xvi. inner conflicts

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"There is strength in your softness."

Es ist gerade Mittagszeit, als ich meine Wohnung im Kapitol verlasse und mich auf den Weg ins Trainingscenter mache. Eigentlich bin ich erst in einer Stunde mit Johanna verabredet, doch ich halte es nicht alleine in dieser ausdruckslosen Wohnung aus. Man sollte meinen, dass es eine Bürde ist Mentor zu sein, allerdings ist es für mich fast noch schlimmer keiner mehr zu sein. All meine guten Beziehungen mit den verschiedensten Bürgern des Kapitols bringen mir nichts, wenn ich niemanden dadurch helfen kann. Wenn ich alleine in diesem riesigen Apartment sitze überschlagen sich meine Gedanken förmlich. Immer und immer wieder spielen sich die letzten Tage der Arena vor meinen Augen ab und ich denke fast pausenlos daran, wie überrascht ich von Haymitch Tributen bin. Zwar waren Johanna und ich uns schon vor Beginn der Spiele einig, dass gerade  Katniss nicht zu unterschätzen ist, doch umso weiter die Spiele vorschreiten, umso mehr erkennen wir wie schlau sie wirklich ist. Erst zwei Tage ist es her, dass durch Katniss das Mädchen aus Distrikt 1 gestorben ist; seitdem war Katniss zwar bewusstlos, doch heute morgen ist sie aufgewacht und wird überraschenderweise von dem Mädchen aus Distrikt 11 versorgt. Die Kleine, die mir bei der Ernte bereits aufgefallen ist. Ihr Name ist Rue.

Auf meinem Weg zum Trainingscenter werde ich immer wieder von Menschen begrüßt, aber ich versuche nicht lange stehen zu bleiben und so bin ich, zum Glück, in kurzer Zeit an meinem Ziel angekommen. Ich laufe geradewegs zum Aufzug und entschließe mich in der Mentorenlounge auf Johanna zu warten, dort werde ich bestimmt Gesellschaft finden.

Als die Türen des Aufzugs sich schließen, blicke ich stumm meiner Reflexion entgegen. Durch die Verglasung auf der anderen Seite erkenne ich die Sponsoren, die aufgeregt mit dem ein oder anderem Mentor diskutieren und andere Mentoren, die sich ruhig untereinander austauschen. Auf den ersten Blick fallen mir Johanna und Haymitch ins Auge, die gerade zusammen versuchen einen Sponsor zu überzeugen. Auf der anderen Seite des Raumes stoßen Gloss und Cashmere mit Kapitolern an, während auf dem großen Bildschirm unverkennbar eine Explosion zu erkennen ist. Katniss hat die Vorräte der Karrieretribute in die Luft gejagt.

Wer wird überhaupt in der Mentorenlounge sein, wenn so viele bei den Sponsoren sind?

Mit einem schrillen Piepsen öffnet sich der Aufzug und nachdem ich die Tür der Lounge geöffnet habe, ist meine Frage bereits beantwortet. Natürlich, denke ich, so musste es kommen.

Eine einzige Person sitzt in dem verlassenen Raum. Sie lehnt tief in einem Sessel und wirft mir einen überraschten Blick über die Schulter zu.

Seine Hand tippt nervös auf die Lehne des Stuhls, während er den Mund öffnet um etwas zu sagen. "Schön dich zu sehen."

"Finnick", antworte ich ihm lediglich zur Begrüßung und setzte mich auf seine gegenüberliegende Seite in den anderen Sessel. Innerlich weiß ich ganz genau, dass ich mich näher zu ihm setzen möchte, doch ich versuche die Stimme zu unterdrücken, die mich immer wieder dazu drängt ihm nah sein zu wollen.

"Freust du dich denn nicht mich zu sehen? Geschweige denn mit mir alleine zu sein?", fängt er sofort frech das Gespräch an.

"Ich weiß absolut nicht, welche Antwort darauf die Richtige wäre", gestehe ich und wende mich wieder dem Bildschirm zu. Für ein paar Minuten fühlt sich der Raum mit Stille.

Katniss irrt durch die Wälder der Arena auf der Suche nach Rue und ich versuche krampfhaft mich auf sie zu konzentrieren. Doch Finnick ist offensichtlich nicht zufrieden damit. Er steht auf und setzt sich auf die Couch neben mich, während er sich mir direkt zuwendet.

