»Ja, wie immer derselbe«, beantwortet Sophie die Frage von ihr, sobald wir uns von unserem Lachen erholt haben.

»Muss ich mir diese Predigt jetzt immer, wenn wir auf eine Veranstaltung gehen, anhören?«, frage ich die beiden geschockt.

Wenn es tatsächlich so sein sollte, dann müsste ich mir mal Gedanken darüber machen.

Am besten ersetze ich meine Anwesenheit durch ein Skelett mit meiner Kleidung. Dann gäbe es zumindest keine Widerworte meinerseits. Die Frage wäre dann allerdings, wie ich diese unbemerkt in die Limousine hereinbekomme und auch wieder heraus ... am besten wäre es, wenn ich sie mithilfe einer Fernbedienung steuern könnte, diese könnte dann die Sensoren ...

Durch ein Schnipsen vor meinen Augen werde ich aus meinem Gedankengang geholt. Wenige Male muss ich blinzeln, bevor ich mit meinen Gedanken wieder im jetzt und hier bin.

Vor mir stehen weiterhin meine beiden Freundinnen nun jedoch auch unsere Familien. Während diese mich mit einem sorgsamen Blick mustern, lächeln Sophie und Lina mich mit einem breiten und vielsagenden Grinsen an.

»Sor ... tut mir leid, war in Gedanken«, entschuldige ich meine Abwesenheit.

Zu meinem Glück habe ich die Entschuldigung gerade noch gerettet, denn wenn meine Eltern eins nicht ausstehen können, dann das Wort "Sorry". In ihrem Wortschatz steht das nämlich für "Es tut mir nicht wirklich Leid, sondern geht mir offen gesagt komplett am Arsch vorbei" und noch einen Monolog kann ich wirklich nicht mehr vertragen.

Zu meinem Erstaunen geht keiner mehr auf das Geschehen ein.

Stattdessen wird meine rechte Hand von meinem ältesten Bruder Blake genommen und meine linke von Santiago, welcher mein zweitältester Bruder ist.

Verwirrt mustere ich die beiden an. Was soll das denn jetzt?

»Ich weiß nicht, ob ihr das schon wisst, aber ich bin seit Längerem groß genug und habe zwei gesunde Beine. Diese können auch schon allein ohne Hilfe laufen«, erkläre ich meinen beiden Brüdern, wobei ich das "ohne Hilfe" besonders betone.

»Das wissen wir, aber wir wollen nicht, dass du verloren gehst! Sicher ist Sicher«, erklärt Santiago und schaut mit einem Lächeln zu mir herunter. Er ist im Gegensatz zu mir ein Riese, so wie alle meine Brüder. Bei meiner Größe ist es aber auch nicht wirklich schwer. Ich habe letztens herausgefunden, dass ich seit meiner Geburt nicht einmal einen Meter gewachsen bin. Das ist echt frustrierend!

Ungläubig schaue ich Blake an. Meint er das wirklich ernst?

Aber auch Blake wirft mir einen sehr vielsagenden Blick zu, weshalb ich keine Sekunde mehr an der Glaubhaftigkeit der Aussage meines Bruders zweifele.

Innerlich mich lange darüber aufregen kann ich mich aber nicht, da wir uns bereits in Bewegung setzen und den roten Teppich entlanglaufen.

Allen voran mein Vater mit meiner Mutter. Dahinter befinden sich Sophies Vater und Mutter und dahinter wiederum Linas Vater mit ihrer Mutter.

Es sieht wirklich absolut niedlich aus, da man erkennt, wie verliebt sie alle noch sind. Egal, wie gestresst mein Vater durch seine Arbeit ist, sobald er meine Mutter entdeckt ist, der Stress wie weggeblasen. Sie lässt ihm im positiven Sinne Sachen vergessen. Anhand der Blicke zwischen den Eltern meiner beiden Freundinnen, weiß ich, dass es bei ihnen anscheinend nicht anders ist.

Hinter unseren Eltern folgen wir Kinder. Als eine riesige Kolonne gehen wir durch den Tunnel von Angestellten, welche alle ihren Kopf leicht gesenkt halten.

Es ist nicht das erste Mal, dass mir solch ein Respekt gezollt wird, allerdings ist es immer sehr ungewohnt für mich.

Schließlich bin ich erst zehn Jahre alt und die meisten Angestellten mindestens 20 Jahre alt. Es müsste also, wenn man das Alter betrachtet, deshalb eher andersherum sein.

Nur der Wille zähltWhere stories live. Discover now