Kapitel 4

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Vincent musste hier so schnell weg, wie es nur ginge. Er konnte spüren wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Als er aus der Küche stürmte, rannte er gegen eine Person. Erschrocken sah er auf und stellte erleichtert fest das er gegen Lynn, Elias Beta, gestoßen ist.
Sie ist eine hochgewachsene und muskulöse Werwöfin, die immer ein freundliches Lächeln im Gesicht hat. Die Beta ist eine der wenigen Personen, die ihm noch nie etwas böses angetan hatte und ihn sogar manchmal aus einer misslichen Lage gerettet hatte.
Bei den meisten anderen Rudelmitgliedern könnte er sich jetzt irgendwelche Beleidigungen anhören, doch die Beta musterte ihn nur fragend.

>>Tschuldige<<, murmelte Vincent und verschwand dann. Lynn sah dem Omega mitfühlend hinterher. Sie hatte die Tränen gesehen, die ihm die Wange herunter liefen. Als Vincent aus ihrer Sicht war, sah sie durch die offene Tür und sah einen verdutzten Elias.
>>Was hast du gemacht?<<, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
>>Gar nichts<<, verteidigete der Alpha sich. Immer beschuldigte seine Beta ihn irgendetwas getan zu haben, wobei er zugeben musste: Dieses Mal hatte sie recht, aber aus irgendeinem Grund wollte er nicht zu geben, dass der Omega wegen ihm davon gerannt ist.
>>Und warum hat er dann geweint? <<, fragte sie weiter und stemmte die Hände in ihre Hüfte. Lynn mochte es nicht, wenn Elias den Omega fertig machte. Schließlich sollte er ein guter Alpha werden und keiner, der seine Rudelmitglieder zum weinen brachte. Während sie auf eine Antwort wartete, tippte sie mit einem Schuh ungeduldig auf den Boden und die Muskeln ihrer Oberarme spannten sich unter der caramel farbende Haut an.

>>Er hat geweint?<<, fragte der Alpha geschockt nach und machte große Augen. Nartürlich wollte er eine Reaktion in dem Omega auslösen, aber das dieser gleich weinend davon läuft, hatte er nicht gewollt. Lynn erkannte einen Funken von Reue in Elias Augen. Sie entspannte ihre Körperhaltung wieder und ging zu ihm, um ihre Hand auf seine Schulter zu legen.
>>Morgen wirst du unser Alpha. Willst du ihm nicht ein schöneres Leben ermöglichen?<< Seit dem man wusste, dass sie die nächste Beta des Rudels wird, hat man ihr beigebracht für jeden ein offenes Ohr zu haben und sich um jedes Rudelmitglied zu kümmern. Doch das Rudel hatte eine furchtbare Doppelmoral, wenn es um Omegas geht. Ihrer Meinung nach war Vincent genau so ein gleichwertiges Mitglied des Rudels, wie sie selbst.
>>Warum sollte ich? Er ist nur ein Omega. Außerdem würde mein Vater das so wie so nicht zulassen. Ich bin ab morgen zwar Alpha, aber mein Vater wird mir nur einen kleinen Teil der Verantwortung übergeben und das weißt du genau<<, meinte Elias gereizt. Die Beta hatte einen wunden Punkt getroffen. Es störte ihn, dass Adrian ihm das Rudel nicht übergeben wollte. Er ging an ihr vorbei und verließ die Küche.
>>Du wolltest laufen gehen, also komm<<, murrte er noch zu ihr. Kopfschüttelnd folgte sie ihm.

Während die beiden joggen waren beschäftigte Elias die ganze Zeit, dass Vincent geweint hatte. Er wusste nicht wieso. Es könnte ihm doch egal sein was mit dem Omega war.

Währenddessen saß Vincent auf seinem Bett und schniefte. Seine Tränen waren vergangen, aber er konnte immer noch nicht fassen, was passiert ist. Er war Beleidigungen gewohnt, aber die Worte von Elias hatten ihn hart getroffen. Er fand ihn abartig. Für den Alpha, oder besser gesagt seinen eigenen Gefährten, war er nur ein Missgeschick der Natur, die ihn anwiderte.
//Ich will hier nur noch weg//, winselte Milo. Für seinen Wolf schien die Situation noch schlimmer zu sein. Vincent spürte, dass es seinem Wolf miserabel geht und konnte es auch verstehen. Für seine tierische Seite war der Mate viel wichtiger, als für seine menschliche.
//Nur noch eine Nacht und dann sind wir von diesem Gott verdammten Rudel weg. // Der Omega versuchte Milo wieder ihr Ziel vor Augen zu führen. Er konnte immer noch die Trauer des Wolfes spüren, aber auch seinen Ehrgeiz.

Erschrocken zuckte Vincent zusammen, als jemand seinen Namen durch das ganze Rudelhaus brüllte. Seine Pupillen weiteten sich, als er verstand was los war. Er hatte einfach aufgehört zu putzen und jetzt schrie Adrian nach ihm. Alles in dem Omega schrie sich irgendwo zu verkriechen, doch er wusste, dass er keine Wahl hatte.
Er verließ sein Zimmer und ging langsam Richtung Küche. Es wäre schlauer sich zu beeilen, aber sein Körper wollte sich nicht schneller bewegen. Als ein weiteres Mal sein Name gebrüllt wurde, zuckte er zusammen und bewegte sich schneller. In dem Moment, in dem er die Küche betrat und den wütenden Alpha sah, fühlte er sich wie, als er noch der kleine Junge war, der Angst vor dem Monster in seinen Schrank hatte und sein Vater ihn nicht in dem Bett von ihm und seiner Mutter schlafen lassen wollte. Er fühlte sich hilflos und der Gefahr ausgesetzt.

>>WARUM BIST DU NICHT HIER UND ERFÜHLST DEINE PFLICHTEN?<<, fragte Adrian schreiend.
>>Ich war nur kurz w-<< Vincents leise Erklärungen wurde unterbrochen, als der Alpha ihm an seinen Shirt packte und zu sich zog.
>>Ich will deine faulen Ausreden nicht hören<<, entgegnete Adrian barsch. Vincent hatte nicht sehen können, dass der Alpha mit seiner Faust ausholte.

Der Schlag in den Bauch traf ihn wie ein Schwall kaltes Wasser. Er krampfte sich zusammen und hatte das Gefühl, dass der Sauerstoff in seinen Lungen diese komplett verließ. Er schnappte erschrocken nach Luft. Der Alpha hatte mit voller Kraft zugeschlagen, was einen einfachen Delta auf die Knie gezwungen hätte. Als Omega war Vincent dem Schmerz noch heftiger ausgeliefert. Adrian ließ sein Oberteil los. Der Schreck war noch so gegenwärtig, dass der Omega sich nicht ohne Stütze auf den Beinen halten konnte. Er sackte zusammen und krümmte sich am Boden zusammen, um seinen Bauch zu schützen. Der Alpha sah abschätzend auf Vincent herab und trat noch einmal gegen seine Rippen, bevor er sich abwandte.
>>Wenn ich wieder komme und du immer noch nicht fertig bist, wirst du dir wünschen nicht geboren worden zu sein. << Adrian verließ den Raum.

>>Das mache ich doch so wie so schon<<, schoss es durch den Kopf des Omegas, der auf dem Boden lag und versuchte wieder richtig Luft zu bekommen.

Endlich gibt es ein Rudelmitglied, das nett zu unserem Omega ist und naja, der Alpha zeigt sich nicht gerade von seiner besten Art 🙄

Ein Alpha zum DavonlaufenWhere stories live. Discover now