"June, ich möchte dass du ehrlich zu mir bist." Abrupt blicke ich in seine tiefgrünen Augen und will eben noch Luft holen um ihm tatsächlich meine aufrichtige Meinung zu sagen, da fällt mir der Blick auf mit dem er mich ansieht. Nichts erinnert mich eben an den witzelnden Finnick, den kecken Golden Boy, den das Kapitol so für seine Selbstbewusstsein und seinen Charme liebt. Seine Augen sprechen genau das Gegenteil aus. Unsicherheit, Trauer, Schuld. "Ich glaube, es ist ziemlich naiv von mir zu denken, dass ein paar Worte in alberne Briefe gepackt und ein Geschenk alles wieder gut machen. Aber ich hoffe sehnlich darauf, dass du noch gut über mich denkst und uns die Chance gibst, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist."

Verwundert schweige ich Finnick an, doch anstatt ihm zu antworten, nehme ich seine Hand, die auf seinen Knien verweilt. Es geschieht ganz von selbst, ohne dass ich es aufhalten kann. Es zieht mich etwas zu ihm.

Finnick entfährt ein tiefer, erleichternder Atemzug als unsere Hände sich letztendlich nach so langer Zeit berühren und unweigerlich beginne ich zu lächeln.

"Ich bin in einem Zwiespalt", ergreife ich das Wort. "Ich will dir nah sein, ich gebe es zu, doch andererseits weiß ich, dass etwas dazwischen steht von dem ich bis jetzt nicht weiß was es ist. Einerseits bin ich froh dich zu sehen und andererseits überkommt mich jedes Mal eine Mischung aus Wut und Traurigkeit und ich weiß nicht welche Seite letztendlich überwiegen wird."

Verständnisvoll nickt er, ehe er vorsichtig mit seiner Hand über meine Schulter fährt und mit die dünne Kette zwischen seinen Fingern spielt. Ich schmunzle Finnick an. Doch als mein Blick kurz den Bildschirm streift und Finnick meinen bestürzten Blick wahrnimmt, lässt er die Kette wieder zurück auf meine Haut fallen und dreht sich ebenfalls um.

Das Mädchen aus Distrikt 11 liegt im dunkelgrünen Gras des Waldes. Das Speer mit dem Marvel sie anscheinend getroffen hat liegt noch neben ihr, er liegt ein paar Meter von ihr entfernt. Tot. Rues Atmung wird immer hektischer bis Katniss ihren Kopf vorsichtig auf ihre Beine legt. Doch Rues Blick ist voller Angst, die dicken Tränen laufen über ihre Wangen. Finnick lässt meine Hand los um die Lautstärke zu erhöhen, damit wir mitbekommen was sie sagen, doch er legt seine Hand sofort wieder in meine.

"Alles ist gut", wimmert Katniss immer wieder und streicht der kleinen Rue durch die schwarzen Locken. Fast lautlos hören wir wie Rue Katniss zuflüstert "Du musst gewinnen."

Katniss hebt für einen Moment ihren Blick und ich könnte schwören, dass etwas in ihr sich gewandelt hat, als sie beginnt ein Lied für Rue zu singen, bis die großen, dunklen Augen von Rue nicht mehr blinzeln und die einzigen Tränen, die noch fließen die von Katniss und mir sind.

Wir beobachten wie Katniss kurz darauf voller Wut das Speer von Marvel von sich weg wirft und einen Augenblick später aufsteht und zielsicher auf eine kleine Lichtung zu geht, die mit weiße Margeriten überseht ist. Gebannt schauen Finnick und ich ihr dabei zu, wie sie einen kleinen Strauß auf Rues Brust platziert und ihren nun ausdruckslosen, starken Blick mutig zur Kamera richtet. Sie platziert ihren Mittel-,Zeige-und Ringfinger auf ihren Lippen, ehe sie die Geste in die Kamera hält. Ein Abschiedsgruß aus Distrikt 12.

"Es geht um mehr als überleben, sie hat es erkannt", spricht Finnick meinen Gedanken aus, als mich das Gefühl überkommt, dass das nur der Anfang war.

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt