Erinnerungen eines Diebes

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Hey Leute,

hier ist nun das nächste Kapitel und damit werden ihr auch erfahren, was damals geschehen ist.
Viel Spaß beim Lesen.

LG Juzo-chan

PS: Es bekommt wieder jemand einen Auftritt, der schon eine Weile nicht mehr dran war ; )

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Kapitel 84: Erinnerungen eines Diebes

Und dann geht es plötzlich ganz schnell. Die Kutsche kippt plötzlich zur Seite. Vater umgreift Mutter und versucht uns beide so zu schützen.
„Was ist hier los?", kann ich die Stimme meiner Mutter ängstlich fragen hören. Allerdings kann Vater ihr nicht antworten. Die Tür der Kutsche öffnet sich und Hoffnung, dass jetzt wieder alles gut wird, macht sich in mir breit. Mit meinem jetzigen Wissen aber weiß ich, dass es das nicht werden kann. Ein sechsjähriges Kind aber kann das wohl noch nicht wissen. Noch ehe ich ein Gesicht erkennen kann, stellt mein Vater sich vor uns. Er scheint bereits verstanden zu haben, dass das hier kein normaler Unfall sein kann.
„Mina, nimm Lia und klettere mit ihr aus dem Fenster. Versteckt euch im Wald.", fordert Vater Mutter auf. Kurz zögert sie, scheint widersprechen zu wollen, folgt dann aber seiner Aufforderung. Tränen laufen meine Wangen herunter. Mein Gefühl sagt mir, dass das letzte Mal war, dass ich meinen Vater gesehen habe.
Meine Mutter schafft es gerade einmal ein paar Meter mit mir in den Wald hinein, da kann ich auch schon verschiedene Rufe hinter uns hören.
„Da sind sie!" - „In den Wald." - „Sie läuft davon." - „Haltet sie auf.", kann ich die verschiedenen Stimmen durcheinander rufen hören. Noch sind sie einige Meter von uns entfernt und können uns durch das Dickicht nur schwer sehen. Aber das wird sich vermutlich schnell ändern. Schnell atmend und sich hektisch umschauend, bleibt Mutter für ein paar Sekunden stehen. Schließlich setzt sie mich in einem dichten Busch ab.
„Wenn sie an dir vorbei sind, wirst du so schnell du kannst zum Anwesen laufen. Es ist nicht mehr weit und der Wald grenzt direkt an den Garten. Sie werden dir nicht in den Garten folgen.", sagt sie schnell und mit gedämpfter Stimme. Immer wieder schaut sie sich um.
„Aber...", beginne ich zu sprechen, aber werde sofort von ihr unterbrochen.
„Ich lenke sie ab, dass du genügend Zeit hast. Dann werden dein Vater und ich dir sofort folgen. Also lauf einfach los. Wir werden uns auch beeilen. Es wird alles wieder gut, versprochen", sagt sie mit einem liebevollen, aber traurigen Lächeln. Im Inneren ist mir klar, dass sie dieses Versprechen nicht halten können wird. Ich kann nicht sagen, ob mein jetziges Ich das weiß oder auch schon mein kindliches Ich sich dessen bewusst ist. Immer mehr Tränen laufen meine Wangen herunter, dennoch nicke ich. Mutter haucht mir noch einen Kuss auf die Stirn, ehe sie einen Ast auf den Arm nimmt und mit ihm davon läuft. Erst als ich sie von hinten sehe, wird mir klar, weshalb sie das getan hat. Sie sieht so aus, als würde sie mich noch immer auf den Armen tragen.
Es dauert tatsächlich nicht lange und schon laufen mehrere Leute an dem Busch vorbei, meiner Mutter hinterher tiefer in den Wald hinein. Kurz schaue ich ihr mit durch Tränen verschleierten Blick hinterher. Noch einmal wendet sich mein Blick zur Kutsche. Meine Augen weiten sich für einen Moment vor Schock. Flammen schlagen meterhoch und ich kann die Hitze selbst aus der Entfernung leicht auf meiner Haut spüren. Schwarzer Qualm steigt von der Kutsche auf und muss selbst in der Ferne leicht zu erkennen sein. Sofort laufen wir wieder die Tränen die Wange herunter. Ich kann meinen Blick nicht von der brennenden Kutsche nehmen und bleibe in dem Busch sitzen, anstatt zum Anwesen zu laufen, wie Mutter es von mir wollte. Ich kann mich einfach nicht bewegen.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich in dem Kusch saß und einfach nur die brennende Kutsche angestarrt habe. Erst als sich ein Schatten über mich legt, wende ich meinen Blick ab. Mit Angst schaue ich hinauf. Vor mir steht ein Mann mit einem hinterlistigen Grinsen auf dem Gesicht und blickt zu mir herunter.
„Na, wen haben wir denn da?", fragt er süffisant und zieht mich am Kragen hoch. Wild zappel ich und versuche mich aus seinem Griff zu lösen. Leider ohne Erfolg. Ohne wirklich darüber nachzudenken, trete ich ihn mit aller Kraft gegen das Schienbein. Tatsächlich scheint dies auszureichen, dass er mich für einen Moment loslässt. So schnell ich kann beginne ich zu laufen.
Leider kommt es, wie es kommen musste. Ein kleines Kind kann nun einmal nicht ewig vor einem Erwachsenen davon rennen. Es dauert nicht sonderlich lange, da holt er mich auch schon beinahe ein. Ängstlich schaue ich mich um, wobei ich mit dem Fuß unter einer Baumwurzel hängen bleibe. Panik macht sich in mir breit, als der Mann schnell näher kommt. Ich habe nicht einmal mehr die Zeit aufzustehen und weiterzulaufen, da ist er auch schon bei mir angekommen.
„Es ist ja beinahe schon eine Schande, dass dein eigener Großvater dich und deine Eltern so sehr hasst, dass er euch alle in den Tod schickt.", sagt er mit einem breiten und grausamen Grinsen und seine Hand greift erneut nach mir. Doch ehe er mich dieses Mal greifen kann, kippt er plötzlich nach hinten um. Noch ehe ich wirklich verstehen kann, was gerade passiert ist, da wird mein Blick auf ihn auch schon von etwas Schwarzem verdeckt.
„Es ist alles gut. Jetzt ist es vorbei.", kann ich eine bekannte Stimme hören. Verwundert und noch immer nicht ganz verstehend, schaue ich nun auf und blicke direkt in zwei leuchtend grüne Augen. Sofort läuft mir Träne nach Träne über die Wangen und ich beginne laut zu schluchzen. Sanft hebt der Weißhaarige mich auf die Arme, wo ich sofort meine kleinen Arme um seinen Hals schlinge und nun richtig beginne zu weinen. Sanft streicht er mir über den Rücken und flüstert mir beruhigende Worte in die Augen.
„Es wird dir niemand mehr etwas tun können.", sagt er mit ruhiger Stimme. Dennoch kann ich auch tiefe Trauer in ihr hören. Es dauert lange bis ich mich wieder beruhigt habe. Ich habe dabei nicht einmal bemerkt, wie er sich in Bewegung gesetzt hat. Es dauert einige Minuten bis wir dem Waldrand wieder näher kommen und ich die holprige Straße erkennen kann. Er geht in einem langsamen Tempo, so als wären wir auf einem Spaziergang. Noch immer redet er mit ruhiger Stimme auf mich ein und sagt mir, dass alles wieder gut werden wird. Ich kann nur nicht sagen, ob er es wirklich mir einreden möchte oder nicht doch lieber sich selbst. Doch wieso sollte er es sich selbst einreden wollen? Das ergibt doch keinen Sinn? Selbst wenn er meine Eltern gekannt hat und eine Art freundschaftliche Beziehung zu ihnen hatte...
Erst als einige Leute auf uns zukommen, beschleunigen sich seine Schritte etwas. Ihnen direkt gegenüber bleibt er erst stehen und Stille bricht für eine kurze Zeit an.
„Sie haben sie gefunden. Vielen Dank.", kann ich die Stimme meiner Tante – der Schwester meines Vaters – hören. Kaum hat sie diesen Satz ausgesprochen, da reicht der Weißhaarige mich auch schon an jemanden anderen weiter. Anstatt auf den Boden abgesetzt zu werden, befinde ich mich nun in den Armen der nächsten Person. Als ich aufschaue, blicke ich in das Gesicht von Onkel Vincent. Beruhigend lächelt er mich an. Neben ihm stehen Tante Frances und Onkel Alexis, genauso wie Tanaka.
„Was ist mit meinem Bruder und seiner Frau?", fragt Onkel Vincent dann auch schon. Der Weißhaarige sagt nichts. Aus meiner jetzigen Position aus kann ich nicht in sein Gesicht schauen. Dafür aber bemerke ich, wie Onkel Vincent schwer schluckt und für einen Moment seine Augen schließt. Auch Tante Fances scheint schockiert und Onkel Alexis legt seinen Arm um seine Frau. Es ist Tanaka, der die Stille bricht.
„Bitte kehren Sie zum Anwesen zurück, my Lord. Ich werde mich um alles Weitere kümmern. Oberste Priorität sollte es nun sein, Miss Amelia von diesem Ort fortzubringen und sicherzustellen, dass es ihr gut geht.", bricht er mit ruhiger und gefasster Stimme. Die sonst so freundliche Stimme von Tanaka klingt bedrückt. Nach kurzem Zögern nickt Onkel Vincent schließlich und wendet sich um. Tante Frances tut es ihm gleich.
„Ich werde Tanaka helfen und komme dann später nach.", kommt es von Onkel Alexis. Tante Frances nickt nur wortlos. Zusammen setzen Tante Frances und Onkel Vincent sich in Bewegung. Über die Schulter meines Onkels kann ich noch zu den Butler der Familie Phantomhive, Onkel Alexis und dem Weißhaarigen schauen, wie sie immer kleiner werden.


Mit leichten Kopfschmerzen und einem furchtbar trockenen Hals richte ich mich auf. Vorsichtig lege ich meine Hand gegen meinen Kopf und richte mich auf. Dabei rutsch etwas von meinem Körper. Erst denke ich, dass es ein Tuch oder etwas Ähnliches sein muss, dass mir vielleicht Maylene über gelegt hat. Dann aber bemerke ich, dass es eine Decke ist. Verwundert schaue ich mich um und stelle fest, dass ich mich in meinem Zimmer befinde. Die Vorhänge sind zugezogen, lassen aber noch etwas Licht hindurch.
Langsam stehe ich aus dem Bett auf und gehe auf das Fenster zu. Vorsichtig schiebe ich den schweren Vorhang beiseite, um hinausschauen zu können. Ehrlich gesagt hatte ich erwartet, dass meine Kopfschmerzen dadurch verschlimmert werden würden, das ist allerdings nicht der Fall. Tatsächlich beginnen sie bereits abzuklingen, wofür ich sehr dankbar bin. Dafür aber meldet sich mein trockener Hals nun erst recht und lässt mich leise husten.
Vorsichtig wird die Tür geöffnet und ein roter Kopf schaut in den Raum hinein. Als unsere Blicke sich treffen, öffnet sie die Tür ein Stück weiter und kommt komplett in den Raum hinein.
„Du bist wieder wach, Lucia.", kommt es glücklich von Maylene. Leicht nicke ich.
„Wie lange habe ich geschlafen?", frage ich vorsichtig nach.
„Nur ein paar Stunden. Es ist jetzt früher Nachmittag. Aber du hast unruhig geschlafen. Hast du schlecht geträumt?", antwortet und fragt sie.
>Es war alles nur ein Traum.", geht es mir bei ihren Worten zu den Kopf: >Oder war es doch eher eine Erinnerung? Am besten frage ich wohl einfach Tanaka. Ich bin mir nicht sicher, wie Tante Frances darauf reagieren wird.< Überrascht über meine eigenen Gedanken halte ich kurz inne. Es hat sich noch heute Vormittag so seltsam und ein bisschen falsch angefühlt, so etwas zu denken und jetzt ist es einfach so passiert. Nun ist es eher anders herum.
„Das habe ich tatsächlich.", antworte ich aber schließlich Maylene. Plötzlich schaut sie mich mit einem Blick an, der mir verrät, dass ihr gerade noch etwas Wichtiges eingefallen ist.
„Ich werde sofort die Herrschaften darüber informieren, dass du wieder wach bist.", sagt Maylene schnell und stolpert dabei beinahe über ihre eigenen Worte. Etwas überfordert nicke ich, ehe sie auch schon wieder verschwunden ist.

SchattendiebWhere stories live. Discover now