Der Dieb im Gespräch mit dem Butler

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Kapitel 85: Der Dieb im Gespräch mit dem Butler

Der restliche Nachmittag war ereignislos. Leider kam ich auch nicht dazu mit Tanaka zu sprechen. Ich habe mir fest vorgenommen dies am nächsten Tag nachzuholen. Lizzy unterdessen hat unseren Ausflug nach London genau geplant. Nach ihrem Plan werden wir am späten Nachmittag vom Anwesen mit der Kutsche losfahren. In London angekommen werden wir zuerst zur Stadtvilla von Ciel fahren und dort Mittag essen, danach geht es dann zum Shoppen. Lizzy hat eine ganze Reihe von Läden aufgezählt, in welche sie unbedingt will. Allein beim Zuhören begannen meine Füße zu schmerzen. Das wird definitiv ein anstrengender Tag werden, aber zumindest werde ich wohl ausschlafen dürfen.

Am nächsten Morgen wache ich früher als gedacht auf. Allerdings bin ich nicht mehr müde und draußen ist es auch bereits hell. Dennoch wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis jemand kommt, um mich zu wecken. Da ich so lange aber nicht im Bett sitze und warten will, stehe ich auf und beschließe mich für den Tag fertig zu machen. Kurz stehe ich nachdenklich vor dem Kleiderschrank, dann entscheide mich dann für ein eher schlichtes Kleid. Im Vergleich zu meinen bisherigen Kleidern ist es auffällig, aber im Vergleich zu allen anderen Kleidern in diesem Schrank ist es geradezu unscheinbar.
„Da ist aber jemand früh wach.", kann ich eine nur zu bekannte Stimme hinter mir hören, als ich gerade das Kleid aus dem Schrank nehmen möchte. Leicht zucke ich zusammen und drehe mich schnell um. Dort steht er. Wie immer sitzt sein Anzug akkurat und ein höfliches Lächeln liegt auf seinen Lippen.
„Was machst du hier?", frage ich und schaue ihn direkt an. Anstatt mir direkt zu antworten, nimmt er mir das Kleid aus der Hand und hängt es an einen Kleiderständer.
„Maylene ist damit beschäftigt Lady Midford beim Einkleiden zu helfen. Danach wird sie ebenfalls Lady Elisabeth helfen. Da der junge Herr heute früher aufgestanden ist als üblich, um vor dem Ausflug noch einige Papiere durchzuarbeiten, habe ich beschlossen Maylene einen Teil der Arbeit abzunehmen.", erklärt er schließlich, als er wieder vor mir steht. Sanft nimmt er meine Hand und seine und zieht mich von dem Kleiderschrank weg. Kurz darauf setzt er mich auch schon in den Sessel neben den Kleiderständer.
„Ein Butler hilft einer jungen Dame beim Ankleiden?", frage ich mit einem Grinsen.
„Wenn es die Umstände verlangen.", antwortet Sebastian daraufhin nur: „Allerdings würde ein Butler dabei stets eine Augenbinde tragen, um die junge Dame nicht in Verlegenheit zu bringen." Während er den letzten Teil ausspricht, legt sich ein teuflisches Lächeln auf seine Lippen. Als Sebastian sich plötzlich zu mir herunterbeugt, dabei die Hände auf den Armlehnen des Sessels abstützt und mich so einkesselt, beginnt mein Herz sofort schneller zu schlagen.
„Allerdings scheint mir Verlegenheit und Scham in diesem Fall unpassend.", kommt es mit leiser Stimme von Sebastian. Wieder legt sich dieses teuflische Grinsen auf seinen Zügen und seine Augen beginnen für einen Moment zu leuchten. Wie gebannt schaue ich ihn an, kann meinen Blick nicht abwenden.
„Was meinst du damit?", frage ich ein wenig verwundert nach.
