Stimmungsschwankung kurz nach meinem Auftritt betrifft.

Nur der Wille zähltOnde histórias criam vida. Descubra agora