i. the reaping

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"Don't worry mother, your daughter is a soldier"

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"Don't worry mother, your daughter is a soldier"

Von allen Seiten spüre ich die Blicke der Menge. Sie durchbohren mich. Neben mir höre ich erleichtertes aufatmen, weil alle anderen froh sind, dass es sie nicht getroffen hat. Aber ich schlucke nur. Mein Mund ist trocken und meine Blick verharrt auf dem weißen Zettel in Lucinias Händen.

Sowas musste ja passieren.

„Juniper, kommst du zu mir herauf?", summt Lucinia's Stimme in meinen Ohren. Bevor ich mich in Bewegung setze, atme ich tief durch und versuche ein wenig ruhig zu bleiben. Noch bevor ich mir weitere Gedanken machen kann, zieht mich eine Hand schon grob von meinem Platz.
Umso weiter die Hand des Friedenswächters mich aus dem Gang zieht und ich mich zur Bühne bewege, umso weiter rücken meine Zukunftspläne und Hoffnungen in weite Entfernung.

Ich stehe unmittelbar vor den wenigen Stufen die mich auf die Tribüne führen. Bei meinem ersten Schritt spüre ich schon, wie nach meiner Hand gegriffen wird und Lucinia mich förmlich über die letzten Stufen hebt. Sofort weht mir ein viel zu süßes Parfum entgegen und als ich hoch schaue, strahlen mich perfekt weiße Zähne an.
Sie schiebt mich neben sich und deutet mir stehen zu bleiben, während sie sich auf zur nächsten Lostrommel macht um zu entscheiden, wessen Zukunftspläne sich mit meinen in Luft auf lösen.

Lucinia lässt sehr lange ihre Hand über den Zetteln kreisen und zieht schließlich einen hervor, den sie triumphierend zum Mikrofon trägt.
„Sylvan Redmon", verkündet Lucinia und sucht Sylvan in der Menge. Sie wird ihn nicht finden, solange niemand ihn auf die Bühne holt, immerhin hat sie ihn noch nie gesehen.
Im Gegensatz zu mir. Gleiches Alter, gleicher Beruf und noch dazu im gleichen Waldbezirk wie ich.

Schade; ist das Erste, dass mir in den Sinn kommt. Ab und zu reden wir in der Pause, regen uns leise über das Kapitol auf oder lachen lautstark über Dinge, die uns in der Freizeit passiert sind.
Ihm hätte ich es wirklich gegönnt, wenn er die Ernte überstanden hätte. Vielleicht sogar ein bisschen mehr als Maple, die jeden Tag in den Papierfabriken einfach ein paar Knöpfchen drückt. Kein Vergleich zu der Arbeit im Wald.

„Maple..." flüstere ich so leise, dass nur ich es vermutlich gehört habe. Ich wende mich ab von Sylvan, der mittlerweile auf dem Weg auf die Tribüne ist und blicke zu Marple.

Ihre Mimik ist vollkommen aufgelöst und den Tränen nah. Ich muss meinen Blick, so schwer es mir fällt, von ihr abwenden um nicht auch los zuweinen.

Ich wende mich wieder zu Sylvan, da ich von Lucinia die Anweisung aufgeschnappt habe, ihm die Hand zu schütteln.

Im Justizgebäude darf ich mich in einem kleinen Raum von Freunden und Familie verabschieden. Allerdings ist verabschieden das falsche Wort für diese Bedingungen. Friedenswächter bewachen die Tür und ziehen den Besuch nach Ablauf der Zeit rücksichtslos aus dem Zimmer. Alles ist genau geplant.

Die ersten Besucher sind meine Eltern. Kurz bin ich stutzig, warum mein Bruder nicht dabei ist, doch dann fällt mir ein, dass er bestimmt alleine kommen wird.

