xii. the pretty lies, the ugly truth

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„I survived because the fire inside me burned brighter than the fire around me."

Eine gefühlte Ewigkeit stehe ich gemeinsam mit Finnick, Cove und Maple vor der schweren Sicherheitstür des Bunkers auf Ebene 40, während ich angespannt meinen Blick nicht von dem Metallschloss in der Mitte der Tür abwenden kann. Sie wurde seit der vergangenen Nacht bisher nur einmal geöffnet und wurde unmittelbar danach wieder mit einem lauten Knall verschlossen. Zwar ist Präsidentin Coin der Meinung, dass der Angriff des Kapitols vorüber ist, doch möchte sie warten, bis Kommandeur Boggs eine Rückmeldung durchgegeben hat. Die Sicherheit der Bewohner von Distrikt 13 geht um jeden Preis vor. Gemeinsam mit Haymitch und dem Aufnahmeteam ist Katniss an die Oberfläche gestiegen, um das geplante Video zu drehen, mit dem Alma Coin den Rebellen zeigen möchte, dass wir den Angriff des Kapitols überstanden haben.

Da Finnick und ich ebenfalls Aufnahmen machen sollen, wurden wir zur Sicherheit gebeten im Luftschutzbunker zu warten, aber uns bereit zu halten. Daher befinden wir nun vor dem Ausgang und warten geduldig, dass die große Tür endgültig geöffnet wird. Zu Zweit sitzen Cove und Maple auf dem grauen Betonboden und reden mit gedämpften Stimmen miteinander. Sie sprechen so leise, dass ich von meiner Sitzposition nicht verstehen kann, welche Gesprächsthemen sie haben. Hockend streicht Finnick neben mir über sein Gesicht, während er unsere Freunde von der Seite anlächelt.

"Meinst du, das wird das nächste Paar?", fragt Finnick vorsichtig in meine Richtung, während er darauf achtet, nicht zu laut zu sprechen.

"Wer weiß", grinse ich und beobachte wie zufrieden, wie Maple fröhlich über einen Witz von Cove lacht, als ich darüber nachdenke, wie die Oberfläche von Distrikt 13 nach dem Bombenangriff aussehen mag.

Trotz der Gespräche um uns herum, bemerken wir plötzlich wie sich hallende Schritte außerhalb der Tür annähern. Sie werden mit jedem Auftreten lauter, bis schlussendlich das metallische Klicken uns verrät, dass die Sicherheitstür geöffnet wurde. Finnick und ich springen neugierig von unseren Plätzen auf, um zu sehen wer der Beteiligten sie geöffnet hat. Doch noch bevor wir Katniss ansprechen können, die als Erste in den Bunker stürmt, hält Haymitch, der knapp hinter ihr läuft, uns auf. Kopfschüttelnd hält er mich am Arm fest, als ich gerade dabei bin Katniss auf ihrem Weg zu folgen.
"Lass sie gehen, Juniper. Sie kann es nicht und das ist in Ordnung. Geht nach oben und filmt das Video stattdessen, okay?" Ohne auf meine Antwort zu warten, drückt er uns eine Taschenlampe mit drei Glühbirnen in die Hand und lässt uns am Eingang des Bunkers stehen. Doch auch Finnick und ich brauchen kein weiteres Wort mehr auszutauschen, sondern geben uns durch ein kurzes Nicken zu verstehen, dass wir Beide der selben Meinung sind. Wir verabschieden uns von Maple und Cove, ehe ich die Ärmel meines Overalls nach oben schiebe und entschlossen die Rampe entlang gehen.

Unsere einzelne Schritte klingen über die Treppe, auf der sich gestern noch die Geräusche überschlugen, während Finnick uns den Weg nach oben leuchtet. Das Wasser steht in kleinen Pfützen auf den Plattformen zwischen den Treppenstufen; die Wände sind bereits getrocknet. Dennoch hängt ein feuchte Geruch in der Luft.

Noch bevor wir die Tür erreicht haben, die uns schlussendlich an die Oberfläche führen wird, können wir die Zerstörung erahnen. Zu unseren Füßen liegen die ersten, grauen Trümmer der Wände zusammen mit der völlig verbogenen Metalltür, die von dem schwachen Licht von draußen beleuchtet wird. Finnick und ich klettern über die großen dunklen Steine nach draußen, aus denen verrostete Stäbe ragen. Neben uns liegt eine zersprungene Treppe, während links von uns aus einem zerstörten Rohr Wasser austritt. Doch trotz der Zerstörung, die die Bomben hinterlassen haben, ist es ein anderes Detail das uns ins Auge springt und unseren Atmen für einen Moment anhält. Zwischen den grauen Steinen liegen hunderte weiße Rosen. Ein parfümierter Geruch steigt von ihnen auf, als ich nach einer greife, die zu meinen Füßen liegt und die schimmernde Farbe genauer betrachte. Als ich den süßlichen Duft erneut tief einatme, bemerke ich woran er mich erinnert. Präsident Snow. Ich denke am eine Siegertour und den Abend im Kapitol zurück, als auf dem Balkon der Präsidentenvilla eben dieser Geruch in der Luft lag. Als das Getränk von Präsident Snow eine rötliche Färbung annahm.