„Du hast dich dem Teufel bereits hingegeben.", antwortet er und kommt mir noch ein Stück näher, sodass sein Gesicht nur wenige Zentimeter über meinem schwebt. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen und meine Arme um seinen Hals. Fragend hebt Sebastian eine Augenbraue, bleibt aber still.
„Da kann ich wohl schlecht widersprechen.", bringe ich heraus und lächle ihn weiter an. Einen Moment ist es still, keiner bewegt sich. Dann ist es Sebastian, der wieder auf Abstand geht.
„Wir sollten dich fertig machen, ehe Lady Elisabeth in dieses Zimmer stürmt, um dich für das Frühstück zu holen. Meinen Informationen nach, möchte sie direkt nach dem Frühstück aufbrechen.", erklärt er und dreht sich zu dem Kleid.
„Direkt nach dem Frühstück?", frage ich verwundert nach: „Wir brauchen doch nur etwa eine Stunde bis nach London und bis zur Stadtvilla vielleicht noch einmal eine weitere halbe Stunde. Wollten wir nicht eigentlich so losfahren, dass wir zur Mittagszeit in der Stadtvilla ankommen?"
„Lady Elisabeth scheint den Plan ein wenig geändert zu haben.", gibt Sebastian daraufhin von sich: „Ihr scheint ein weiterer Laden eingefallen zu sein." Unglaublich schaue ich ihn an. Sie wollte in so viele Läden, wie konnte ihr ein weiterer einfallen? Das werden meine Füße mit Sicherheit nicht überstehen. Ich werde die nächsten Tage nicht laufen können.
„Bist du dir bezüglich dieses Kleides sicher?", fragt Sebastian plötzlich und reißt mich aus meinen Gedanken.
„Wie meinst du das? Stimmt etwas mit dem Kleid nicht?", frage ich verwundert nach. Es ist ein schlichtes Alltagskleid in einem gedeckten Mintgrün mit Graustich. Die Ärmel sind am Oberarm leichte Puffärmel, am Unterarm liegen sie eng an und um das Handgelenk ist eine leichte Spitze angebracht. Der Kragen ist hochgeschlossen und ebenfalls mit Spitze verziert, die sich über den grünen Stoff über das Dekolletee und den Schultern fortsetzt. Um die Hüfte hat es einen breiten Stoffgürtel, der ebenfalls mit Spitze verziert worden ist und die Taille so zusätzlich optisch schmaler macht. Der unverzierte Rock fällt glatt herunter. Was sollte an diesem Kleid also nicht stimmen?
„Es erscheint mir ein wenig zu schlicht und unauffällig.", antwortet Sebastian mit ruhiger Stimme und betrachtet das Kleid einen weiteren Moment: „Es entspricht wohl nicht ganz den modischen Vorstellungen der geachteten Damen." Einen Moment lang schaue ich ihn perplex an.
„Das interessiert mich nicht.", meine ich dann nur: „Ich will nicht, wie ein Sahnetörtchen aussehen oder mich wegen der viel zu großen Puffärmel nicht mehr bewegen können."
Letztendlich sitze ich nun in dem grünen Kleid vor dem Spiegel, während Sebastian mein Haar frisiert. Leider kam ich nicht drumherum Schuhe mit Absatz zu tragen. Ich habe es wirklich versucht, da ich aber mit meinen 1,60 kam ich leider nicht sehr weit und musste mich geschlagen geben. Zumindest ist es ein breiter Absatz und kein dünner, wenn er doch etwa 5cm hoch ist. Ich werde die nächsten Tage wirklich nicht mehr laufen können.
Wie Sebastian es prophezeit hatte, wird die Tür lautstark geöffnet, gerade als Sebastian mit meinem Haar fertig ist. Leicht zucke ich zusammen und schaue hektisch zur Tür. Dort steht Lizzy mit einem Grinsen auf den Lippen. Noch ehe ich etwas tun kann, steht sie auch schon vor mir und zieht mich an der Hand hoch auf meine Füße. Kurz darauf zieht sie mich auch schon hinter sich her aus dem Zimmer heraus.

SchattendiebWhere stories live. Discover now