Meine Mutter umarmt mich schluchzend und bekommt nur schwer ein Wort heraus. „E-e-s..tu-", sie bricht ab und fällt mir erneut um den Hals. Ich erwidere ihre Umarmung und vergrabe meinen Kopf in ihrer Schulter. Der Grund warum mir nicht die Tränen in die Augen schießen ist mir nicht klar. Ich kann es mir nur damit erklären, dass ich noch zu sehr unter Schock stehe, um wirklich ernsthaft zu begreifen, dass ich sie gerade das letzte Mal umarmen könnte. Nun findet mein Vater seine Sprache wieder „Es tut uns leid, Juniper." „Ihr tragt keine Schuld. Wenn das einer tut, dann President Snow", sage ich gedämpft. Vor allem den zweiten Satz. Nun umarmt auch er mich. „Wir haben uns so sehr gewünscht, dass du es wie dein Bruder schaffst durch das Erntealter zu kommen,...aber -" „-aber das Glück war dieses mal wohl nicht mit uns..", beendet meine Mutter seinen Satz, während er zustimmend nickt. Sie schluchzt ein letztes Mal bevor die Tür aufgerissen wird und uns der Friedenswächter streng ansieht. Meine Eltern drücken mich, ehe der Friedenswächter sie aus dem Raum zieht.

Mein nächster Besuch ist tatsächlich mein Bruder. Er bleibt nicht lange und ist sogar noch sprachloser als meine Eltern. Er drückt mich, wünscht mir alles Glück auf der Welt und verabschiedet sich. "Du musst es schaffen, Juniper!" Sagt er noch, als ihn ein Friedenswächter bereits am Arm aus den Raum zieht.

Auch Maple besucht mich, doch ich nehme zunehmend alles nur noch auf, als würde ich mich in Trance befinden. Nachdem sie den Raum verlassen hat, führt mich der Friedenswächter zu Lucinia und Sylvan. Wir werden zu einem kleinen Auto gebracht, dass uns zum Bahnhof transportiert. Wir fahren durch den gesamten Distrikt und ich blicke vielleicht das letzte Mal auf die Pfahlbauten.

Hinter den Bauten eröffnet sich der Wald mit seiner vollen Pracht. Ich beschließe, das Fenster ein Stück herunter zu kurbeln um den Geruch des Waldes und des Regens einzuschnappen, der langsam wieder beginnt. Ich schließe meine Augen und lehne mich gegen das kühle Fenster. Es vergeht eine gefühlte Ewigkeit bis das Auto seine Geschwindigkeit verringert und schließlich ganz stoppt.

Lucinia bittet mich und Sylvan ihr zu folgen. Wollen wir das überhaupt? Wir stocken beide bevor wir schweren Herzens weiter gehen. Sie stöckelt freudig zu dem Zug, der uns in das Kapitol bringen wird. Ich steige nicht sofort hinein.
Ein allerletztes Mal drehe ich mich um und atme die Luft von Distrikt 7 ein.
Meine Heimat mit all ihren Erinnerungen.
Die warmen Sommernächte.
Die schwere Arbeit.
Die Menschen.

Der Wald.

„Ich würde alles dafür geben, hier zu bleiben", sagt Sylvan, der meinen Blick anscheinend verstanden hat. Ich nicke zustimmend und blicke in seine fast schwarzen Augen, in denen man sich fast schon spiegeln kann. „Ich könnte mir kein besseres Distrikt vorstellen als Distrikt 7. Der Wald bietet etwas, dass in Panem zu einer Seltenheit gehört." Ich schmunzel. „Er bietet uns Freiheit, richtig?", frage ich ihn. Auch er grinst ein wenig und atmet tief ein. „Ja." Lucinia unterbricht uns und sagt, dass wir los fahren und endlich in den Zug kommen sollen. Schwerenherzens steigen wir ein. Mein Leben liegt hinter mir. Ab jetzt, bin ich nur noch ein Vogel in dem Käfig von President Snow, der um sein Leben bangt.

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWhere stories live. Discover now