Boggs ist der Erste, der uns währenddessen begrüßt. "Danke, dass ihr euch dafür bereit erklärt habt." Er zeigt mit der Hand zu Cressida und dem Filmteam, die bereits alles aufgebaut haben.

"Okay, Finnick, Juniper. Stellt euch dort in die Mitte auf die Steine." Beginnt Cressida uns die ersten Anweisungen zu geben. Ich hole tief Luft, ehe ich wie angewiesen meinen Platz neben Finnick einnehme und darauf warte, dass es los geht.

"Castor links rüber, Pollux zu mir. Wir beginnen jetzt zu filmen, aber lasst euch Zeit. Beginnt zu sprechen, wenn ihr euch bereit fühlt."

Finnick schaut aufgeregt zu Boden, ehe er nach meiner Hand greift und mir einen zögerlichen Blick schenkt. Sofort erkenne ich, dass er etwas vorhat, von dem er mir nichts gesagt hat. Doch unterstützend drücke ich seine Hand und wende meinen Blick zu der Kamera, die Pollux mit ruhiger Hand auf uns richtet. Ich vertraue Finnick. Er wird wissen, was er tut.

Gänsehaut läuft über meinen Rücken, als er beginnt mit einer Stimme in die Kamera zusprechen, die ich lange Zeit nicht mehr gehört habe. Mit tiefem Ton und bedachter Wortwahl stellt Finnick uns vor. Es ist die Stimmlage des Golden Boy, den er so viele Jahre perfekt spielte.

"Hier sind Finnick Odair und Juniper Sylva, Sieger der 65. und 69. Hungerspiele. Wir sind in Distrikt 13 und wir sind wohl auf. Wir haben einen Angriff des Kapitols überlebt. Doch wir sprechen hier heute nicht über die neusten Vorkommnisse dieses Landes. Viel mehr darüber, wie es ist die Hungerspiele zu gewinnen. Die Wahrheit. Nicht die Mythen über ein Leben in Luxus. Nicht die Lügen über Ruhm und Ehre für die Heimat.

Man kann die Arena überleben, doch sobald man sie verlässt ist man ein Slave."

Es fällt mir schwer emotionslos neben ihm stehen zu bleiben, als ich nun ahnen kann, welche Geschichte er Panem erzählen wird. Mein Griff um seinen Arm festigt sich, denn es ist die einzige Unterstützung, die ich ihm gerade geben kann.

"Präsident Snow hat uns benutzt, indem er meinen Körper verkaufte und Junipers Empathie ausnutzte. Wir wurden zu Darstellern in seiner Show. Und damit sind wir nicht alleine. Sobald ein Sieger in den Augen der Leute als attraktiv gilt, verschenkt ihn der Präsident als Belohnung oder nimmt ihn für seine Zwecke in Anspruch. Wenn man sich weigert, dann tötet man jemanden den er liebt.

Ich kenne die ganze Verdorbenheit, die Tücke und die Grausamkeit der verhätschelten Elite des Kapitols, doch die größten Geheimnisse betreffen unseren Präsidenten Coriolanus Snow. Er war sehr jung als er an die Macht kam und klug genug um sie zu behalten. Doch wie, fragt man sich. So viele seiner Gegner, aber auch Verbündeten, wenn sie eine Bedrohung wurden, kamen auf mysteriöse Weise ums Leben."

Direkt erkenne ich, dass Finnick mir nun die Gelegenheit geben wird zu sprechen und erinnere mich daran, was er mir eine Nacht über den Präsidenten erzählte, als wir Beide in unserem Bett lagen und nicht schlafen konnten. Kurzerhand bücke ich mich über den Boden vor uns und greife einen Schwung der weißen Rosen, die ich mir sorgfältig über den vergoldeten Arm lege, damit man Beides erkennen kann. Ich ziehe eine Rose aus dem Strauß und führe sie zu meiner Nase, bevor ich in die Kamera lächle und weiterspreche:

"Weiße Rosen stehen für Unschuldigkeit oder als Zeichen des Friedens. Doch das sind nicht die Gründe, warum Präsident Snow stets eine dieser dornigen Blumen bei sich trägt. Seine gezüchtete weiße Rose ist das Einzige, das es schafft den Geruch von Blut zu überdecken. Warum muss er das überhaupt?" Ich schmunzle und lege eine kleine Pause ein. "Die liebste Waffe unseres Präsidenten ist Gift. Gift, dass er seinen Feinden in die Getränke mischte, doch immer aus der selben Tasse trank, um den Verdacht von sich abzulenken. Doch auch das beste Gegengift wirkt nicht immer und so kaschiert er mit der Rose den beißenden Geruch der Wunden in seinem Mund, die niemals abheilen werden."

"Es ist die Waffe einer Schlange", ergreift Finnick wieder das Wort. "Er tötet ohne Gnade, er herrscht mithilfe von Betrug und Angst. Doch eine Sache vergaß er: Hoffnung ist stärker als Angst." Finnick ergreift eine Rose aus dem Strauß und dreht sie konzentriert in seiner Hand.

"Wir stehen hier, als der Beweis, dass er beginnt die Kontrolle über dieses Land zu verlieren."

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt