vii. poetry of district 7

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"He was her warmth, she was his peace."

"Doch, ich verspreche es dir, June. Ich werde dich in Distrikt 7 besuchen", prahlt Finnick überzeugt, auch wenn wir beide genau wissen, dass es selbst Siegern nur unter bestimmten Umständen erlaubt ist, andere Distrikte zu besuchen.
„Ganz bestimmt", flüstere ich und lege meinen Kopf auf seine Schulter. Die dunkle Strähne, die mir ins Gesicht fällt und dabei seinen Oberarm streift, streicht Finnick geschickt hinter mein rechtes Ohr. Doch seine Hand verweilt weiterhin auf meiner Wange.
Es fühlt sich immer noch surreal für mich an; wie jede seine Berührung in mir ein Kribbeln auslöst und es das Einzige ist, auf das ich mich konzentrieren kann.

Wir sitzen für eine Weile ruhig nebeneinander, während Finnick mir sanft über den Rücken streicht und ich verträumt der strahlenden, aufgehenden Sonne entgegen blicke. Ich richte meinen Blick auf und schaue zu ihm, als sich ein Grinsen in seinem Gesicht breit macht und die Sonne seine grünen Augen erleuchten lässt.

Es tut gut mit ihm auf dem Dach des Trainingsgebäude zu sitzen und über alles und nichts zu sprechen; so als seien wir normale Menschen, die nicht jede Nacht aus den selben Gründen den Schlaf geraubt bekommen. Die Stimmung unter den Mentoren wird zunehmenden angespannter, weil weitere 2 Tage nichts in der Arena passiert ist. Wir wissen alle, dass es nicht so weiter gehen wird. Doch das Schlimmste für uns ist, dass wir unsere Tribute nicht davor warnen können.

"Es scheint fast so, als würde dein Kopf qualmen", bricht Finnick die Stille erneut.

"Das tut er auch, denke ich", gähne ich und richte mich müde auf. "Ich werde nach unten gehen; vielleicht beruhigt es mich, wenn ich sehe, dass noch alles in Ordnung ist." Fragend schaue ich zu ihm und warte, dass er ebenfalls aufsteht. Finnick stöhnt auf, während er sich Richtung Himmel streckt.

Gemächlich kommt er näher in meine Richtung und zieht mich liebevoll in eine Umarmung; doch sein Blick bleibt fokussiert auf mein Gesicht. "Ich wünschte, es fiel mir leichter nicht auf dich zu hören." Triumphierend grinse ich ihn an und verweile noch etwas in dem Moment, bevor wir uns von einander lösen und den Rückweg antreten.

Trotz des frühen Morgens herrscht im Trainingscenter schon reges Treiben. Aus dem Aufzug erkenne ich die frühstückenden Sponsoren und die gestressten Avoxe. Als wir im Stockwerk der Mentoren ankommen und sich die Türen des Aufzugs öffnen, werden wir bereits von Brutus empfangen.

"Jetzt verstehe ich, warum dich alle Fuchs nennen", begrüßt er uns, doch ich begreife nicht auf Anhieb von was er spricht. Mit einer Kopfbewegung, macht er deutlich, dass wir in die Mentorenlounge gehen sollen. Meine Schritte werden schneller, umso näher wir der Metalltür kommen.

Als Finnick die Tür aufstößt, höre ich bereits die tiefe Stimme von Jack. Er diskutiert mit Olive und schnell wird mir klar über was.

"Es ist meine Entscheidung Jack!" Olives energische Stimme kann sich nur darauf beziehen, dass Jack Bescheid weiß. Während ich mich auf einen Sessel links vom Fernseher platziere, bekomme ich schon nicht mehr mit wo Finnick Platz nimmt; erst als ich seine warme Hand auf dem kühlen Gold meiner Schulter spüre.

Nachdem die Beiden aufgeregt die Diskussion beendet haben, stürmt Jack wütend davon. Die Kamera teilt sich in zwei Bilder auf, sodass weiterhin beide Tribute verfolgt werden können. Mit einem trübseligen Seufzer lässt sich Blight auf die Couch neben mir fallen.

"Ich hab die schlimmsten Befürchtungen", höre ich ihn leise sagen. Zustimmend nicke ich ihm entgegen. Jack ist mittlerweile in der Nähe des großen Staudamms angekommen, doch leider ahnt er nicht, dass genau dort die Karrieretribute auf ihn warten. Während wir beobachten wie Jack verzweifelt versucht sich gegen sein Gegenüber zu wehren, scheint Olive wie in Gedanken versunken zwischen den Bäumen zu sitzen. Es scheint absurd, wie sie in Ruhe dort sitzt und nur wenige hundert Meter entfernt Jack um sein Leben kämpft. Das metallische Klirren hallt durch den Raum und vermischt sich mit dem lauten Atem von Blight, der nervös mit den Finger auf sein Glas klopft. Sekunden später beendet ein Schlag in Jacks Bauch den Kampf und lässt ebenfalls Blight verstummen. Jacks Gesicht wird von jeglicher Emotion verlassen, als der Junge aus Distrikt 1 sein Schwert aus Jacks Körper zieht und das Blut ungebremst aus der Wunde läuft.  Seine Knie treffen als Erstes ungebremst den steinigen Boden und als er sich mit den Händen nicht mehr auffängt, sondern reglos dort liegt, ist uns klar, dass er endgültig tot ist. Ich lege meine Hand auf den Arm von Blight, der mich traurig anblickt. "Es wird nie schöner", wispert er niedergeschlagen.

Die Kamera wechselt wieder zu einem Vollbild auf Olive, die durch die Jacks Kanone aus ihren Gedanken gerissen wird. Sie blickt der Kamera entgegen, die ohne Mitleid auf ihr Gesicht zoomt, bevor sie mit entschlossener Stimme zu sprechen beginnt:

"Juniper, danke, dass du bis zuletzt bei mir warst. Ich möchte, dass meine Familie weiß, wie sehr ich sie liebe. Weint nicht um mich; ich werde immer bei euch sein-" Sie stockt, während sie aus ihrem Schneidersitz aufsteht und den Blick nicht von der Kamera abwendet.

"Ich sah den Wald im Sonnenglanz,

Vom Abendrot beleuchtet,

Belebt von düstrer Nebel Tanz,

Vom Morgentau befeuchtet:

Und lieben mußt' ich ihn noch mehr,

Ihn meiden könnt' ich nimmer.

Schön ist er, düsterschön und hehr,

Und Heimat bleibt er immer."

Auch wenn ich mir geschworen haben, dass ich bei ihrem Tod nicht weinen werde, bleibt mir gar nichts anderes übrig. Langsam kullern mir Tränen aus den Augen. Selbst Blight schluchzt neben mir auf und wir wechseln einen vielsagenden Blick miteinander, ehe wir leise in Olives Worte einstimmen:


"Ich sah mit hellen Augen ihn,Und auch mit tränenvollen;

Bald sänftigt' er mein Grollen.

In Sommersglut, in Winterfrost, –

Konnt' er mir mehr nicht geben, –

So gab er meinem Herzen Trost;Und drum: Mein Wald, mein Leben!*"

Mit den finalen Worten des Gedichts schluckt Olive die kleine Pille, die ich ihr, dank Elsa und Nero, zukommen lassen konnte. Sie setzt sich erneut auf den dunkelgrünen Boden unter ihr und nach einem Augenblick sinkt sie sanft in das Gras, fast zeitgleich mit der letzten Träne, die auf meine Hand hinab fällt.

Die Kanone bestätigt es uns erneut: Unsere Tribute sind tot.

Blight hebt traurig sein Glas an den Mund und trinkt es in einem Zug aus, bevor er mich erneut ansieht. "Mein Wald, mein Leben." Um uns herum herrscht Stille; die anderen Mentoren schauen uns gebannt an.

"Mein Wald, mein Leben", antworte ich ihm mit einem traurigen Lächeln.

Finnicks Hand, die immer noch auf meiner Schulter verweilt hat, gleitet zu meiner Hand. Ich drehe mich im Sessel zu ihm um. Verwirrt fragt er mich "Was war das?"

Lächelnd erzähle ich dem Sieger aus Distrikt 4: "Das erste Gedicht, das wir in Distrikt 7 lernen. Das einzige Gedicht, dass uns in den Sinn kommt, wenn wir tief in den Baumkronen sitzen, während der Wind in den Blättern es begleiten und das letzte Gedicht, dass für die verstorbenen Tribute aus Distrikt 7 aufgesagt wird. Die ehrlichste Begrüßung und Verabschiedung die es bei uns gibt. Mein Wald, mein Leben."














*Emerenz Meier (1874 - 1928), deutsche Dichterin und Erzählerin

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt